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"Soll man den Arnautovic mögen oder hassen?"

Knapp sieben Jahre sind inzwischen vergangenen, seit Marko Arnautovic am 11. Oktober 2008 beim 1:1 auf den Färöer sein Debüt für das Nationalteam gefeiert hat.

„Dass wir auf Rang 11 in der Weltrangliste liegen würden, hätte ich mir 2008 nicht gedacht, wobei wir auch 2008 keine schlechte Mannschaft hatten“, meint der 26-Jährige, „es hat sich einiges geändert. Inzwischen kriegen wir auch den Respekt von den gegnerischen Mannschaften.“

Geändert hat sich über die Jahre auch die Wahrnehmung von Arnautovic selbst.

Vom gefeierten Jungstar, in den möglicherweise kaum erfüllbare Hoffnungen gesetzt wurden, bis hin zum gefallenen Engel, der bei Auswechslungen ausgepfiffen wurde. Ob Skandal-Storys über den „Bad Boy“ bis hin zu einem der gefeierten Helden dieser EM-Qualifikation. Von einer in Frage gestellten launischen Diva bis hin zur unumstrittenen Stammkraft, die in der Teamchef-Ära von Marcel Koller die meisten Einsatzminuten gesammelt hat.

Das uninteressante Selfie-Ranking

„Früher hat es immer die Zweifel gegeben: Soll man den Arnautovic mögen oder hassen?“, erinnert sich der Wiener an seine Anfangsjahre im Kreis der ÖFB-Elf zurück.

Diese Frage wird im Zuge der aktuellen „Europhorie“ eindeutig beantwortet. Arnautovic steht am Rande der Trainingseinheiten in der Gunst der Autogramm- und Selfie-Jäger ganz weit oben, wird vermutlich nur von David Alaba geschlagen.

Wobei ihn Rankings wie dieses kalt lassen: „Wer aus der Mannschaft beliebter ist, tut nichts zur Sache. Natürlich ist David die Nummer eins, denn was er erreicht hat, ist fantastisch. Ob danach ich komme oder Marc Janko, Aleksandar Dragovic, Martin Harnik oder egal wer, ist uninteressant. Wir sind eine Mannschaft, egal wer am meisten Selfies hat.“

Viel interessanter sei: „2008 waren keine Zuschauer beim Training, jetzt sind es auf einmal keine Ahnung wie viele. Das hat sich entwickelt.“

„Ich habe immer einen kleinen Druck“

Entwickelt hat sich jedoch fraglos auch Arnautovic selbst. Spricht er darüber, weshalb er seiner Meinung nach für Koller so unverzichtbar sei, kommt zuerst der Hinweis auf seine Hilfe für die Mannschaft in Bezug auf die Defensivarbeit. Erst dann kommen seine Offensivaufgaben.

Worte, denen er inzwischen auch Taten folgen lässt, nachdem er in jüngeren Jahren harte Kritik für mangelnde Laufbereitschaft einstecken musste. Gleichzeitig soll er trotzdem für die besonderen Momente sorgen:

„Es ist nicht immer leicht, denn von mir wird erwartet, dass ich ein Assist gebe oder ein Tor mache. Da habe ich natürlich immer einen kleinen Druck.“

Wobei der selbst auferlegte Druck bisweilen höher zu sein scheint als jener von außen. Unlängst meinte mit Mark Hughes sein Trainer bei Stoke: „Ich denke, dass seine Körpersprache und sein Verhalten auf dem Platz manchmal missinterpretiert werden, weil das einzig und allein dadurch entsteht, dass er von sich selbst frustriert ist. Aber das sieht man immer seltener, weil er seine Sache sehr gut macht.“

Zwei wichtige Trainer

Die Erwartungshaltung an die eigene Person ist fraglos keine geringe. „Ich gebe mir immer selber diesen Druck. Ich pushe mich bis zum Limit, damit ich performen kann, Assists und Tore mache, oder wenn mir das nicht gelingt, extrem hart arbeite, Bälle abfange und Akzente nach vorne setzen kann“, betont Arnautovic.

Inzwischen gelingt es ihm, dies auch konstanter umzusetzen. Der „junge Arnautovic“ ließ diesen Fokus noch des Öfteren vermissen und wusste mit seiner Herangehensweise zu polarisieren.

Mit Koller und Hughes ist der Edeltechniker offenbar an Trainer geraten, die ihn mit viel Geduld in die richtige Bahn gelenkt haben.

„Es hilft uns und dem ganzen Land nicht weiter, wenn wir diese Spiele auf die leichte Schulter nehmen und uns denken: ‚Montenegro auswärts packen wir einfach und Liechtenstein ist sowieso ein Kinderspiel, da spielen wir gleich mit der dritten Mannschaft.‘ Das spielt sich nicht. Wir sind in dieser Sache voll konzentriert“, verspricht der Flügelspieler.

Beinahe Hand in Hand mit Savicevic

In Podgorica könnte es für Arnautovic zu einem Wiedersehen mit dem früheren Rapidler Dejan Savicevic, der inzwischen als Montenegros Verbandspräsident fungiert, kommen.

Der frühere Weltklasse-Kicker hatte den Premier-League-Legionär als einen der drei besten Fußballer Österreichs eingestuft.

„Savicevic war eines meiner Idole. Wenn er das sagt, ist es schön zu hören. Aber mittlerweile habe ich bemerkt, dass man es schlussendlich auf dem Platz zeigen muss. Es freut mich, dass er das sagt, aber wenn ich meine Leistung nicht bringe, sagt er: ‚Ich nehme doch einen anderen.‘“

Bei einem Wiener Derby zählte Arnautovic als Kind zu jenen Burschen, die mit den Spielern aufs Feld liefen: „Ich kann mich noch gut erinnern. Savicevic ging als Letzter, und ich war beim vorletzten Spieler. Ich habe zurückgeschaut und gewartet, bis er kommt, und meine Hand nach hinten gestreckt. Ich habe alles getan, um mit ihm einzulaufen, weil er für mich ein großer Fußballer war.“

Am Freitag will er dennoch mithelfen, den EURO-Traum seines einstigen Idols platzen zu lassen.


Peter Altmann

Der ÖFB-Teamchef schenkte ihm auch dann das Vertrauen, als kritische Fragen zum damaligen Bremen-Legionär noch bei so gut wie jedem Medientermin an der Tagesordnung standen. Auch vom Publikum wurde er nicht immer begeistert gefeiert, im Gegenteil:

„Lassen wir aber die Kirche im Dorf, ausgepfiffen haben sie mich nur in Klagenfurt, und das zwei Mal. Ich weiß auch nicht wieso, aber es war halt einmal so. Aber mein Dank gebührt natürlich dem Trainer, dass er mir er mir jedes Mal das Vertrauen gibt und ich die meisten Minuten habe.“

„Wenn ich etwas nicht gut mache, grätschen sie dazwischen“

Zurückzahlen könne er dies jedoch nur mit guten Leistungen: „Denn es nutzt nichts, wenn ich zu ihm gehe und sage: ‚Trainer, danke, es ist wunderschön, dass du mich aufgestellt hast‘, aber ich mache 27 Fehlpässe und verschulde ein Gegentor.“

Auch Hughes scheint den richtigen Umgang mit Arnautovic entwickelt zu haben. Nach sieben Einsätzen in dieser Premier-League-Saison stehen je zwei Tore und Assists zu Buche, drei dieser Scorer-Punkte gelangen in den vergangenen drei Partien.

„Die Trainer bei Stoke reden sehr viel mit mir und geben mir sehr viel Vertrauen. Aber wenn ich etwas nicht gut mache, grätschen sie dazwischen und sagen mir das auch. Das hilft mir sehr“, erklärt der 26-Jährige.

Derzeit klappt es mit dem Toreschießen besser als in der Vorsaison, als der Ball einfach nicht über die Linie wollte: „Voriges Jahr habe ich aus jeder Lage geschossen, habe von überall geflankt und es wollte einfach nicht klappen. Bis jetzt klappt es in dieser Saison ganz gut. Aber es geht noch besser. Meiner Einstellung nach kann man immer mehr machen, egal wie viele Tore man hat.“

Keine Fragen, nur Antworten

Im Frühjahr führte er noch ein Gespräch mit Hughes, in dem er seinen Coach fragte: „Trainer, bin ich oasch?“

„Derzeit gibt es keine Fragen“, schmunzelt Arnautovic, „er stellt sich die Fragen vielleicht im Kopf und ich gebe die Antworten auf dem Feld.“

Mehr Tore und Assists seien sein persönliches Ziel in dieser Saison bei Stoke, um mit Selbstvertrauen in die EURO zu gehen. „Bei uns in der Mannschaft hat jeder Spieler denselben Stellenwert. Aber es gibt natürlich Spieler, die den Unterschied ausmachen müssen. Und ich fühle mich in der Situation, dass ich den Unterschied für unsere Mannschaft ausmachen muss“, verdeutlicht der 45-fache Internationale.

Am vergangenen Wochenende gelang dies mit dem Siegtreffer gegen Aston Villa. Mit zwei Erfolgen en suite hat Stoke nach holprigem Saisonstart zuletzt wieder in die Spur gefunden.

Nicht mit der dritten Mannschaft

„Stoke hat sich in den letzten vier, fünf Jahren sehr weit entwickelt. Wenn man sieht, welche Spieler inzwischen dort herumlaufen, weiß man, dass der Verein etwas vorhat“, meint Arnautovic.

Die positive Entwicklung der vergangenen Jahre teilt sein Arbeitgeber mit dem ÖFB-Team. Diese Entwicklung soll in den beiden abschließenden Begegnungen dieser so erfolgreichen EM-Qualifikation nahtlos fortgesetzt werden.