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"Wir haben uns nicht selbst belohnt"

„Wir hatten uns extrem viel vorgenommen. Wir wussten, es liegt etwas in der Luft, wir wussten nur nicht was.“

Nicht nur Andreas Ivanschitz hatte mit einer Sensation gegen Deutschland spekuliert, mit ihm ganz Fußball-Österreich. Am Ende bestätigte sich jedoch der alte Spruch Gary Linekers vom Fußball-Spiel, bei dem am Ende immer die Deutschen gewinnen. Diesmal mit 2:1.

In der Luft lag dennoch eine starke Leistung des Nationalteams, trotz bitterer Niederlage möglicherweise die beste der jüngeren Vergangenheit. Immerhin ließ die ÖFB-Elf den Weltranglisten-Zweiten über weite Strecken nicht sattelfest aussehen, gereicht hat es dennoch nicht.

(Pressekonferenz mit Marcel Koller, heute ab 11:30 Uhr im LIVE-STREAM)

„Das ist Ernüchterung pur! Jeder in der Kabine ist niedergeschlagen. Wir haben uns vor dem Spiel sehr viel erträumt“, meinte Sebastian Prödl geknickt, „mit unserer Leistung haben wir aber die Berechtigung dieser Träume bestätigt.“

Lahm: „Keine Lösung gegen dieses Pressing gefunden“

Das lässt sich so unterschreiben. Österreich, erstmals in der Länderspiel-Geschichte mit elf Legionären in der Startelf angetreten, setzte von Beginn an auf das von Teamchef Marcel Koller einstudierte intensive Pressing und stellte die DFB-Elf damit merklich vor Probleme.

Beispielhaft dafür die vierte Spielminute, als Martin Harnik nach einem Ballgewinn von Julian Baumgartlinger perfekt in Szene gesetzt wurde, allein auf Goalie Manuel Neuer zulief, aber in letzter Sekunde von Holger Badstuber entscheidend gestört werden konnte.

„In den ersten 20, 25 Minuten haben wir keine Lösung für dieses Pressing gefunden. Normalerweise ist es eine Stärke von uns, gut hinten herauszuspielen, aber das haben wir diesmal nicht geschafft“, konnte der deutsche Kapitän Philipp Lahn nur gratulieren.

War dieses Prestige-Duell der erste Härtetest für das „System Koller“, hat es dieses mit Bravour bestanden. Sprach sein deutsches Pendant Joachim Löw im Vorfeld der Partie noch davon, dass Österreich in den Duellen der Vorjahre im Spiel nach vorne eher von „Zufallsaktionen“ gelebt hat, ließ sich dieses entlarvende Urteil diesmal nicht fällen. Der Plan des Schweizers hatte vielmehr Hand und Fuß.

„Noch nie so viel gelaufen“

„Das hat uns nicht überrascht. Wir wussten, dass Österreich von einem Trainer trainiert wird, der sich modernen Fußball anschaut und auch spielen lässt“, attestierte Thomas Müller folgerichtig.

Die Details zu Kollers „Gameplan“ gibt es wie gewohnt zu Mittag in der LAOLA1-Taktik-Analyse. Eine Strategie ist jedenfalls immer nur so gut, wie sie von den Spielern exekutiert wird. Diesbezüglich zeigte sich Zlatko Junuzovic zufrieden:

Respekt, der sicher auch in Deutschland nach dieser Performance gestiegen ist. Wie die meisten seiner Mitspieler konnte der Mainz-Legionär mit dem Lob der deutschen Kicker jedoch wenig anfangen:

„Das bringt uns im Endeffekt gar nichts. Wenn man ein Spiel verliert, kann man bis in den Himmel gelobt werden, davon können wir uns nichts kaufen.“

„Die Atmosphäre war selten so gut“

Nicht bereuen musste das Publikum im ausverkauften Happel-Stadion, dass es ein Ticket gekauft hatte. Die Stimmung im Oval war fabelhaft, die ÖFB-Kicker fühlten sich von den Rängen entsprechend gepusht:

„Der Funke auf die Fans ist sofort übergesprungen. Man kann sich nur bedanken, die Atmosphäre war selten so gut. Das ganze Stadion ist gesprungen, das war 90 Minuten lang Gänsehaut. Schade, dass wir dem Publikum nichts Zählbares zurückgeben konnten“, meinte Ivanschitz stellvertretend.

Die nächste Chance für ein „Dankeschön“ an die Fans gibt es gegen Kasachstan. Ein Match, in dem drei Zähler Pflicht sind.

Anders als gegen Deutschland. Denn wie sagte Koller? „Gegen Deutschland wären es Bonuspunkte gewesen.“

Peter Altmann/Bernhard Kastler/Alexander Karper/Martin Wechtl

„Wir haben eigentlich genau das umgesetzt, was wir die ganze Woche trainiert haben: Wir haben Druck aufgebaut, ihnen wenig Luft gelassen, haben nach vorne attackiert, über die Seiten und in die Tiefe gespielt.“

Prödl: „Wir haben sehr intensives Pressing gespielt. Ich glaube, so viel wie heute sind wir noch nie gelaufen. Ich denke, dass die Deutschen nicht felsenfest waren in ihrer Spielweise. Sie konnten nicht das umsetzen, was sie wollten, weil wir einfach präsent und aktiv waren, sehr hoch gestanden sind. Wir haben sie vor einige Probleme gestellt. Was gefehlt hat, war, dass wir uns selbst belohnt haben.“

Arnautovic entschuldigt sich beim ganzen Land

Einziger und freilich größter Kritikpunkt: die Effizienz. „Wir müssen vor dem Tor geiler werden“, forderte Prödl. „Wir haben unsere Chancen nicht genutzt, deswegen stehen wir mit leeren Händen da“, ärgerte sich Junuzovic, der in Minute 57 nach toller Vorarbeit von Marko Arnautovic das einzige österreichische Tor des Abends erzielte.

In der 87. Minute hätte Zweiterer für ein rot-weiß-rotes Jubelmeer im Happel-Stadion sorgen können, verstolperte jedoch eine Hereingabe von Jakob Jantscher – eine hundertprozentige Chance, wie sie im Buche steht.

Der Schweizer betonte, dass es ihm wieder neue Erkenntnisse gebracht habe, seine Truppe erstmals in einem „Ernstkampf“ zu sehen: „Die wollen wir entsprechend einfließen lassen und gestärkt aus der Niederlage hervorgehen.“

„Das Lob bringt uns gar nichts“

Koller wird in den kommenden Wochen im Hinblick auf den Doppel-Termin gegen Kasachstan seinen geradlinigen Weg weiterführen und an seiner Handschrift arbeiten. Weitere Fortschritte sind sehr wahrscheinlich.

„Der Trainer hat eine Linie reingebracht. Das soll nicht heißen, dass wir vorher keine hatten, aber jetzt haben wir eine definierte. Jeder weiß, was nach dem Ballgewinn passiert, deswegen kommen wir auch immer wieder so früh im Spiel zu guten Chancen, das kommt nicht von ungefähr“, zollte Julian Baumgartlinger der bisherigen Arbeit des Teamchefs Respekt.

„Entschuldigung an das ganze Land. Das war mein Fehler. Ich habe den Ball von Jakob super bekommen, den muss ich machen“, war Arnautovic untröstlich.

Kaltschnäuziger die Deutschen, die kurz vor der Pause durch Marco Reus in Führung gingen und in Minute 52 durch einen Elfmeter von Mesut Özil nachlegten. Dem vorangegangen war eine ungeschickte Attacke von Veli Kavlak an Müller in einer Aktion der Deutschen, die nach klarer Abseitsstellung längst hätte abgepfiffen sein müssen.

Der kleine, aber entscheidende Unterschied

„Für mich ist das Weltklasse, dass sie es ausnützen, wenn der Gegner im entscheidenden Moment Fehler macht oder kurz nicht die notwendige Spannung hat. Das ist dann ein kleiner, aber ein entscheidender Unterschied“, konnte Koller nur gratulieren.

Wenn auch natürlich nicht mit dem Ergebnis, zeigte sich der 51-Jährige mit der Leistung seiner Schützlinge zufrieden, schließlich hätten sie seine Vorgaben gut erfüllt:

„Was wir unter der Woche versucht haben, zu vermitteln, ist gut umgesetzt worden. Das Einzige, was gefehlt hat, waren die Tore. Vielleicht hätte es mehr Ruhe und Gelassenheit gebraucht, um den Ball auch einmal ins Tor zu bringen. Aber sonst, von der Organisation, der Laufbereitschaft und der Disziplin hat alles gepasst.“