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Die Revolution hat längst begonnen

Die Revolution hat längst begonnen

Am Donnerstag beginnt in Klagenfurt eine neue Ära.

Borussia Dortmunds erstes Pflichtspiel unter Thomas Tuchel.

Erst seit wenigen Wochen schwingt der 41-Jährige beim BVB das Zepter. Dennoch scheint bereits der gesamte Verein vom Tuchel-Virus infiziert.

Der ehemalige Mainz-Coach beließ keinen Stein auf dem anderen. Tuchel zieht sein Ding durch. Auf alte Gewohnheiten seines Vorgängers Jürgen Klopp wird nur wenig Wert gelegt.

Tuchel ist sein eigener Lehrmeister. Die Revolution hat längst begonnen und sie findet gegen den Wolfsberger AC ihre erste echte Bewährungsprobe.

Individualisierung des Trainings

Tuchels Neuanfang zieht sich durch nahezu alle Bereiche. Es fängt beim Essen an. Mampfen nach eigenem Belieben ist nicht mehr beim BVB. Stattdessen wählt Tuchel selbst gemeinsam mit seinem Athletik-Trainer Rainer Schrey die Gerichte für die Mannschaft aus. Nach den Vorstellungen des neuen Coaches soll das gesamte Team mindestens einmal pro Tag gemeinsam speisen.

Im Training vertraut der Schwabe auf GPS-Westen, die jede Bewegung und jeden Herzschlag der Spieler aufzeichnen. Dazu filmt ein Assistent die Übungseinheiten mit, um danach auf Fehler hinweisen zu können.

Diese genaue Dokumentation soll zu einer Individualisierung des Trainings führen. Tuchel will jeden seiner Schützlinge einzeln anschauen, sein Verhalten ganz genau beobachten. „Mein Ziel ist es, jeden Spieler am Ende mit einer bestimmten Aufgabe ins Spiel zu schicken“, meint Tuchel. „Es soll gar keine Zeit mehr bleiben, um sich mit den großen Wahrheiten zu beschäftigen.“

„Wir lernen unglaublich viel über Ballbesitz“

Die letzte Saison der Dortmunder scheint der neue Trainer ganz genau analysiert zu haben. Die Probleme mit tiefstehenden Gegnern, bei denen Dortmund kein Durchkommen fand, sind natürlich auch dem scharfen Auge Tuchels nicht verborgen geblieben.

Deswegen ließ der glühende Fan von Pep Guardiola verstärkt das eigene Ballbesitz-Spiel trainieren. „Gleich geblieben sind grundlegende Themen wie mannschaftliches Verteidigen oder Gegenpressing. Deutlich mehr Wert wird auf das Spiel mit dem Ball gelegt. Erste Verbesserungen sind schon eingetreten“, meint Mats Hummels im „kicker“-Interview.

Sein Partner in der Innenverteidigung, Neven Subotic, stimmt gegenüber „Sky“ zu: „Wir lernen unglaublich viel über Ballbesitz. Es geht um Details: Mit welchem Fuß man den Ball annimmt, wie man den Ball passen soll.“

Ein Perfektionist

Verglichen mit Klopp sei Tuchel ein komplett anderer Trainer, meint Subotic. Das macht sich auch bei den Übungen selbst bemerkbar. Fungierte Klopp zumeist nur als Beobachter, stellt sein Nachfolger auch schon einmal selbst Stangen und Hütchen auf. Dabei geht es dem Perfektionisten nicht selten um wenige Zentimeter, damit das Trainigsmaterial im richtigen Abstand positioniert ist.

„Er bereitet jedes Training selbst vor und nach, nimmt alles sehr genau“, erzählt Michael Zorc der „Sport Bild“. Ein Eindruck, den auch Tuchels ehemaliger Schützling Andreas Ivanschitz bestätigen kann.

„Er ist ein Trainer, der alles kann. Auf der einen Seite arbeitet er sehr akribisch und lässt im Training einfach nie locker. Andererseits schafft er es aber auch, Spieler extrem zu motivieren. Vor den Partien findet er oft die richtigen Wörter, um die Mannschaft in Fahrt zu bringen“, sagt Ivanschitz, der mit Tuchel zwischen 2011 und 2013 bei Mainz zusammenarbeitete.

Buffon verhindert Tor-Gala gegen Juventus

In welchem System Dortmund gegen den WAC auflaufen wird, ist noch unklar. Tuchel variierte in den bisherigen Testspielen zwischen 4-1-4-1, 3-5-2 und 4-2-3-1. Zuletzt ging die Tendenz in Richtung der letzteren Formation, die schon unter Klopp praktiziert wurde.

Auch beim starken 2:0-Testspiel-Sieg gegen Juventus am Samstag vertraute Tuchel auf dieses System. Das harte Offensiv-Training machte sich in dieser Partie schon einmal bezahlt, legte der BVB doch einen fulminanten Auftritt hin. Nur Juve-Goalie Gianluigi Buffon verhinderte einen höheren Sieg der „Schwarz-Gelben“.

Zwei, die dabei besonders hervorstachen, waren Ilkay Gündogan und Henrikh Mkhitaryan. Den Armenier bezeichnet Tuchel als „sehr intelligenten Spieler“, der nun mit dem Neo-Coach endlich den richtigen Mentor gefunden haben könnte.

Genauso wie Mkhitaryan will auch Gündogan die verpatzte letzte Saison vergessen machen. Ihn hat Tuchel noch vor der Vorbereitung zu einer Vertragsverlängerung bis 2017 überredet.

Wer sind die Verlierer?

Während die beiden Mittelfeldspieler zu den Gewinnern von Tuchels Revolution werden könnten, wird es wohl oder übel auch Verlierer geben. 30 Spieler stehen aktuell im Kader der Dortmunder. Zu viel für den Geschmack von Tuchel. Er will noch einige von ihnen loswerden.

Einen Vorgeschmack, wen es treffen könnte, lieferte der ehemalige Defensivspieler bei der Nominierung für das WAC-Spiel. Unter anderem werden Kevin Großkreutz, Oliver Kirch und Moritz Leitner das Duell vor dem Fernseher verfolgen.

Bei Klub-Urgestein Großkreutz ist offiziell ein Trainingsrückstand der Grund, doch sein Vertrag läuft nur noch bis Saisonende. Ein Abschied käme nicht ganz überraschend. Dennoch hätten die Fans an einem Transfer ihres Lieblings wohl überhaupt keine Freude.

Tuchel steht also noch die ein oder andere unangenehme Herausforderung bevor. Nun wartet aber erst einmal der WAC.

 

Jakob Faber