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Nach Skandal-Sager: Audi und Mercedes auf Kriegsfuß

Nach Skandal-Sager: Audi und Mercedes auf Kriegsfuß

Eigentlich war es ein fantastisches Wochenende in Spielberg für Audi.

Die Qualifyings wurden dominiert, die Sieger in beiden DTM-Rennen gestellt, und mit Mattias Ekström trägt der neue Gesamtführende ebenfalls vier Ringe auf der Motorhaube.

Ja, eigentlich.

Denn nach insgesamt 62 Runden sauberer Rennaction lieferte Timo Scheider, ebenso für die Ingolstädter unterwegs, eine Aktion, die wohl noch den Sportgerichtshof beschäftigen wird.

Nicht nur Fahrer, sondern auch Hersteller werden sich dafür verantworten müssen.

Ein Schubs, zwei Gegner entsorgt

Ekström fuhr gerade dem Sieg entgegen, da kämpfte sein deutscher Kollege noch mit den Mercedes-Piloten Robert Wickens und Pascal Wehrlein, seines Zeichens Meisterschaftsleader nach dem Samstagsrennen. Die beiden „Silberpfeile“ hatten sich vor Scheider gesetzt, als der Bremspunkt zu Kurve drei näherrückte.

Und der Audi-Mann schien ihn völlig zu verpassen. Wickens bekam einen Schubser, der den vor ihm fahrenden Wehrlein mit ins Aus beförderte. Die sicher geglaubten Punkte für die Schwaben waren dahin.

Schon für sich eine sehr unglückliche Aktion. Doch die Übertragung des deutschen Fernsehens brachte einen skandalösen Aspekt in die Sache ein.

Anweisung aus der Box?

Dort wurde in der Wiederholung ein Funkspruch an Scheider eingespielt. Mit der klaren Anweisung, seinen Kontrahenten von der Strecke zu schieben.

Berechtigter Anlass für die Geschädigten, nach der karierten Flagge durch die Decke zu gehen.

„Wenn es diesen Funkspruch gab, dann sollte derjenige nie wieder auf eine Rennstrecke gehen, denn das tut man nicht. Den Meisterschaftsführenden rauszuschieben ist absolut indiskutabel und unter jeder Würde für die Serie!“, kochte Motorsportchef Toto Wolff in einer ersten Reaktion.

Und im Audi-Lager wusste man mit dem nötigen Erklärungsbedarf nicht richtig umzugehen.

 

! ! ! Under Investigation ! ! !

Posted by DTM on Sunday, August 2, 2015

Die Geister, die riefen

Wolffs Pendant Wolfgang Ullrich bekannte sich schuldig, die Emotionen seien in der Situation übergekocht. Man habe sich dazu veranlasst gefühlt, da der eigene Fahrer offensichtlich „in die Klemme“ genommen werden sollte. Eine für sich schon eher dürftige Entschuldigung.

Doch die spätere Version vor versammelter Presse klang noch einmal anders.

„Ich habe mich sehr geärgert, das war unsauber von Mercedes. Man wollte Timo in eine Position bringen, in der er Plätze verliert. Aber, das sei klar gesagt, wir haben vielleicht emotional diskutiert und es mögen Sprüche wie 'mach was!' gefallen sein, aber keiner davon geht zum Rennfahrer“, wusch Ullrich seine Hände in Unschuld. „Ich kann nicht sagen, wo die Durchsage herkam. Ich bin mit keinem Fahrer direkt verbunden, die Anweisungen kommen vom Fahrzeugingenieur.“

in einem offiziellen Audi-Statement via Facebook sprach Ullrich dann doch wieder davon, seinen Fahrer dazu aufgefordert zu haben, anzuschieben.

Scheider wurde überhaupt in Schutz genommen: „Für mich ist das eine Rennsituation gewesen. Timo ist niemand, der irgendwas unsauberes tun würde. Für mich hat er gebremst, wie in den Runden zuvor. Was soll ich jetzt tun? Ich kann nichts machen.“

Schuld sind die anderen

Der Übeltäter selbst wollte gar nichts gehört haben.

„Ich habe keinen Funkspruch bekommen, sondern ihn erst gehört, als ich mir das Video angesehen habe. Ich habe mich nach der Aktion beschissen gefühlt, den Meisterschaftsführenden will man so nicht entsorgen“, so Scheider, der auch von der Körpersprache keinen schuldbewussten Eindruck machte.

Im Gegenteil, auch er wollte den Kontrahenten die eigene Schuld nicht absprechen: „Robert wollte Pascal beschützen, beide haben auf der Kampflinie abgebremst. Es war nur eine leichte Berührung, diese Kurve ist schwierig anzubremsen, aber ich habe das nicht später gemacht, als in den Runden zuvor.“

„Hoffentlich kauft sich niemand einen Audi“

Bei Mercedes sieht man die Sache naturgemäß anders.

„Für mich hat das nichts mit Sport zu tun. Das war Absicht und aus meiner Sicht grob unsportliches Verhalten. Aus meiner Sicht ist es nicht genug, nur darüber nachzudenken, den Fahrer zu bestrafen“, wütete Ulrich Fritz, DTM-Chef der Schwaben.

„Eine solche Anweisung über Funk ist die eine Sache, sie auch noch auszuführen, enttäuscht mich schwer.“

Pascal Wehrlein zeigte sich äußerlich gefasst, fand jedoch ähnlich harte Worte.

„Eine unfaire, dreckige Aktion von denen. Es hat nicht nur negativen Effekt auf die Meisterschaft, sondern auch auf die Marke Audi. Ich hoffe, dass sich in der nächsten Woche niemand ein Auto von ihnen kauft“, versuchte er, seine Wut hinter einem Scherz zu verstecken.

Scheider, in der DTM eigentlich geschätzt, sei seinen guten Ruf jedenfalls los: „Es ist der Tag, an dem er seine Vorbildfunktion verliert“, so ein weiterer Mercedes-Offizieller.

Ob der Audi-Fahrer eine Strafe für das Rennen ausfassen sollte, war gar nicht Gegenstand der Diskussion. Vielmehr wurde das Ansehen des ganzen Motorsports in Gefahr gesehen.

Keine Frage also, dass sich noch eine höhere Instanz mit der Sache auseinandersetzen wird. Die Disqualifikation Scheiders wurde noch am späten Abend des Renntags beschlossen, der Sachverhalt wanderte jedoch - mit Anklage gegen das Team Phoenix, dem Scheider angehört - an den Sportgerichtshof weiter.

 

Karma kommt zurück ihr Zwiebelringe!

Posted by Pascal Wehrlein Official on Sonntag, 2. August 2015

Ein grinsender Tiroler

Einen lächelnden Mercedes-Piloten gab es abseits des Aufruhrs doch. Lucas Auer fuhr im strömenden Regen mit Platz sechs – nach der Disqualifikation Scheiders – sein bestes DTM-Resultat ein, profitierte dabei aber vom Pech seiner beiden Markenkollegen.

„Ich habe mich bei den Bedingungen nicht ganz wohl gefühlt, aber es wurde mit der Zeit besser. Ich habe mich ursprünglich gewundert, dass überhaupt gefahren wurde“, zeigte sich der Tiroler sehr zufrieden.

Wie am Samstag, als er jedoch mit dem Setup zu kämpfen hatte, zeigte der 20-Jährige ein fehlerfreies Rennen und setzte sich sogar im langen Fight mit Maximilian Götz durch.

Insgesamt ein Zeichen, endlich in der Serie angekommen zu sein.

„Es ist schwer, ein gutes Ergebnis im nächsten Rennen zu bestätigen“, wappnete er sich bereits für nächste Aufgaben. „In erster Linie möchte ich Konstanz reinbringen und regelmäßig in die Punkte kommen, aber das wird noch dauern.“

Vielleicht hat er im Kampf um Zähler schon Ende August in Moskau zwei Kontrahenten weniger, sollte es eine schnelle Entscheidung gegen das Team Phoenix geben.

 

Aus Spielberg berichtet Johannes Bauer