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"Bei Rapid hat man wenig Weiterentwicklung gemerkt"

Scheiden tut weh, besonders nach 17 Jahren. Für Stefan Kulovits brach nach dem Aus bei Herzensklub Rapid eine kleine Welt zusammen.

„Es ist mir am Anfang sehr schwer gefallen und ich habe ehrlich gesagt gewisse Probleme gehabt, damit umzugehen“, konkretisiert der 30-Jährige im Gespräch mit LAOLA1.

Mittlerweile hat der defensive Mittelfeldspieler den Schock verdaut, denn es wartet eine neue Aufgabe. Nicht in Österreich, denn dort „hat man einen gewissen Stempel drauf“, sondern beim deutschen Zweitligisten SV Sandhausen.

Den Traum vom Ausland hat sich „Kulo“ nun im fortgeschrittenen Alter erfüllt. Ein Abenteuer in Tel Aviv war ihm zu „heikel“, das Gesamtpaket sprach für Sandhausen.

Im Interview gibt Kulovits Einblick in seine neue Herausforderung beim eigentlich schon abgestiegenen Underdog und spricht sich ganz klar für Taten und Veränderung bei Rapid aus.

LAOLA1: Gratulation zu deinem Wechsel zum SV Sandhausen. Wie groß ist die Freude?

Stefan Kulovits: Ich habe eine neue Herausforderung gesucht, habe einige Optionen gehabt und mir alles vor Ort angeschaut, um ein Gefühl dafür zu bekommen. Ich wollte nichts dem Zufall überlassen. Ich habe mich hier von Anfang an eigentlich sehr wohl gefühlt. Ich denke, dass es für mich und meine Familie die beste Lösung war.

LAOLA1: Musstest du lange überlegen oder stand die Entscheidung schnell fest?

Kulovits: Ich war am Anfang schon auch etwas skeptisch, weil Sandhausen nicht so eine gute Saison gespielt hat. Ich habe dann ein Gespräch mit den Verantwortlichen des Vereins gehabt, in dem sie mir gesagt haben, dass sie vielleicht etwas naiv in die letzte Saison gegangen sind. Als Aufsteiger haben sie probiert, mit dem gleichen Kader in der zweiten Liga zu spielen. Sie haben jetzt einen neuen Trainer und wollen auf den zentralen Positionen Routine haben.

LAOLA1: Du hast das beste Gesamtpaket für deine Familie gesucht. Wird das alles erfüllt?

Kulovits: Ich hoffe es natürlich. In Deutschland muss du dir nicht viele Sorgen machen, das ist von der Lebensqualität her wie in Österreich. Heidelberg ist eine super Stadt, da braucht man sich nicht viel umzugewöhnen. Es hätte auch andere Optionen gegeben, wie zum Beispiel Tel Aviv, wo eine andere Mentalität, andere Sprache, anderes Klima und andere Kultur herrschen. Ich bin zum Entschluss gekommen, da ich die zweite deutsche Liga sehr gerne verfolgt habe und immer im Hinterkopf gehabt habe, dass es vom Stil her eine interessante Liga für mich wäre, wenn es einmal weg von Rapid geht. Ich hoffe, dass ich hierher passe.

LAOLA1: Sieht du es als Bestätigung, doch noch den Sprung ins Ausland geschafft zu haben?

Kulovits: Natürlich habe ich jetzt auch mitbekommen, dass es in dem Alter – sobald einmal der Dreier davor steht – nicht so einfach ist, wo unterzukommen. Viele Mannschaften setzen auf junge Spieler, ihre eigenen Akademien, auch aus wirtschaftlichen Gründen. Man sieht es auch bei Markus Katzer, Markus Heikkinen oder Thomas Prager, dass es nicht einfach ist. Dadurch bin ich natürlich froh, dass ich doch zahlreiche Angebote gehabt habe und das Ganze nach einem spielfreien Monat voller Ungewissheit ein Ende hat.

LAOLA1: Deutschland war ja schon zur Zeit deiner Nationalteam-Einsätze ein Thema.

Kulovits: Mein Berater Ludwig Kögl ist Spezialist im deutschsprachigen Raum, vorrangig Deutschland. Man muss die Kirche im Dorf lassen, dass es für weiter oben – auch wegen dem Alter - nicht mehr reicht. Das ist mir klar gewesen. Mir taugt die zweite deutsche Liga, es sind wirklich viele Kultklubs dabei, man spielt in ausverkauften neuen Stadien. Es gab schon damals einige Angebote, aber es hat mit Rapid einfach immer so lange gepasst. Da braucht man nicht viel dazu sagen, dass das mein Herzensklub ist. Deswegen ist meine Entscheidung auch immer für Rapid gefallen. Heuer war es umgekehrt, dass der Verein gesagt hat, dass es nicht mehr passt und er einen anderen Weg geht. Das ist okay für mich, ich akzeptiere das. Ich habe jetzt eine neue Aufgabe.

LAOLA1: Gerade seitdem war es aber sportlich ein Auf und Ab bei Rapid. Hast du der Chance zwischenzeitlich schon nachgetrauert?

Kulovits: Eigentlich nicht. Ich habe nie eine Entscheidung von mir bereut. Ich denke, dass mich die ganzen Auf und Abs geprägt haben, vor allem aus den negativen Dingen lernt man und versucht Sachen besser zu machen. Ich habe kein einziges Mal bereut, dass ich solange bei Rapid war. Ich wäre natürlich auch jetzt gerne geblieben, aber der Verein hat neue Ideen gehabt. Es ist eine neue, gute Lebenserfahrung für mich und für später sicher einmal sehr wertvoll.

LAOLA1: Mit ein bisschen Abstand - wie blickst du heute auf das Ende bei Rapid zurück?

Kulovits: Als ich die Nachricht erfahren habe, war es schon sehr schwierig für mich, den Verein – meine zweite Familie – nach 17 Jahren zu verlassen, alles Erlebte noch einmal durchzugehen und zu verarbeiten. Es ist mir am Anfang sehr schwer gefallen und ich habe ehrlich gesagt gewisse Probleme gehabt, damit umzugehen. Aber was am letzten Spieltag passiert ist, wie ich verabschiedet worden bin und als ich gesehen habe, was ich erreicht und hinterlassen habe und wie ich akzeptiert worden bin, habe ich damit sehr gut abschließen können. Mit dem letzten Match war das für mich ein würdiger Abschied. Ich bin stolz darauf, was ich für den Verein geleistet habe, wie der Verein auch zu mir gehalten hat über viele, viele Jahre. Wir haben eine sehr schöne Zeit gehabt. Natürlich verfolge ich noch über die Medien, was bei Rapid passiert. Aber es ist nicht mehr so, dass es mir schwerfällt oder dass ich mit Wehmut zurückblicke.

LAOLA1: Gab es auch interessante Angebote aus Österreich? War das überhaupt Thema?

Kulovits: Österreich war eine eigene Geschichte. Nachdem bei Rapid klar geworden ist, dass es für mich nicht mehr weitergeht, wollte ich natürlich raus aus Österreich. Es ist ja doch so, dass man in Österreich einen gewissen Stempel drauf hat. Ich wollte einfach was Neues suchen, wo man unbelastet hinkommt und neu bewertet wird. Das ist mir mit Deutschland ganz gut gelungen. Ich habe bisher einen sehr positiven Eindruck.

LAOLA1: Du hast Tel Aviv angesprochen. Was gab es aus dem Ausland für Anfragen?

Kulovits: Im Ausland war es noch ein kleinerer Verein bei Tel Aviv, Maccabi Petah Tikva. Es war auch ganz nett dort, aber etwas heikel wegen der Sicherheit – der Gazastreifen ist nur 70 Kilometer entfernt. Die Stadt ist an und für sich sehr schön, auch das Umfeld vom Verein hat gepasst, aber die Sicherheit für mich und meine Familie ist vorgegangen. Dann war noch Asteras Tripolis aus Griechenland dabei, sogar ein Euro-League-Vertreter. Aber das ist die nächste Geschichte mit der Zahlungsmoral und Euro-Krise. Man hört immer wieder von großen Problemen dort, dass die Spieler ihr Geld nicht bekommen. Ich bin jetzt 30 und brauche ein bisschen Sicherheit. Von daher ist mir die Entscheidung dann im Endeffekt nicht wirklich schwer gefallen.

LAOLA1: Hast du dir Tipps von Michael Langer, Marco Knaller oder Daniel Beichler geholt?

Kulovits: Ich war vor zwei Wochen schon in Sandhausen, habe Marco Knaller getroffen und kurz mit ihm gequatscht. Aber das war sekundär für mich, ich habe mir selber einen Eindruck davon gemacht. Ich habe auch mit allen Verantwortlichen Gespräche geführt, was sie sich vorstellen, was ich mir vorstelle. Das hat auf Anhieb gepasst und ich bin mit einem sehr positiven Gefühl weggefahren.

LAOLA1: Gab es schon Kontakt nach dem sportlichen Abstieg oder erst nach Duisburgs Lizenzentzug, der den Klassenerhalt für Sandhausen bedeutete?

Kulovits: Für mich war klar, dass ich nur hierher komme, wenn sie in der zweiten Liga spielen. Ich habe auch im Endeffekt nur einen Vertrag mit Gültigkeit für die zweite Liga unterschrieben. Ich war noch vor Duisburgs Lizenzentzug da, da war noch alles in der Schwebe. Zwei Tage später habe ich in Tel Aviv erfahren, dass Duisburg runter muss und Sandhausen in der Liga bleibt. Das war dann ein positives Zeichen für mich, dann ist alles relativ schnell gegangen.

LAOLA1: Hast du schon erfahren, wie die Zielsetzung aussieht, wie mit dir geplant wird?

Kulovits: Ich habe mit dem Trainer ein langes Gespräch gehabt, wo er mir gesagt hat, was er sich auf der Sechserposition vorstellt und wie er es gerne hätte, dass man das spielt. Ich denke, dass ich eine zentrale Rolle spielen werde, deswegen haben sie mich auch geholt. Von der Zielsetzung her steht Sandhausen nach einer schwierigen Saison nicht besonders gut da in der Öffentlichkeit. Ich denke, dass wir von der öffentlichen Meinung her als klarer Abstiegskandidat ins Rennen gehen werden. Wir können nur überraschen. Es sind auch zwei, drei ältere Spieler dazugekommen und sie suchen noch ein bis zwei Spieler. Wenn man wichtige Positionen noch gut und mit Routine besetzen kann, dann können wir die eine oder andere Überraschung schaffen. Ich bin da, damit wir die Klasse halten. Das ist mein großes Ziel.

LAOLA1: Wie ungewohnt ist es, mit 30 Jahren erstmals eine Mannschaft neu kennenlernen zu müssen?

Kulovits: Es ist absolutes Neuland für mich, in eine Mannschaft hineingekommen. Bisher war es so, dass einzelne Spieler dazugekommen sind, jetzt muss ich erst einmal 25 neue Spieler kennenlernen. Aber die Mannschaft hat mich echt gut aufgenommen, es ist eine relativ junge Truppe. Die Stimmung ist sehr positiv, trotz des letzten Jahres. Sie haben es mir leicht gemacht. Am Samstag testen wir gegen Karlsruhe, auf das wir auch in der Liga treffen. Erst dann kann ich Genaueres sagen.

LAOLA1: Du galtst als gute Seele, hast dich stets untergeordnet. Hängt dir der Ruf nach oder würdest du es genauso wieder machen?

Kulovits: Ich würde es genauso wieder machen. Ich habe sehr viele Freunde durch meine Art gefunden und es ist auch nicht so, dass es viele Spieler geschafft haben, elf Jahre bei Rapid zu bleiben. Ich glaube, dass das auch mit meiner Art zusammenhängt. Ich war nie ein unguter Bursch, habe immer Gas gegeben, egal wie es gelaufen ist. Ich würde keinen Schritt anders machen. Ich hoffe natürlich jetzt, dass die Jungen – viele Alte sind ja leider nicht mehr da - das Heft in die Hand nehmen und eine schöne Zukunft mit Rapid haben.

LAOLA1: Rapids Wohl ist dir sicher noch wichtig. Wie bewertest du die negativen Schlagzeilen bezüglich Sparkurs, Stadion, etc.?

Kulovits: Es ist ein bisschen ein schwieriges Kapitel, dass jetzt nur negativ gesprochen wird. Die Grundstimmung ist überhaupt seit dem Platzsturm 2011 relativ negativ. Da ist sehr viel zusammengekommen. Wichtig ist, dass mit Jahresende, mit dem ein neuer Präsident kommt, gewisse Dinge geschaffen werden, die schon lange ausständig sind. Der Stadionneubau sollte konkretisiert werden und nicht nur zur Beruhigung der Fans darüber gesprochen werden. Ich denke, dass es wichtig wäre, gewisse Sachen umzusetzen, dieser Umbruch hat bei Rapid stattgefunden. Wenn man das jetzt gut nach außen transportiert, haben die Fans auch gewisse Geduld. Aber es ist an der Zeit, Taten zu setzen und nicht nur vom Stadionneu- bzw. umbau zu sprechen. Ich denke, dann kommen auch genug Sponsoren und es kann eine neue Ära eingeläutet werden. Wir haben sehr gute Junge. Rapid ist eine Riesen-Marke in Österreich, aus der man noch mehr rausholen kann.

LAOLA1: Du hattest immer einen guten Draht zu den Fans. Ist die Forderung "Rapid braucht Veränderung" für dich somit nachvollziehbar?

Kulovits: In den letzten zwei, drei Jahren hat man – egal auf welchem Sektor – sehr wenig Weiterentwicklung gemerkt. Es liegt mir am Herzen, dass einfach was geändert werden muss – in welcher Form auch immer. Es muss einfach so sein, dass Rapid wieder dort hinkommt, wo Rapid hingehört. Wir haben sehr viele, gute Junge und den richtigen Trainer, der viel Geduld aufbringt und die Spieler noch von der Amateur-Zeit in- und auswendig kennt. Sie haben eine sehr positive Art. Wenn das Rundherum noch passt, so dass die Mannschaft auch in Ruhe arbeiten kann, denke ich, dass wirklich wieder etwas Positives entstehen kann.

LAOLA1: Wenn Rapid dein "Herzensklub" ist und bleibt, wird dann Sandhausen ein Abenteuer?

Kulovits: Als Abenteuer hätte ich eher Tel Aviv bezeichnet, Sandhausen sehe ich als neue Herausforderung. Rapid wird immer mein Herzensklub sein. Jetzt ist ein Neustart für mich. Mal schauen, wo die Reise weitergeht oder wie lange ich bei diesem Verein spiele. Ich hoffe, dass wir gemeinsam etwas schaffen können, da uns niemand etwas zutraut. Man hat es bei Rapid gesehen, dass wir die zwei Meistertitel zu einer Zeit geholt haben, als wir mannschaftlich sehr geschlossen – eine Familie – waren. Hier ist auch einiges möglich. Ich denke, dass es zwei sehr schöne Jahre werden.


Das Gespräch führte Alexander Karper