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Was hat Blatter zum Rückzug bewegt?

Was hat Blatter zum Rückzug bewegt?

Die Fußball-Welt rätselt weiter über die Rücktritts-Motive von FIFA-Präsident Joseph Blatter.

Die UEFA zeigt sich von der überraschenden Ankündigung jedenfalls kalt erwischt. Während sich schon mehrere mögliche Blatter-Nachfolger (Und wer kommt jetzt?) in Stellung bringen und die Aufarbeitung der Korruptionsaffäre weiter geht, spielt UEFA-Präsident Michel Platini auf Zeit.

Die Mitglieder der Europäischen Fußball-Union werden sich nun doch nicht am Wochenende zu einer Sondersitzung in Berlin treffen.

Niersbach will schnelle Entscheidung

"In den nächsten Wochen wird es weitere Gelegenheiten geben, sich zu treffen - und hoffentlich wird sich die Angelegenheit bis dahin erhellen", erklärte der Franzose und kündigte eine gemeinsame Position an. Ursprünglich hatten die Verbände der Europäischen Fußball-Union am Freitag oder Samstag in Berlin ihre Strategie beraten wollen.

Dabei sollte es auch um die Frage gehen, ob DFB-Chef Wolfgang Niersbach und andere europäische Funktionäre ihre Sitze im FIFA-Exekutivkomitee einnehmen sollen. Dass es bis zur Wahl eines Nachfolgers noch voraussichtlich bis zum Frühjahr dauern werde, sieht Niersbach als "äußerst problematisch": "Ich würde ganz klar dafür eintreten, diesen Prozess zu beschleunigen."

Nachdem Blatter sich immer jeglicher Kritik widersetzt, sämtliche Krisen überstanden und am vergangenen Freitag die Wahl zum Chef des Weltverbandes erneut gewonnen hat, sind die Beweggründe für den freiwilligen Abschied unklar.

Juristischer Druck?

"Liegt gegen ihn etwas Belastendes vor? Oder reicht ihm die Wiederwahl von letzter Woche für sein Vermächtnis?", fragte das Blatter oft freundlich gesonnene Boulevardblatt "Blick" aus dessen Schweizer Heimat.

Die Zeitung "New York Times" und der Sender ABC mutmaßen, dass der 79 Jahre alte Schweizer auf juristischen Druck - und eventuell sogar in einer Kurzschlussreaktion - agiert haben könnte.

Das FBI soll auch gegen ihn ermittelt haben, wie die "New York Times" unter Berufung auf Ermittler am Dienstag berichtet hatte. Die Zeitung hatte in der Vorwoche die Verhaftungen führender Fußball-Funktionäre als erste publik gemacht und den Anstoß zur Eskalation der massiven FIFA-Glaubwürdigkeitskrise kurz vor Blatters dennoch geglückter Wiederwahl am Freitag gegeben.

Ermittelt das FBI gegen Blatter?

Auch der US-Fernsehsender ABC hat die - sofern korrekt - für Blatter verheerenden Informationen und beruft sich auf Personen, die mit dem Fall vertraut seien. Einzelheiten, was die Ermittlungen ergeben haben oder ob sie andauern, wurden nicht bekannt.

Doch sogar aus dem Blatter-Umfeld kommen Andeutungen. Die amerikanische Nachrichtenagentur AP zitierte dessen langjährigen Freund, Walter Gagg: "Ich hatte ein sehr gutes Treffen mit ihm heute Früh. Dann kamen die anderen Informationen aus den USA mit diesem und jenem."

Blatter selbst hatte seine Demission so begründet: "Meine tiefe Fürsorge für die FIFA und ihre Interessen, die mir sehr am Herzen liegen, haben mich zu dieser Entscheidung bewegt." Seine Tochter Corinne gab sich beim britischen Sender BBC als treibende Kraft für die Meinungsänderung aus, um den Vater vor sich selbst zu schützen.

Reformen sind notwendig

Im Auslieferungsverfahren der US-Justiz leistet inzwischen Interpol Amtshilfe. Es geht nach Angaben der internationalen Polizeibehörde um den früheren FIFA-Vize-Präsidenten Jack Warner aus Trinidad und Tobago sowie um den Paraguayer Nicolas Leoz, ehemals Mitglied des FIFA-Exekutivkomitees und südamerikanischer Verbandschef. Auch vier Geschäftsleute werden genannt. Die Vorwürfe der US-Behörden lauten Korruption, Verschwörung und organisiertes Verbrechen.

Im skandalerschütterten Weltverband beginnen die keineswegs leichten Weichenstellung für die Zukunft. Denn ohne Blatter steht die FIFA vor einer Zäsur, die der scheidende Chef selbst noch einmal dramatisierte. Mit einem Vorschlagskatalog für Reformen, die er selbst in 17 Jahren Regentschaft entweder nicht anfasste oder nicht durchsetzte, hinterlässt Blatter seinem Nachfolger innerhalb der FIFA-Strukturen ein ungeheuer schweres Erbe voller Konfliktpotenzial.

Ein kleineres Exekutivkomitee (Exko), statt eines größeren, wie es Blatter noch am Wochenende wollte. Eine Wahl der Exko-Mitglieder durch den Kongress, statt durch die Konföderationen. Ein ethischer Eignungstest der Kandidaten durch die FIFA statt die Kontinentalverbände. Und zu guter Letzt: Eine Amtszeitbeschränkung für Exko-Mitglieder und den Präsidenten. Nie wieder könnte ein FIFA-Präsident mit der Macht regieren können, wie es Blatter tut.