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Plötzlich königlich

Plötzlich königlich

„Ich habe ihnen gesagt, dass ich weg muss“, grinst Philipp Lienhart.

Was der 18-Jährige in einer Art und Weise, die ebenso schnörkellos und staubtrocken wie seine Interpretation der Innenverteidiger-Position ist, schildert, war ein Kündigungsgespräch, das es in Österreich so noch nie gegeben hat.

Bis vergangenen August war er ein Spieler der Rapid-Amateure, der zudem eine Lehre als Bürokaufmann absolviert hat. Doch seit dem Spätsommer hat sich sein Leben schlagartig geändert.

"Ich war geschockt"

„Ich war daheim, als mich mein Berater darüber informiert hat, dass es Interesse von Real Madrid gibt. Ich war geschockt. Ich konnte es nicht glauben. Es war eine Riesenüberraschung“, erzählt der Blondschopf.

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Wenig später war die Sache fixiert, der Abwehrspieler wechselte leihweise für ein Jahr zu den „Königlichen“, die zudem eine Kaufoption besitzen. Die Lehre wurde unterbrochen, die Sachen gepackt, die frohe Kunde verbreitet.

„Dabei hat mir das am Anfang kaum jemand geglaubt. Aber meine Eltern haben cool reagiert und mir die Entscheidung, ob ich nach Madrid gehen will, überlassen“, berichtet Lienhart.

Die U19-EM als Sprungbrett

Doch wie schafft man es aus der Regionalliga Ost – bei den SCR-Profis hat Lienhart nie mittrainiert – in den Nachwuchs eines der allergrößten Vereine der Welt? Es war die U19-Europameisterschaft in Ungarn, die dem Teenager zu diesem Schritt verholfen hat.

Obwohl der Neo-Legionär Glück hatte, überhaupt in den Kader zu rutschen, ist er doch eigentlich ein anderer Jahrgang als seine Kollegen, mit denen er Anfang des Sommers für Aufsehen gesorgt hatte.

Nachwuchs-Teamchef Andreas Heraf klärt auf: „Ich hatte Probleme in der Innenverteidigung und ihn deshalb für die Europameisterschaft dazu geholt. Ich war vom ersten Training an schwer begeistert von ihm. Ich hatte überhaupt keine Bedenken, ihn spielen zu lassen.“

Lienhart hat das Vertrauen bestätigt. „Für mich war er aus österreichischer Sicht die Entdeckung des Turniers. Es hat jede Sekunde, die er am Platz gestanden ist, gepasst“, sagt Heraf.

"Auf dem Rasen ist der Druck groß"

Der Österreicher lebt – so wie alle Nachwuchskicker und Basketballer, die nicht aus der unmittelbaren Umgebung kommen – direkt am Trainingsgelände, wo er sich ein Zimmer mit dem Chilenen Benjamin Kuscevic teilt.

„Wir verstehen uns gut. Das ist von Vorteil, weil wir gemeinsam in der Innenverteidigung spielen. Und wenn wir auf der PlayStation gegeneinander FIFA spielen, läuft es dann meistens auf ein Ländermatch Chile gegen Österreich hinaus“, lacht er.

Stammplatz erobert

Wenn Lienhart über die Mannschaft spricht, vergleicht er sie mit „einer kleinen Familie“: „Außerhalb des Platzes gibt es kein Konkurrenzdenken. Aber auf dem Rasen ist der Druck groß. Als Real Madrid will man immer gewinnen. Das ist schon zu spüren.“

Der Innenverteidiger, der Sergio Ramos als sein Vorbild bezeichnet, hat sich fußballerisch jedenfalls gut eingelebt. Sowohl in der Meisterschaft, als auch in der UEFA Youth League genießt er das Vertrauen von Trainer Luis Miguel Ramis, ist gesetzt. „Ein sehr netter, guter Trainer. Der hat richtig Ahnung vom Fußball“, sagt der Youngster über den Ex-Kicker, der selbst als Profi bei Real gespielt hat.

Die fußballerische Umstellung habe er gut hingekriegt: „Der Fußball ist technischer. Der größte Unterschied ist aber die Spielgeschwindigkeit. Doch es läuft gut.“

Aussicht auf Zidane

Das Ziel ist natürlich, über den Sommer hinaus in Spaniens Hauptstadt zu bleiben und den Sprung in die B-Mannschaft zu schaffen. Dann wäre niemand Geringerer als Zinedine Zidane sein Trainer. „Das wäre eine unglaubliche Ehre“, fangen Lienharts Augen zu leuchten an.

"Ein kompletter Spieler"

Der 47-Jährige stellt seinem Schützling, der aktuell mit der U19 in der EM-Qualifikation im Einsatz ist, ein fußballerisches Zeugnis, das sich sehen lassen kann, aus: „Er hat eine sehr gute Ballannahme, ist ruhig am Ball, spielt starke Diagonalpässe. Außerdem bringt er alle Attribute eines guten Innenverteidigers mit – zweikampfstark, robust, kopfballstark und taktisch clever.“

Heraf weiter: „Für mich ist er ein kompletter Spieler, der alles mitbringt. Wir haben oft Innenverteidiger, die zu langsam sind und deswegen irgendwann anstehen. Bei ihm ist das nicht der Fall.“

Als nach dem Auftakt in die U19-EM die körperliche Erschöpfung der ÖFB-Talente sportmedizinisch ermittelt wurde, trauten die Betreuer ihren Augen kaum. „Seine Werte waren überragend. Der hatte Werte, als ob er gar nicht gespielt hätte“, schüttelt Heraf heute noch den Kopf.

Ländermatch Chile-Österreich

Nicht minder erstaunt war Lienhart, als er in Madrid ankam: „Es waren richtig viele neue Eindrücke. Alles ist viel größer. Da braucht man schon ein paar Tage, um alles zu sehen und sich zurecht zu finden.“

Bodenständig, ruhig, introvertiert

Auch, wenn es um die Spiele der Real-Profis geht, wird der Verteidiger für seine Verhältnisse regelrecht enthusiastisch: „Natürlich bin ich im Stadion, wenn sie spielen! Es ist richtig leiwand, diese Stimmung zu erleben.“

Auf dem Trainingsgelände käme es dann auch schon mal vor, dem einen oder anderen Superstar über den Weg zu laufen. Bisher habe er sich aber noch nicht getraut, einen der ganz Großen anzusprechen.

"Bodenständig und introvertiert"

Das deckt sich mit dem Eindruck, den man im persönlichen Gespräch mit ihm gewinnt. Lienhart ist kein Lautsprecher.

So charakterisiert ihn auch Heraf: „Ein sehr bodenständiger, introvertierter Typ. Ein ruhiger Mensch, der nicht groß Trompeten schwingt. Er weiß schon, dass er etwas kann, aber er trägt es nicht nach außen.“

Nur manchmal lässt es sich dann eben doch nicht vermeiden. Wenn man etwa dem Arbeitgeber sagt, dass man künftig nicht mehr kommen kann, weil man weg muss. In den Nachwuchs von Real Madrid.

Harald Prantl

 

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