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Die Geheimfavoriten-Rolle birgt Gefahren

Österreich hat sich für die EURO 2016 qualifiziert – ungeschlagen und mit neun Siegen aus zehn Spielen. Der Nachrichten-Wert dieses ersten Satzes hält sich in überschaubaren Grenzen. Denn selbst Menschen, dem heimischen Kick desinteressiert gegenüberstehen bzw. ihn maximal skeptisch beäugen sind dieser Tage nicht umhin gekommen, die Euphorie rund um das ÖFB-Team zu registrieren.

Der Erfolg von Marcel Kollers Truppe hat die Ausgangslage für das Turnier in Frankreich grundlegend geändert. In so mancher internationalen Analyse ist vom „dark horse Austria“ zu lesen. Österreich wird in der Rolle des hochgehandelten Geheimfavoriten in die Endrunde starten. Diverse Wettanbieter reihen Österreich unisono auf Platz neun, wenn es um die Wetten auf den Europameister geht. Die Zuteilung in Auslosungs-Topf zwei und ein Rang in den Top Ten der Weltrangliste rechtfertigen das.

Tatsächlich hat das ÖFB-Team das Potenzial, international als sympathischer Underdog wahrgenommen zu werden. Das neue Belgien quasi. Mit David Alaba – Leistungsträger bei Pep Guardiolas FC Bayern – als Zugpferd und dahinter jeder Menge Legionäre aus der deutschen und englischen Liga – die beiden meistverfolgten auf der Welt – wird die Erwartungshaltung außerhalb Österreichs groß sein. Damit müssen Spieler und Betreuer erst einmal umzugehen lernen.

Freilich sind die Voraussetzungen gut, dass das gelingt. Coach Koller ist Medienprofi und das Team demütig. Nichtsdestoweniger wird der Druck vor dem Turnier ein anderer sein, als ihn die meisten ÖFB-Kicker bisher gewohnt waren. Für Alaba und Aleksandar Dragovic ist es Alltag, bei ihren Vereinen mit extrem hohen Erwartungshaltungen konfrontiert zu sein. Der Rest ist eher bei Mittelständern und Abstiegskandidaten aktiv.

Hinzu kommt – bei all der ehrlichen Wertschätzung für die bärenstarken Leistungen in der EM-Quali –, dass sich der ÖFB bisher nur gegen die B- und C-Prominenz des Kontinents durchsetzen musste. Deutschland, Frankreich, Spanien, England, Italien und Co. sind dann doch noch einmal ganz andere Kaliber.

Das ÖFB-Team wird nicht umhinkommen, die Rolle des Geheimfavoriten anzunehmen, zu Kopf steigen darf diese aber niemandem.