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"Wahnsinn!" Rapids Finish für die Ewigkeit

Einige Fans werden möglicherweise mit dem Glauben ins Bett gegangen sein, dass Rapid die dritte Quali-Runde zur Europa League nicht bewältigt hat.

Denn nicht wenige Plätze im Stadion - und möglicherweise auch vor den TV-Geräten und vor dem Computer - waren bereits geräumt, als das eigentliche Spektakel erst seinen Anfang nahm.

84 Minuten lang dominierten die Grün-Weißen nach der 1:2-Niederlage im Hinspiel gegen Vojvodina Novi Sad das Geschehen, bissen sich aber am Abwehr-Bollwerk der Gäste die Zähne aus.

Mit einer Roten Karte für Vladan Pavlovic nahm die Dramatik ihren Lauf. Nach einer spektakulären Schlussphase und 98 Minuten war es besiegelt: Rapid schafft mit einem 2:0-Erfolg den Aufstieg ins Playoff.

„Das war crazy“

„Wahnsinn“, murmelte Kapitän Steffen Hofmann vor sich hin, als er nach dem ausgelassenen Jubel mit den Fans die Katakomben des Hanappi-Stadions betrat.

„Es war schon sehr hektisch, das war crazy. Ich fühle mich zur Zeit, als wäre ich in einer eigenen Welt“, war Terrence Boyd von den Ereignissen der letzten Minuten überwältigt.

Was war geschehen? Nach einem harten Einstieg von Pavlovic gegen Trimmel flog der Übeltäter vom Platz. Doch auch in Überzahl konnte Rapid keine großen Chancen herausspielen.

Dann die 90. Minute. Bei einer Flanke auf Boyd stützte sich Branislav Trajkovic auf und traf den US-Stürmer zudem im Gesicht. Elfmeter!

„Es war ein klarer Elfer. Ich bin so froh, dass die so dumm sind und mich noch einmal im Strafraum foulen“, merkte der Gefoulte an, nachdem schon im Auswärtsspiel ein Elfmeter nach einem Foul an ihm gegeben wurde.

Eine harte, aber vertretbare Entscheidung. Die Stimmung kochte, die Spannung war zum Greifen nahe.

Alar löste Gänsehaut-Feeling aus

Der eigentliche Elfer-Schütze Hofmann winkte nach seinem vergebenem Versuch im Hinspiel ab, Deni Alar übernahm die Verantwortung und versenkte den Ball im Tor.

„So ohne ist das nicht, diesen Elfer zu schießen. Da ist ein enormer Druck auf seinen Schultern gelastet“, zollte Trainer Peter Schöttel seinem Schützling Respekt.

Die Sensation war zum Greifen nahe, die Anspannung im Stadion entlud sich in Form eines Jubelsturms. Gänsehaut-Feeling erfüllte die noch im Stadion Anwesenden.

Doch damit nicht genug. Die Serben ließen ihrer Wut freien Lauf, woraufhin der Co-Trainer auf die Tribüne verbannt wurde. Ein Treffer von Stefan Kulovits – das Tor stand zu diesem Zeitpunkt leer – wurde wegen Abseits nicht gegeben. Als wäre das nicht schon kurios genug, musste auch noch der Schiedsrichter-Assistent mit einer neuen Fahne ausgestattet werden (95.).

Ereignisse überschlugen sich

Als alle nur mehr den Schlusspfiff herbeisehnten, nützte Rapid noch einen Konter, um allen Spekulationen ein Ende zu bereiten.

Hofmann bediente Boyd mustergültig und der Neuzugang setzte mit einem überlegten Schuss ins lange Eck den Schlusspunkt einer verrückten Partie (97.).

„Es war ein sehr spannendes Spiel, wie schon im Hinspiel, das sehr leidenschaftlich und auf Augenhöhe geführt war. Wir haben aber mehr fürs Spiel gemacht, den Druck immer mehr erhöht und sind verdient aufgestiegen“, fasste Schöttel zusammen.

Ausgerechnet der 45-jährige Wiener überraschte im Vorfeld der Partie mit Siegessicherheit und sollte Recht behalten.

Vojvodina Novi Sad „not amused“

Dabei ist das normalerweise gar nicht sein Stil. „Ich habe mich vor einem Monat der allgemeinen Euphorie angeschlossen. Ich will ja nicht immer der Spaßverderber sein.“

„Wir haben bis zum Schluss an uns geglaubt und sind dafür belohnt worden“, war auch Hofmann erleichtert.

Während sich die eine Seite feiern ließ, gingen beim serbischen Kontrahenten die Emotionen hoch. Noch im Kabinengang mussten Sicherheitskräfte einschreiten, um Schlimmeres zu verhindern.

Auch der vor dem Elfmeter gefoulte Boyd kann davon Geschichten erzählen. „Es war ein klarer Elfer, aber ich habe von den Serben ungefähr sechs Morddrohungen bekommen und sie haben die ganze Zeit meine Mutter beleidigt.“

Zudem stellte sich Gäste-Trainer Zlatomir Zagorcic als schlechter Verlierer heraus: „Rapid ist eine zu gute Manschaft, um auf diese Art und Weise aufzusteigen. Das ist nicht der richtige Weg, um zu gewinnen. Es ist eine Schande, uns wurde das Spiel gestohlen.“

„Es war wie im Märchen“

In sprichwörtlich letzter Sekunde hielt Rapid die rot-weiß-rote Fahne auf internationaler Ebene hoch und vermied vorerst das österreichische Horror-Szenario, keinen Verein mehr in einem europäischen Bewerb vertreten zu haben.

„Die Erleichterung ist sehr groß. Jeder hat sich erwartet, dass wir weiter kommen, wir auch“, stellte Deni Alar klar. Und Boyd fügte hinzu: „Es war wie im Märchen.“

Nach zwei nervenraubenden Partien gegen Novi Sad mit insgesamt vier Toren in der Nachspielzeit würde Rapid zu gerne zur Ruhe kommen, doch schon am Sonntag wartet das Auswärtspiel bei RB Salzburg.

Der Aufstieg ins Playoff zur Europa League dürfte jedoch so sehr beflügeln, dass man auch Salzburg die verliehenen Flügel stutzen will.


Alexander Karper