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"Diesen Auswärtsfluch haben wir definitiv beerdigt"

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Wenn der ÖFB eine Reise tut, geht es selten gut.

Das war einmal.

Das Thema der chronischen Auswärtsschwäche hat das Nationalteam ohnehin lange genug begleitet.

Man kann dies durchaus auch persönlich aus Reporter-Sicht verdeutlichen: Wer das ÖFB-Team jahrelang quer durch Europa zu jedem Gastspiel in der Fremde begleitete, konnte die Zahl der Siege dennoch relativ gemütlich an einer Hand abzählen. Die entsprechenden Sprüche bei der Heimkehr waren dafür Alltag.

Aufschreiben konnte oder musste man diese problematische Geschichte indessen immer und immer wieder. Hier ein Beispiel aus dem Oktober 2012, ein Jahr später vor dem WM-Qualifikations-Showdown in Schweden las sich die leidige Thematik durchaus ähnlich.

Fünf Spiele, fünf Herausforderungen, allesamt bestanden

Besagtes bitteres 1:2 in Stockholm sollte der Wendepunkt sein. Es war bis dato die letzte Niederlage auf fremden Boden, ja sogar der letzte Punktverlust.

„Wir haben uns vor der EM-Qualifikation gesagt, wir wollen auswärts mehr punkten. Dass wir jetzt alle Spiele gewonnen haben, ist natürlich dementsprechend konsequent. Das ist schon eine Hausnummer“, freut sich Julian Baumgartlinger.

Fünf Spiele, fünf Siege. Moldawien, Liechtenstein, Russland, Schweden und zuletzt am Freitag Montenegro. Fünf verschiedene Herausforderungen mit jeweils unterschiedlicher Charakteristik. Allesamt bestanden. Egal ob Pflichtsieg, Reifeprüfung, Matchball oder vermeintlich bedeutungslose Zugabe.

Die ÖFB-Elf hat sich in den vergangenen Jahren auf diversen Ebenen weiterentwickelt, die neu gewonnene Auswärtsstärke gehört fraglos zu den wichtigsten Fortschritten. Vielleicht war es sogar der entscheidende.

"Es ist ja alles anders als vor einigen Jahren"

Schon in der Ausscheidung für die WM 2014, der ersten Qualifikations-Kampagne unter Teamchef Marcel Koller, gewann Österreich vier von fünf Heimspielen und musste sich im Happel-Stadion nur Deutschland geschlagen geben. Auswärts ließ man indessen wertvolle Punkte und somit auch die Chance auf den Trip nach Brasilien liegen.

Erst beim Gastspiel auf den Färöer – eine Begegnung, die nur noch Freundschaftsspiel-Charakter hatte – konnte man voll punkten. Es sollte der Beginn der immer noch andauernden Rekordserie von sieben Auswärtssiegen am Stück sein.

„Es ist wirklich schwer zu realisieren. Wenn du uns das vor ein paar Jahren gesagt hättest, hätten wir dich wahrscheinlich für verrückt erklärt. Ich bin selbst ganz baff und stolz, was wir in dieser Quali geleistet haben“, meint Marc Janko angesichts der Perfektion in den Dienstreisen auf dem Weg zur EM in Frankreich.

DatumGegnerSpielortErgebnisTypTeamchef
30. April 2003SchottlandGlasgow2:0FreundschaftKrankl
7. Juni 2003MoldawienTiraspol0:1EM-QualiKrankl
6. September 2003NiederlandeRotterdam1:3EM-QualiKrankl
31. März 2004SlowakeiBratislava1:1FreundschaftKrankl
13. Oktober 2004NordirlandBelfast3:3WM-QualiKrankl
8. Februar 2005ZypernLimassol1:1FreundschaftKrankl
9. Februar 2005LettlandLimassol1:1FreundschaftKrankl
26. März 2005WalesCardiff2:0WM-QualiKrankl
3. September 2005PolenChorzow2:3WM-QualiKrankl
7. September 2005AserbaidschanBaku0:0WM-QualiKrankl
8. Oktober 2005EnglandManchester0:1WM-QualiRuttensteiner
2. September 2006Costa RicaGenf2:2FreundschaftHickersberger
6. September 2006VenezuelaBasel0:1FreundschaftHickersberger
6. Oktober 2006LiechtensteinVaduz2:1FreundschaftHickersberger
7. Februar 2007MaltaTaQuali1:1FreundschaftHickersberger
28. März 2007FrankreichParis0:1FreundschaftHickersberger
13. Oktober 2007SchweizZürich1:3FreundschaftHickersberger
20. August 2008ItalienNizza2:2FreundschaftBrückner
10. September 2008LitauenMarijampole0:2WM-QualiBrückner
11. Oktober 2008FäröerTorshavn1:1WM-QualiBrückner
6. Juni 2009SerbienBelgrad0:1WM-QualiConstantini
9. September 2009RumänienBukarest1:1WM-QualiConstantini
14. Oktober 2009FrankreichParis1:3WM-QualiConstantini
12. Oktober 2010BelgienBrüssel4:4EM-QualiConstantini
9. Februar 2011NiederlandeEindhoven1:3FreundschaftConstantini
29. März 2011TürkeiIstanbul0:2EM-QualiConstantini
2. September 2011DeutschlandGelsenkirchen2:6EM-QualiConstantini
7. Oktober 2011AserbaidschanBaku4:1EM-QualiRuttensteiner
11. Oktober 2011KasachstanAstana0:0EM-QualiRuttensteiner
15. November 2011UkraineLviv1:2FreundschaftKoller
12. Oktober 2012KasachstanAstana0:0WM-QualiKoller
6. Februar 2013WalesSwansea1:2FreundschaftKoller
26. März 2013IrlandDublin2:2WM-QualiKoller
6. September 2013DeutschlandMünchen0:3WM-QualiKoller
11. Oktober 2013SchwedenStockholm1:2WM-QualiKoller
15. Oktober 2013FäröerTorshavn3:0WM-QualiKoller
3. Juni 2014TschechienOlmütz2:1FreundschaftKoller
9. Oktober 2014MoldawienChisinau2:1EM-QualiKoller
27. März 2015LiechtensteinVaduz5:0EM-QualiKoller
14. Juni 2015RusslandMoskau1:0EM-QualiKoller
8. September 2015SchwedenStockholm4:1EM-QualiKoller
9. Oktober 2015MontenegroPodgorica3:2EM-QualiKoller

Laut Martin Harnik muss man schon rein rechnerisch auswärts etwas mitnehmen, wenn man zu einem Turnier fahren will. Auch der Stuttgart-Legionär zählt zu jenen langjährigen Teamspielern, welche die Entwicklung auf diesem Gebiet bestens abschätzen können:

„Diesen Auswärtsfluch, den ich auch miterlebt habe, haben wir definitiv beerdigt. Aber es betrifft ja nicht nur Auswärtsspiele, sondern auch Heimspiele – die ganze Art und Weise, wie wir Fußball spielen und Erfolg haben, es ist ja alles anders als vor einigen Jahren. Es wäre ja ein Wahnsinn, wenn wir so spielen, wie wir spielen, und auswärts trotzdem verlieren würden. Das würde nicht zusammenpassen.“

"Auswärtsspiele fühlen sich gar nicht wie Auswärtsspiele an"

So gesehen sind die deutlich verbesserten Ergebnisse in der Fremde die logische Konsequenz aus der Qualitäts-Steigerung des ÖFB-Teams. Und diese brachte ein ungleich höheres Selbstbewusstsein mit sich. Ließ man sich früher in ungewohntem Ambiente oftmals den Schneid abkaufen, tritt man mittlerweile mit breiter Brust auf und zieht sein Ding durch.

„Ehrlich gesagt fühlen sich Auswärtsspiele gar nicht an wie Auswärtsspiele. Wir wollen – Achtung Floskel – in jedem Spiel unser Spiel spielen“, erklärt Christian Fuchs und schildert den vonstattengegangenen Prozess aus seiner Sicht:

„Jahrelang war es so: Auswärts gewinnen wir sowieso nie was und daheim werden wir schon hin und wieder gewinnen. Das war ganz einfach so. Jetzt fährst du zum Beispiel nach Montenegro und bist von dir selbst so überzeugt, dass du das Spiel gewinnen wirst. Auch nach dem 1:2 hat es sich am Platz so angefühlt: 'Wir werden das Spiel gewinnen, da kann kommen, was will!' Wir waren ganz einfach die bessere Mannschaft, das lässt sich nicht wegdiskutieren. Wir haben weiter unser Spiel gemacht, haben die Chancen gekriegt, viele davon auch liegengelassen, sind jedoch auch dann nicht verzweifelt und haben noch verdient gewonnen.“

Das beste Teambuilding

Grundvoraussetzung dafür ist laut Kapitän die viel zitierte Einheit, die dieser Kader und sein Betreuerstab darstellen. Dies sei ein Zusammengehörigkeitsgefühl, das auch während der oft monatelangen Pausen zwischen zwei Lehrgängen nicht verloren gehen könne – schon gar nicht, wenn Leistungen und Resultate passen:

„Du kommst hierher und es ist ein spezielles Gefühl. Die Mannschaft ist komplett eingeschworen, funktioniert am Platz, jeder weiß, was er zu tun hat und die Erfolge schweißen einen richtig zusammen. Das ist das beste Teambuilding.“

„Diese Siegermentalität hat dem österreichischen Fußball lange gefehlt“, betont Harnik.

Dazu gehört auch, dass man sich bei aller Freude über einen Last-Minute-Sieg richtig einschätzen kann. Die Selbstkritik nach dem 3:2 in Montenegro, als die Spieler vor allem mit ihrer Leistung vor der Pause hart ins Gericht gingen, zeugt von nicht verloren gegangenem Realismus.

"Ärger" über Remis gegen Schweden

Dennoch befindet sich das Nationalteam natürlich berechtigt auf einer Welle der Euphorie. Makel muss man bisweilen schon mit einem Augenzwinkern suchen.

„Ich muss ehrlich sagen: Im Nachhinein ärgere ich mich ein bisschen über das Heimspiel gegen Schweden“, lacht Fuchs, „jetzt haben wir acht Siege und dieses eine Unentschieden. Wenn wir alles gewonnen hätten, wäre es noch einmal ein Extra gewesen.“

Der Leicester-Legionär vergaß nicht zu erwähnen, dass nach diesem 1:1 gegen die Skandinavier beim Quali-Auftakt im September 2014 schon erste Unkenrufe vom Platzen des EM-Traums laut wurden.

Egal, gerichtet hat man es nicht nur, aber auch auswärts.

Denn: Wenn der ÖFB eine Reise tut, geht es inzwischen meistens gut.


Peter Altmann

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