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Der Fluch der Fiorentina

Der Fluch der Fiorentina

Stefano Borgonovo ist tot. Er verstarb am 27. Juni 2013.

Sein Todesurteil erhielt der ehemalige Kicker bereits 2008. Damals wurde bei ihm Amyotrophe Lateralsklerose, kurz ALS, diagnostiziert. Nun, im Alter von 49 Jahren, wurde das Urteil vollstreckt.

Sein Tod ist bei weitem kein Einzelfall. Vielmehr ist Borgonovo ein weiteres Opfer. „Der Fluch der Fiorentina“ hat erneut zugeschlagen.

ALS, auch als Lou Gehring Syndrom bekannt, ist eine unheilbare Nervenkrankheit. Nach und nach führt sie zur vollständigen Lähmung der Muskulatur. Fast immer tritt der Tod durch Ersticken ein.

Unter Kickern wesentlich häufiger

Eigentlich ist ALS eine überaus seltene Krankheit. Eigentlich. Für italienische Fußballer gilt das allerdings nicht. Eine Studie unter 24.000 Fußballern, die zwischen 1960 und 1996 in den drei höchsten Spielklassen Italiens gekickt haben, hat über 50 ALS-Fälle gefunden. Normalerweise erkrankt lediglich einer von 100.000 Menschen.

Mehr als 30 Todesfälle sind in Italien bekannt. Besonders viele der ALS-Opfer haben früher in Florenz gespielt. Neben Borgonovo etwa auch Armando Segato (43-jährig verstorben), Fulvio Bernardini (79-jährig verstorben) und der noch lebende Giancarlo Galdiolo.

Seltsame Todesfälle

Darüberhinaus gibt es zahlreiche weitere „anormale“ Todesfälle ehemaliger Fiorentina-Kicker, vor allem aus den 1960er und 1970er Jahren. Bruno Beatrice starb als 39-Jähriger an Leukämie, Nello Saltutti erlag 56-jährig einem Infarkt, Ugo Ferrante starb als 59-Jähriger in Folge eines Tumors im Rachen, Mario Sforzi war erst 48 Jahre alt, als er an einer Erkrankung des Lymphatischen Systems starb, Giuseppe Longoni verlor den Kampf gegen seine Herzkrankheit als 64-Jähriger.

Weitere Männer leben noch. Zum Beispiel Giancarlo De Sisti (Gehirnabszess), Giancarlo Antognoni („anormaler“ Infarkt) und Domenico Caso (Lebertumor).

Ursache unbekannt

Warum das so ist, kann nur vermutet werden. Zumindest ist die Ursache von ALS, woran übrigens auch der berühmte Physiker Stephen Hawking leidet, trotz jahrelanger Forschung noch nicht geklärt.

Doch obwohl Theorien sich unter anderem mit den Steaks aus Florenz und Pestiziden zur Rasenbehandlung beschäftigen, ist die weit verbreitete Meinung, dass Doping die Ursache für die vielen Todesfälle unter italienischen Ex-Kickern ist.

"Schlimmer als bei der Mafia"

Laut sagen das freilich nur die wenigsten. Oder wie es Gabriella Beatrice, die Witwe eines verstorbenen Fiorentina-Profis ausdrückt: „Die Omertà, die Verschwiegenheit, das ist schlimmer als bei der Mafia.“

Stefano Borgonovo ist an ALS gestorben

Sie berichtet davon, dass ihr Mann stets mit den Taschen voller Medikamente nach Hause gekommen ist. In erster Linie handelte es sich um das Herzmedikament „Micoren“ und das Stärkungsmittel „Cortex“.

Vitamine und Kaffee

Galdiolo erzählt ebenfalls von den roten Micoren-Pillen: „Ich nahm sie vor allem im Winter unmittelbar vor den Spielen, zwei Pillen auf einmal, auf Anweisung des Masseurs. Er sagte mir, damit könne ich besser atmen und sofort ins Spiel kommen. Der Verein stellte die Medikamente bereit.“ Auch von Strahlenbehandlungen will sie wissen.

Saltutti gab kurz vor seinem Tod zu Protokoll: „Sie haben uns gesagt, das seien Vitamine. Vor jedem Match wurde Micoren in einer Zuckerschale herumgereicht. Ich habe in meiner Karriere ungefähr 500 Spiele gemacht und davor rund 300 Micoren genommen.“

„Micoren“ erhöhte die Sauerstoffkapazität des Blutes und wurde Anfang 1989 aufgrund seiner zahlreichen langfristigen Nebenwirkungen aus dem Verkehr gezogen. „Cortex“ wiederum ist ein Anabolikum, das den Muskelaufbau unterstützt.

Zudem berichten die Ex-Kicker von einem „Kaffee“, der eine besonders aufputschende Wirkung hatte. Eine Praxis, die zu dieser Zeit auch bei Inter Mailand sehr beliebt war.

Auch Ocwirk betroffen

Von 1956 bis 1961 spielte übrigens Ernst Ocwirk in Italien. Der Wiener geigte für die Sampdoria und wurde von den Tifosi ehrfürchtig „Il Dio“ („Der Gott“) gerufen.

Der ehemalige Mittelfeldspieler starb am 23. Jänner 1980. Er wurde gerade einmal 53 Jahre alt. Auch in seinem Fall war es ALS, die ihm das Leben kostete.


Harald Prantl