news

Zeitlupe Altmann

 

Das böse Erwachen in der Sackgasse

Der Tag, als Paul Scharner die falsche Abzweigung in Richtung Sackgasse wählte.

Ich finde, man sollte vor dem Karriereweg des Niederösterreichers durchaus den Hut ziehen. Allen Unkenrufen zum Trotz: Es gibt talentiertere Kicker, die in ihrer Karriere weitaus weniger erreicht haben.

Nicht ohne Grund. Scharner hatte auf seine Weise Erfolg. Als Sturschädel, der sich mehr als eine blutige Nase holte, sich aber meist treu blieb. Als Top-Profi, der seinen Körper und zum Missfallen einiger auch seinen Kopf stets schulte. Als Quer- und Mitdenker, der sich als einer der wenigen traute, das Kind beim Namen zu nennen, wenn etwas falsch lief.

Man muss nicht jede seiner Wortmeldungen und Aktionen gut finden, aber solch ein Typ tut der Szene im Prinzip gut.

Aus Respekt davor ist meine Lust, ins allgemeine „So-ein-Trottel-und-Vaterlandsverräter-Bashing“ miteinzustimmen, endenwollend, aber man kann es drehen und wenden, wie man will: In der aktuellen Causa liegt der Neo-HSV-Legionär falsch. Und zwar so richtig.

Respekt ist dabei ein gutes Stichwort. An diesem fehlte es Scharner nämlich. In erster Linie vor seiner direkten Konkurrenz um Emanuel Pogatetz, Sebastian Prödl und Aleksandar Dragovic – allesamt alles, nur keine Anfänger auf der Innenverteidiger-Position, ganz im Gegenteil. In zweiter Linie vor der gesamten Mannschaft samt Betreuerstab – Fußball ist seit seiner Erfindung ein Teamsport.

Bleibt die Frage nach dem Warum. Scharner wäre der Blick fürs große Ganze eigentlich zuzutrauen, sodass eine Reservistenrolle in einem Testspiel kein Grund ist, die Nerven wegzuschmeißen – noch dazu nach zwei guten Länderspielen im Juni, in denen er sich Kollers Wertschätzung erarbeitete.

Ungesunde Übermotivation im Hinblick auf das letzte große Karriereziel, die WM 2014? Scharner müsste wissen, dass im Verlauf einer Quali jedes Kadermitglied die Gelegenheit bekommt, seinen Beitrag zu leisten.

Am Simpelsten und Wahrscheinlichsten erscheint eine – viele vermuten, wieder einmal ferngesteuerte – Kurzschlussreaktion, wie anno dazumal bei der verweigerten Einwechslung unter Joachim Löw oder dem überstürzten Nationalteam-Rücktritt, der ihm die Heim-EURO kostete.

Beides bereute er mit dem nötigen Abstand. Aller schlechten Dinge sind drei. Diesmal erfolgt das böse Erwachen jedoch in der Sackgasse. Unnötiger geht's kaum.