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Wie funktioniert die FIFA-Weltrangliste?

Wie funktioniert die FIFA-Weltrangliste?

Diese Lektion muss wohl jeder Fußballfan einmal in seinem Leben lernen.

Obwohl oft nur in einer kleinen Randnotiz verpackt, kann der User am Ende doch nicht widerstehen, die monatlich erscheinende FIFA-Weltrangliste anzuschauen. Um sich Sekunden später verdutzt fragen zu müssen, ob die rumänische Nationalmannschaft jetzt wirklich besser ist als die Squadra Azzurra aus Italien.

Damit in Zukunft nicht mehr so oft Stirnrunzeln hervorgerufen wird und anlässlich des mit Rang 14 Allzeithochs der ÖFB-Elf, wirft LAOLA1 einen Blick auf die Geschichte der FIFA-Weltrangliste und erklärt ihre Berechnungsmethode.

Ursprung 1992

Wer ist die beste Mannschaft der Welt? Diese Frage wird üblicherweise seit 1930 bei der Weltmeisterschaft geklärt. Der Haken: Das Turnier findet nur alle vier Jahre statt.

Anfang der 90er-Jahre kam daher beim Weltverband der Gedanke auf, eine Möglichkeit zu schaffen, die Stärke der Nationalteams in kürzeren regelmäßigen Abständen zu messen. Die Idee der FIFA-Weltrangliste war geboren.

Im Dezember 1992 veröffentlichte die FIFA schließlich das erste Ranking, das erst ab August 1993 im bewährten monatlichen Abstand publiziert werden sollte.

Platz Team Punkte
1 Argentinien 1425
2 Belgien 1244
3 Deutschland 1226
4 Kolumbien 1218
5 Brasilien 1186
6 Portugal 1177
7 Rumänien 1166
8 England 1157
9 Wales 1155
10 Chile 1124
11 Spanien 1110
12 Niederlande 1032
13 Kroatien 1023
14 Österreich 1016
14 Slowakei 1016
16 Italien 1001
17 Schweiz 997
18 Uruguay 988
19 Algerien 941
20 Tschechien 933

Wer die heutige Berechnungsmethode kompliziert findet, würde sich wohl gerne in diese „guten, alten Zeiten“ zurückversetzen. Die Premieren-Ausgabe folgte nämlich einem ganz simplen Modell, das aus dem Ligen-Alltag gut bekannt ist: Für einen Sieg bekam ein Team drei Punkte, ein Unentschieden brachte einen Punkt. Das Drei-Punkte-System, damals in Europa auf dem Vormarsch, sollte also den Vergleich der Nationalteams ermöglichen.

Kritik

Doch schon bald wurde klar, dass diese simple Methode ihre Tücken aufwies. Faktoren wie Gegner-Stärke oder Wichtigkeit des Spiels wurden überhaupt nicht berücksichtigt.

Aufgrund der überschaubaren Bewertungsgrundlagen hatten bei über 150 in der Rangliste vertretenen Nationen zudem öfters mehrere Teams dieselbe Punktzahl, was einen Vergleich nur wenig befriedigend erscheinen lässt.

Am 2. Oktober 1993 führte demnach Brasilien die Weltrangliste mit 58 Punkten an, punktegleich mit Norwegen, Italien und Weltmeister Deutschland. Genauere Differenzierungen blieben unmöglich.

Erste Überarbeitung

Trotzdem dauerte es noch bis ins Jahr 1999, bis die FIFA-Weltrangliste reformiert wurde.

Am 27. Jänner 1999 feierte das neue Format Premiere:

Platz Team Punkte
1 Deutschland 57
2 Italien 57
3 Brasilien 55
4 Schweden 55
5 England 55
6 Rep. Irland 54
7 Niederlande 53
8 Russland 52
9 Dänemark 51
10 Argentinien 51
34 Österreich 38

Die Berechnungsmethode wurde komplett überarbeitet, wobei Teile davon noch heute Anwendung finden.

Erstmals wurde die Stärke des Gegners, der Konföderationen sowie der Status des Spiels einberechnet. Dem nicht genug, wurde auch dem Ergebnis eine Relevanz zugemessen, was sich in Pluspunkte für geschossene Tore und Minuspunkte für erhaltene niederschlug. Selbst der Heimvorteil wurde beachtet: Das Auswärtsteam erhielt drei Bonuspunkte.

Die besten sieben Resultate pro Jahr mit absteigender Wertung über acht Jahre wurden berücksichtigt. Zwischen 0-30 Punkte waren pro Match erreichbar, der Ranglisten-Leader hatte stets über 800 Punkte.

Brasilien allein auf weiter Flur

Abermals machte sich aber Unmut in der Fußball-Öffentlichkeit breit. Das System sei zu kompliziert, zudem fehle erneut die Genauigkeit. Letzteres wurde durch einen Blick auf die Führendenliste befeuert.

Aufgrund der Dauer von acht Jahren an berücksichtigten Begegnungen blieb Brasilien, das den Weltfußball mit dem WM-Titel 1994, WM-Finale 1998 und WM-Titel 2002 dominierte, auf lange Sicht unantastbar. Einzig Frankreich, Weltmeister 1998 und Europameister 2000, konnte diese Phalanx der Selecao vom 16. Mai 2001 bis 3. Juli 2002 durchbrechen.

Nach der WM 2006 folgte schließlich die erneute Reform.

Heutige Berechnungsmethode

Am 12. Juli 2006 feierte die neue Berechnungsmethode, die bis heute verwendet wird, ihre Premiere.

Platz Team Punkte
1 Brasilien 829
2 Frankreich 787
3 Kroatien 745
4 Italien 745
5 Deutschland 742
6 Argentinien 733
7 Tschechien 726
8 Niederlande 720
9 Spanien 703
10 Rumänien 698
18 Österreich 633

Fifa.com gibt die Richtlinie vor: „Die Grundlogik der Berechnung ist einfach: Wer sich im Weltfußball erfolgreich in Szene setzt, gewinnt Punkte und steigt somit in der Rangliste.“

Für jedes offizielle Länderspiel einer A-Nationalmannschaft wird eine eigene Punktzahl (P) errechnet. Der gewichtete Durchschnitt dieser Punktzahlen ergibt dann die Weltranglistenpunktzahl. Der Bewertungszeitraum beträgt nunmehr vier Jahre, wobei Spielen in den letzten zwölf Monaten die höchste Relevanz zuteil wird.

Berechnung für ein einzelnes Spiel

Folgende Faktoren entscheiden über die Punktzahl eines Spiels:

„Wird das Spiel gewonnen, oder endet es mit einem Unentschieden? (M)
Wie wichtig ist das Spiel? (I)
Wie stark ist der Gegner, gemessen an seiner Ranglistenposition und der Konföderation, aus der er stammt?“ (T und C)

Die Zauberformel lautet daher:

P = M x I x T x C

M…Match result/Ergebnis

Ein Sieg in regulärer Spielzeit/Verlängerung bringt drei Punkte, ein Unentschieden einen Punkt, eine Niederlage null Punkte. Ein Sieg im Elfmeterschießen bringt zwei Punkte, eine Niederlage im Elfmeterschießen einen Punkt.
Das genaue Resultat, also die Anzahl der geschossenen und erhaltenen Tore, bleibt irrelevant.

I…Importance of the game/Status des Spiels

Je wichtiger das Spiel, desto mehr Punkte gibt es zu holen.

Freundschaftsspiel: 1,0
Qualifikation für Weltmeisterschaft oder Kontinentalqualifikation: 2,5
Kontinentale Endrunden und FIFA Confed-Cup: 3,0
Endrunde Weltmeisterschaft: 4,0

T…Stärke des Gegners

Diese ergibt sich aus der Formel: 200 minus der Ranglistenposition des Gegners. Der Weltranglisten-Leader hat stets die Stärke 200. Teams ab Position 150 erhalten einen Mindestwert von 50.

C…Confederation/Konföderationenstärke

Zusätzlich zur Stärke des Gegners wird noch der Durchschnittswert der Stärke der Konföderationen miteinberechnet. Diese ergibt sich aus den durchschnittlichen Resultaten der interkonföderationalen Begegnungen bei den letzten drei WM-Endrunden und wird demnach nach jeder WM neu festgelegt.

Nach der WM 2014 wurden folgende Werte ermittelt:
Südamerika CONMEBOL: 1,00 (nach WM 2010: 1,00)
Europa UEFA: 0,99 (1,00)
Nord- und Mittelamerika sowie Karibik CONCACAF: 0,85 (0,88)
Afrika CAF: 0,85 (0,86)
Asien AFC: 0,85 (0,86)
Ozeanien OFC: 0,85 (0,85)

12-Monats-Zeiträume

Die FIFA denkt nun in 12-Monats-Zeiträumen. In dieser Spanne wird der Durchschnitt der in Spielen erreichten Punktzahlen errechnet. Mindestens fünf Spiele müssen absolviert worden sein. Bei weniger, werden die fehlenden Spiele mit 0 bewertet.

Damit die Weltrangliste die aktuelle Spielstärke besser berücksichtigt, werden die jüngeren Ergebnisse stärker gewichtet.

Sobald ein Ergebnis älter als 12 Monate ist, wird es beim nächsten Erscheinen der Weltrangliste abgewertet. Das wiederholt sich bis zum 4. Jahrestag, an dem das Spiel ganz aus der nächsten Wertung fällt.

Die Faktoren lauten:

Ergebnisse der letzten 12 Monate: 1,0
12-24 Monate: 0,5
24-36 Monate: 0,3
36-48 Monate: 0,2
Älter als 48 Monate: Fallen aus Wertung

Beispiele:

Das waren jetzt jede Menge Zahlen und Formeln. Um diese besser zu veranschaulichen, hier ein paar Beispiele (Juli-Rangliste wird herangezogen):

Am 14.06.2015 feierte die österreichische Nationalmannschaft in der EM-Qualifikation einen wichtigen 1:0-Sieg in Russland. Wieviele Punkte gab es für dieses Spiel?

M x I x T x C=P

M…Ein Sieg bringt drei Punkte.
I…Ein EM-Quali-Spiel bringt den Faktor 2,5.
T…In der Weltrangliste am 4. Juni 2015 belegt Gegner Russland den 26. Platz. Ergo: 200-26 = 174.
C…Sowohl Russland als auch Österreich gehören der UEFA an. Ergo: (0,99+0,99)/2 = 0,99

Die Formel lautet daher:

3 x 2,5 x 174 x 0,99 = 1.291,95 Punkte

Szenario: Das Spiel wäre das WM-Finale gewesen.

3 x 4 x 174 x 0,99 = 2067,12 Punkte

Szenario: Ein simples Freundschaftsspiel.

3 x 1 x 174 x 0,99 = 516,78 Punkte

Szenario: Freundschaftsspiel gegen den Letzten der Weltrangliste

Die Karibikinsel Anguilla liegt auf Rang 209 der FIFA-Weltrangliste und ist damit Schlusslicht.

3 x 1 x 50 x 0,92* = 138 Punkte
*0,99(UEFA) +0,85 (CONCACAF) durch 2 = 0,92

Szenario: Freundschaftsspiel gegen die Nummer eins der Weltrangliste, Argentinien

3 x 1 x 200 x 0,995 = 597 Punkte

Die Bedeutung von Freundschaftsspielen hält sich also in Grenzen, sogar im Gegenteil: Die selbst bei Siegen niedrige Punktzahl kann den Jahresschnitt verringern. Bekanntes Beispiel: Hätte Österreich im März 2015 nicht gegen Bosnien gespielt, wäre der ÖFB bei der WM-Quali-Auslosung im Topf 1 gesetzt gewesen.

Szenario: Die höchste erreichbare Punktzahl für ein einzelnes Spiel?

Ein Sieg in regulärer Spielzeit oder Verlängerung gegen den amtierenden Weltranglistenersten bei einer WM-Endrunde, wobei beide Teams aus einer Konföderation mit Stärke 1,0 kommen müssen.

3×4×200×1 = 2400 Punkte.

Gelungen ist dies bereits den Niederlanden und Chile mit Gruppensiegen gegen Spanien bei der WM 2014.

ÖFB-Rekord

Das waren Beispiele für die Errechnung der Punktzahlen für einzelne Spiele. Diese Zahlen sind aber noch wenig aussagekräftig, weil sie letztlich nur im Jahresdurchschnitt inklusive Abwertung älterer Ergebnisse in der Weltrangliste abgebildet werden.

Daher zum Abschluss noch ein (erfreuliches) Beispiel, wie schlussendlich die wirkliche Weltranglistenpunktzahl errechnet wird.

Die österreichische Nationalmannschaft hat mit Position 14 die beste Platzierung in der Verbandsgeschichte inne. 1016 Punkte lautet die magische Zahl, die man unter der Anleitung von Teamchef Marcel Koller inzwischen erreicht hat.

Wie kommt man nun auf diese Zahl?

Platz Team Punkte
1 Brasilien 1630
2 Italien 1550
3 Argentinien 1472
4 Frankreich 1462
5 England 1434
6 Niederlande 1322
7 Spanien 1309
8 Portugal 1301
9 Deutschland 1229
10 Tschechien 1223
60 Österreich 506

Legende: WLR G: Weltranglistenplatz des Gegners; Ko Ö/G: Der Faktor der Konföderation Österreichs (UEFA) bzw. des Gegners; Nicht vergessen: M x I x T x C = Pkt

Den Ergebnissen der letzten 12 Monate kommt der höchste Stellenwert zu. Deshalb werden sie mit Faktor 1,0 voll berücksichtigt.

5588,55 / 8* x 1,0 = 698,56875

*Anzahl der Spiele in diesem Zeitraum

Beachte: Hier galt noch der Konföderationen-Faktor 1,0 für die UEFA, der nach der WM 2010 festgelegt wurde.

2899,34 / 9 x 0,5 = 161,074444

3112,5 / 9 x 0,3 = 103,75

2350,5 / 9 x 0,2 = 52,2333333


Fraglicher Stellenwert

Welche Bedeutung der FIFA-Weltrangliste zukommt, bleibt indes umstritten.

Aufgrund zahlreicher Mängel (z.B.: Gastgeber von Endrunden werden aufgrund mangelnder Qualispiele automatisch nach hinten gereicht, der niedrige Wert der Freundschaftsspiele,..) wird die Rangliste mitunter kritisch bewertet.

Andererseits stieg ihre Relevanz zuletzt wieder, weil sie (im Gegensatz zu früher als einziges Kriterium) zur Topfeinteilung für diverse Qualifikations-Auslosungen herangezogen wurde.

Fest steht: Welche Nation gute Ergebnisse liefert, steigt als zumindest angenehmer Nebeneffekt in der Weltrangliste nach oben.

Bestes Beispiel ist die österreichische Nationalmannschaft.

 

Andreas Gstaltmeyr

Datum Bew. Gegner WLR G Ko Ö Ko G Erg. M I T C Pkt
10.8.11 FS Slowakei 29 1 1 1:2 0 1 171 1 0
2.9.11 EM-Q Deutschland 3 1 1 2:6 0 2,5 197 1 0
6.9.11 EM-Q Türkei 24 1 1 0:0 1 2.5 176 1 440
7.10.11 EM-Q Aserbaidschan 97 1 1 4:1 3 2,5 103 1 772,5
11.10.11 EM-Q Kasachstan 132 1 1 0:0 1 2,5 68 1 170
15.11.11 FS Ukraine 58 1 1 1:2 0 1 142 1 0
29.2.12 FS Finnland 79 1 1 3:1 3 1 121 1 363
1.6.12 FS Ukraine 50 1 1 3:2 3 1 150 1 450
5.6.12 FS Rumänien 45 1 1 0:0 1 1 155 1 155
2350,5
Zeitraum Punkte
Letzte 12 Monate 698,56875
12-24 Monate +161,074444
24-36 Monate +103,75
36-48 Monate +52,2333333
Summe =1015,62653
Gerundet auf =1016