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"Ein Tag mit Happel war wie ein Tag auf der Uni"

Wo warst du, als Happel starb? Wer ihn nie kennen lernen durfte, der hat definitiv etwas verpasst!

Nicht wenige Verehrer der Fußball-Legende wissen heute noch ganz genau, wo und wie sie die Nachricht vom Ableben des 66-jährigen Ernst Franz Hermann Happel (Steckbrief) am 14. November 1992 ereilte.

Bestürzung und Fassungslosigkeit

Wir, die Fußball-Redakteure der Tageszeitung „täglich ALLES“, wollten uns nach Redaktionsschluss noch in der Stadt auf ein Bierchen treffen und die kommende Woche planen. Unterwegs auf der Ringstraße lief die Todes-Meldung in den Ö3-18-Uhr-Nachrichten.

Bestürzung und Fassungslosigkeit machte sich breit, auch wenn der Nachruf längst geschrieben und angesichts der schweren Krankheit des ÖFB-Teamchefs eigentlich täglich mit der traurigen Meldung zu rechnen war.

Spontan entschieden wir uns, zurück ins Büro zu fahren, um den Sportteil für den kommenden Tag neu zu gestalten. Unaufgefordert traf sich nahezu die gesamte Truppe, um an den Reaktionen auf Happels Tod und diversen Geschichten zur Kicker-Legende mitzuarbeiten.

Der Spätdienst hatte zu diesem Zeitpunkt bereits umgehend reagiert, Kollege Wolfgang I. schockierte uns für die Salzburg-Ausgabe mit der kurzfristigen Schlagzeile „Rien ne va plus, Ernstl!“. Boulevardesk, aber pietät- und geschmacklos!

Massenandrang bei der Beerdigung

Die Beerdigung im Schatten der Friedhofstribüne des Sportklub-Platzes in Dornbach geriet zum Massenauflauf und zum großen Medienereignis. Prominente Gäste aus Holland, Belgien und Deutschland, allen voran Franz Beckenbauer, sowie die gesamte heimische Fußball-Elite begleiteten Happel auf seinem letzten Weg. Bundeskanzler Franz Vranitzky hielt eine der Trauerreden.

Argentiniens Teamchef Carlos Bilardo wollte den Lockenkopf beim Spiel der Tiroler gegen die Vienna auf der Hohen Warte beobachten. Doch Happel setzte seinen "Zehner" für 90 Minuten auf die Bank und meinte nachher schelmisch: "Ich lass mir doch den Zauberer nicht wegnehmen. Nach der WM kommt er fix und fertig, oder er landet bei einem anderen Verein!"

Medienarbeit der anderen Art

Als "Haus- und Hofberichterstatter" bei der "Tiroler Tageszeitung" kam ich Ende der Achtziger-Jahre auch in den Genuss von Exklusiv-Geschichten.

Happel nach Niederlagen seines FC Tirol anzusprechen, war nicht jedermanns Sache. Selbst verdiente Kollegen näherten sich dem Trainer vorsichtig und behutsam wie bei der Kontaktaufnahme mit einem gefährlichen Tier.

PR-Arbeit vor Europacup-Partien

Oft antwortete er nur mit einigen unverständlichen Wortfetzen oder schickte den Medienvertretern ein "Zauberer, haut’s eich in Schnee!" hinterher.

Für die "Tiroler Tageszeitung" machte er da schon das eine oder andere Mal eine Ausnahme und so kam es vor Europacup-Partien vor, dass er mich zur Seite holte und meinte: "Wir müssen was schreiben, damit die Leute am Mittwoch auf den Tivoli kommen. Also schreib was!" Plötzlich war Happel redselig, erzählte von seinen Erfahrungen als Spieler und Trainer gegen die jeweilige Mannschaft, schwärmte von großen Europacup-Schlachten und nannte Tipps, wie der Gegner zu knacken ist.

Constantini, ein Assistent und Freund

Ex-Teamchef Didi Constantini, der Happel als ÖFB-Teamchef-Assistent im Jahr 1992 begleitete und nur vier Tage nach dessen Tod Österreich als Interimscoach beim Freundschaftsspiel gegen Deutschland in Nürnberg betreute, legte zur Erinnerung an seinen Freund Happels schwarze Kappe neben sich auf die Trainerbank.

Für Constantini war "jeder Tag mit Happel wie ein Tag auf der Universität". Jeder, der ihn näher gekannt hatte, war vom Charisma und seiner Persönlichkeit beeindruckt.

Unvergessen auch im Ausland

In Hamburg, Brügge oder in den Niederlanden wird man als Österreicher auch heute noch oft auf Ernst Happel angesprochen. Aber auch in Tirol und Wien gibt es unzählige Geschichten und Anekdoten, die an den großartigen Spieler und legendären Trainer erinnern. Happels heiteres Gemüt am Kartentisch, seine Leidenschaft für Casinos, das Leben und den Fußball runden das Bild einer großen Persönlichkeit ab.

Ein Typ, der niemanden kalt ließ, der dem Prater-Stadion seinen Namen gab und Österreichs wohl größter Fußball-Botschafter aller Zeiten war.

Peter Rietzler

Der „Wödmasta“ lebte den Fußball bis zu seinem letzten Atemzug.

Wenige Wochen vor seinem Ableben trat er als Teamchef noch beim abschließenden Trainerlehrgang in der Sportschule Lindabrunn auf und begeisterte die angehenden Fußball-Lehrer (u.a. Herbert Prohaska) mit messerscharfen Analysen und seinem unglaublichen Fachwissen.

Fußball bis in den Tod

Happel, vom Lungenkrebs schwer gezeichnet, ließ es sich nicht nehmen, seine Erfahrungen und Kenntnisse hochstpersönlich und mit einem Strahlen in Augen an seine "Erben" weiterzugeben.

Noch am Sterbebett in der Innsbrucker Klinik diktierte er seiner Lebensgefährtin Veronika ein Vermächtnis an die Fußball-Öffentlichkeit, in dem er als Teamchef vom Weg seiner Mannschaft überzeugt war und mit den Worten "wirst sehen, da wird was draus" schloss.

Harte Schale, weicher Kern

Happel verfolgte der Ruf des "Grantlers". Wer ihn näher kannte, entdeckte schnell den weichen Kern unter der rauen Schale. Happel vergötterte seine Enkelkinder und stärkte bei seinen Teams stets den jungen Spielern den Rücken.

Horn-Trainer Michael Streiter erinnert sich an seine Zeiten beim FC Tirol. Robert Wazinger, über den Ernst Happel einst sagte: "Den hab ich von der Alm runtergeholt", Roland Kirchler oder Alfred Hörtnagl standen zu Beginn ihrer Karriere unter dem persönlichen Schutz von Happel.

Messerscharfe Analysen

"Mich hat er sogar zum Kapitän gemacht. Und das bei Spielern wie Pezzey, Pacult oder Hansi Müller in unseren Reihen", sagt Streiter nicht ohne Stolz.

Er hat Happel auch als genialen Analysten in Erinnerung. "Er hat uns vor jedem Spiel die Schwächen des Gegners erklärt und uns aufgetragen, über diese oder jene Seite anzugreifen. Ich kann mich nicht erinnern, dass er einmal falsch gelegen ist."

Kein leichtes Leben für die Stars

Wenn Happel mit seiner Truppe nicht zufrieden war, dann bekamen das in erster Linie die "Stars" der Mannschaft zu spüren. Der Deutsche Hansi Müller kann ein Lied davon singen und auch der geniale argentinische Spielmacher in den Reihen des FC Tirol, Pipo Gorosito, wird wohl nie vergessen, wie ihn Happel um die Chance der WM-Teilnahme 1990 in Italien brachte.