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Nicht nur das US-Team selbst, sondern auch der Fußball an sich hat in den vergangenen Wochen in den USA zahlreiche neue Fans gewonnen.

Die starken Leistungen der Truppe von Jürgen Klinsmann haben in den Vereinigten Staaten eine Soccer-Euphorie ausgelöst, an der kaum jemand vorbei kam.

In der Nacht von Dienstag auf Mittwoch haben all die neuen Fans von Präsident Barack Obama abwärts einige neue Lektionen gelernt: Fußball heißt auch leiden. Und man kann auch erhobenen Hauptes vom Feld gehen, wenn man verloren hat.

„Ein echter Thriller“

Oder wie es Klinsmann nach der 1:2-Niederlage in der Verlängerung gegen Belgien ausdrückte: „Ich bin stolz auf meine Spieler, nicht nur wegen ihrer Leistung am heutigen Abend, sondern während des gesamten Turniers. Sie haben das Land stolz gemacht. Der Fußball wird sich in den USA weiter enorm entwickeln. Er wird immer stärker und hat für den weiteren Weg ein sehr gutes Fundament.“

Nachsatz: „Dieses Spiel hatte von allem etwas, es war ein echter Thriller.“

Bange Minuten für Belgien

Nach einem torlosen Remis in der regulären Spielzeit, die mit Höhepunkten wahrlich nicht geizte, lagen die US-Boys in der Verlängerung durch Treffer von Kevin de Bruyne (93.) und Romelu Lukaku (105.) scheinbar aussichtslos mit 0:2 zurück.

Doch der Anschlusstreffer des eingewechselten Julian Green (107.) erweckte die USA wieder zum Leben und bescherte den Belgiern überaus bange Schlussminuten. „Es war ein sehr nervenaufreibendes Spiel“, musste Teamchef Marc Wilmots zugeben.

„Trotzdem denke ich, dass wir den Sieg verdient haben. Wir haben schönen Fußball gespielt, wir waren mit dem Herzen dabei und sind bis an unsere Grenzen gegangen“, so der Trainer der „Roten Teufel“ weiter.

Viel Lob für Tim Howard

Tatsächlich war es ein hochverdienter Sieg der Europäer, die in den 120 Minuten insgesamt 39 Torschüsse zu verzeichnen hatten. Der unfassbar parierende US-Goalie Tim Howard machte aber Chance um Chance zunichte. Mit 15 gehaltenen Bällen stellte er einen WM-Rekord seit Beginn der statistischen Aufzeichnungen (1966) auf.

„Ich muss sagen, dass Tim Howard phänomenal gespielt hat. Das war herausragend und überaus beeindruckend. Er hat uns im Spiel gehalten. Er hat ein überragendes Spiel gezeigt und sich riesigen Applaus verdient“, lobte Klinsmann seinen Keeper.

Belgien USA
Ballbesitz 45,9% 54,1%
Zweikämpfe 45,35% 54,65%
Eckbälle 19 4
Torschüsse 39 17
Torschüsse außerhalb Strafraum 14 7
Torschüsse innerhalb Strafraum 25 10
Kopfballchancen 5 2
Abseits 2 0
Fouls 27 11

Während uns nach des Spiels wurde US-Goalie Tim Howard von Fans bei "twitter" auf humoristische Art und Weise gerühmt. Das Thema: #ThingsHowardCanSave:





„Er hat ein fantastisches Spiel gezeigt“, erkannte auch Wilmots die sensationelle Leistung des 35-jährigen Torhüters an.

„Es ist herzzerreißend“

All die Rosen und auch die Auszeichnung zum Mann des Spiels waren freilich ein schwacher Trost für Howard: „Es ist herzzerreißend. Ich denke, wir haben wirklich alles gegeben und uns auf dem Spielfeld voll und ganz reingehängt. Am Ende wurden wir von einem wirklich sehr starken Team besiegt. Das schmerzt sehr. Doch man muss den Hut vor den Belgiern ziehen, sie waren fantastisch.“

Nachricht an die Kritiker

Wilmots hob vor allem die Geduld seiner Truppe hervor: „Manchmal hat man sehr viele Chancen in einem Spiel und kommt trotzdem nicht zum Erfolg. Aber wir haben nie aufgehört, an unseren Erfolg zu glauben.“ Ein wenig kritischer äußerte sich in diesem Zusammenhang Daniel van Buyten: „Wir müssen noch üben, wie man Chancen verwertet.“

Belgiens Teamchef richtete in der Stunde des Triumphs auch noch Worte an jene Kritiker, die seiner Mannschaft nach der Vorrunde Minimalismus unterstellt hatten: „Wir haben ein überaus offensives belgisches Team gesehen. Jetzt sollte es keine Sorgen der Medien darüber mehr geben, dass wir keinen Fußball spielen.“

„Sicher nicht der Favorit“

Für die Belgier steht nun das Viertelfinale gegen Argentinien auf dem Programm. Dass die kommende Aufgabe keine einfache wird, war van Buyten klar: „Das wird ein hartes Stück Arbeit. Sie haben sehr starke Spieler, aber wir hoffen auf das Halbfinale. Wir werden alles geben.“

„Wir sind sicher nicht der Favorit, doch wir wollen trotzdem gewinnen“, sagte Wilmots über die Chancen seiner Truppe.

Wie nah Sieg und Niederlage beieinander liegen, haben diese unglaublichen 120 Minuten in der Arena Fonte Nova Salvador einmal mehr gezeigt. Es war Werbung für den Fußball. Und auch für Soccer.