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Sir Alex Ferguson: Leader und Übervater

Sir Alex Ferguson: Leader und Übervater

„Es gibt Tausende bessere Trainer. Coaching ist nicht seine Stärke. Aber Management? Der Umgang mit Männern? Darin ist keiner besser.“

So beschreibt Peter Schmeichel jenen Mann, der nach rund 26 Jahren auf Manchester Uniteds Trainerbank seinen Abschied verkündet hat.

Ein Leader. Ein Alphatier. Eine Respektsperson. Immer wieder sprechen ehemalige und aktuelle Wegbegleiter diese Charaktereigenschaften des Schotten an, wenn es darum geht, seine außergewöhnliche Stellung zu beschreiben.

Seine Führungsqualitäten gepaart mit der Bereitschaft zu harter Arbeit machten den 71-Jährigen zu einem der erfolgreichsten Trainer der Fußball-Geschichte. Die Zahl seiner Titel ist Legion.

Aus armen Verhältnissen

Zunächst deutete jedoch nicht viel darauf hin, dass Alexander Chapman Ferguson ein Leben im Rampenlicht samt Ritterschlag erwarten würde. Das Glasgower Arbeiterviertel Govan, in dem Ferguson am Silvestertag 1941 zur Welt kam, war nicht gerade prädestiniert für derartige Karrieren.

Die Familiengeschichte der Fergusons war von Armut geprägt. Sie berichtet von frühen Todesfällen der Elternteile durch Tuberkulose und Typhus sowie Kindern, die schon früh für finanzielle Unterstützung der Familie sorgen mussten.

Dies geschah zumeist in einer Schiffswerft. Auch Ferguson selbst holte sich dort in jungen Jahren Schwielen an den Händen. Nebenbei kickte er und war Fan der Rangers.

Distanz zur Kirche

Doch im Gegensatz zum Großteil der Glasgower Arbeiterklasse hielten die Fergusons Distanz zur Kirche, die damals das Leben in Govan bestimmte.

„Ich bin ein Protestant, der eine Katholikin geheiratet hat. Bei meinem Vater lagen die Dinge genauso, während sein Vater ein mit einer Protestantin verheirateter Katholik war. Die Kinder dieser drei Ehen wurden protestantisch erzogen, aber mit einer natürlichen Abscheu gegenüber sektiererischer Verbitterung“, erzählte der Trainer.

Sein Vater sei ein schweigsamer Mann gewesen, der viel las und der Idee des humanitären Sozialismus etwas abgewinnen konnte. Sein hitziges Temperament hat der Schotte also nicht von ihm, es dürfte eher ein Produkt seiner Kindheit in Govan sein. „Entweder haben wir Fußball gespielt, oder wir haben uns geprügelt“, erinnert er sich.

Unbändiger Siegeswille

Dass man gelegentlich den Ellbogen ausfahren muss, um seinen Willen durchzusetzen, ist eine Erkenntnis, die der Trainer nie vergessen sollte. Hinzu kommt der Drang, immer gewinnen zu müssen.

„Er hat im Training immer mitgespielt und das Fünf-Gegen-Fünf ist gelaufen, bis seine Mannschaft gewonnen hatte. Er war wild entschlossen, hat mit den Ellbogen gearbeitet und getreten“, berichtet Bobby McCulley, der bei East Stirlingshire spielte, als „Fergie“ dort seine Trainer-Karriere begann.

Von dem Stürmer stammt auch dieses Zitat: „Er hat uns Angst gemacht. Ich hatte noch nie vor jemandem Angst, aber er war ein angsteinflößender Bastard! Alles war auf seine Ziele ausgerichtet. Zeit spielte für ihn keine Rolle. Er trug nie eine Uhr. Er blieb einfach immer so lange, bis er bekam, was er wollte.“

Der Übervater

Schon bei Fergusons ersten Stationen als Coach machte sich bemerkbar, was ihn später auszeichnen sollte. Der Schotte vermochte aus Individuen ein Team zu formen, das seinem Trainer größten Respekt entgegen brachte.

Als er mit dem FC Aberdeen 1983 sensationell Real Madrid im Endspiel des Europacups der Pokalsieger bezwang, musste Alfredo di Stefan, damals Manager der „Königlichen“, feststellen: „Aberdeen hat etwas, was man mit Geld nicht kaufen kann: eine Seele und einen familiären Gemeinschaftsgeist.“

Und Ferguson war der Übervater. Der, der allen anderen sagt, wo es lang geht. Der, der genau weiß, wann welche Mittel einzusetzen sind, um seinen Willen durchzusetzen.

Zwischen Wutausbrüchen und Ausnahmen

Sein Spitzname „Hairdryer“ ist Beweis genug, dass der 71-Jährige nicht immer zimperlich mit seinen Schützlingen umgeht. „Damit kann er die Haare eines ganzen Bataillons trocknen“, berichtet Ryan Giggs von den Momenten, in denen der Manager seine Spieler aus nächster Nähe anbrüllt.

Wenn man tue, was er verlange, sei er aber ein liebenswürdiger Mensch, weiß United-Profi Patrice Evra. Zudem drückte der Disziplin-Fanatiker für so manchen seiner Lieblingsschüler auch einmal ein Auge zu. Während der Rest des Teams stets mit Anzug und Krawatte zu Spielen anreisen musste, durfte Eric Cantona Jeans tragen.

Der exzentrische Franzose ist auch ein blendendes Beispiel für die Loyalität, die der Trainer seinen Schützlingen entgegenbringt. Als der Superstar nach seinem Kung-Fu-Tritt gegen einen Fan lange Zeit gesperrt wurde, hielt Ferguson an seinem Kapitän fest: „Ich lasse meine Spieler nicht fallen.“

Sperrstunde im Pub

Sofern sie ins sein Konzept passen. Denn in der Anfangszeit in Manchester musste der Vater dreier Söhne erst einmal ausmisten. Die „Red Devils“ hatten den Ruf, das größte Pub im englischen Fußball zu sein. Populäre Akteure wie etwa die notorischen Trinker Norman Whiteside und Paul McGrath wurden zum Unmut der Fans auf die Transferliste gesetzt.

48 Stunden vor einem Spiel herrschte seit seinem Amtsantritt striktes Alkoholverbot. Darüber hinaus wurde die Jugendarbeit intensiviert und immer mehr Talente aus der Region schafften den Sprung zu den Profis.

Der 18-Stunden-Tag

Nach anfänglichen Schwierigkeiten eilt Ferguson nun schon seit vielen Jahren mit seinem Verein von Erfolg zu Erfolg. Satt wurde er aber nie. „Er ist ein geborener Gewinner, der zweite Platz ist für ihn niemals genug. Auf dem höchsten Level gibt es niemanden, der ihm das Wasser reichen kann“, meint Sir Bobby Charlton.

Fast 18 Stunden soll die Trainer-Legende auch nach 26 Jahren im Verein immer noch jeden Tag am Vereins-Gelände verbringen. „Selbst heute kennt er die Namen aller Jugendspieler“, ist sich Cantona sicher.

„Er lebt und atmet Fußball. Bei der Anzahl an Stunden, die er in seinem Büro verbringt, dreht sich sein ganzes Leben um Fußball“, sagt Bryan Robson, einst Kapitän unter „Fergie“.

"Wir werden sterben, bevor wir zurücktreten"

Respektbekundungen von allen Seiten unterstreichen die Leader-Rolle des Mannes auf der Trainerbank.

„Die Spieler müssen ihn lieben. Wenn du so viele Jahre bei einem Klub bist, und dich die Spieler nicht mögen würden, könnten sie es nicht ertragen, dich jeden Tag zu sehen“, weiß Jose Mourinho.

Trainer-Kollege Harry Redknapp ging noch vor kurzem davon aus: „Er und ich werden sterben, bevor wir zurücktreten.“

Wie der Tottenham-Coach hatte auch Ferguson in der Vergangenheit mit Herzproblemen zu kämpfen. Doch der Schotte trägt es am rechten Fleck. Und deshalb liebten ihn die United-Spieler seit 26 Jahren.

 

Harald Prantl