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Die Rückkehr des "Wunderkindes"

Die Rückkehr des

Dinamo Zagreb ist nach Österreich zurückgekehrt.

Vor einem Jahr reichte bei der Wiener Austria im Champions-League-Playoff ein 3:2-Sieg nicht, weil zuvor das Heimspiel 0:2 verloren wurde.

Wiederum vier Jahre davor holte Dinamo Zagreb im Hinspiel der dritten CL-Quali-Runde durch ein Tor von Mario Mandzukic ein 1:1.

Weil Salzburg später auswärts 2:1 gewann, reichte auch das nicht.

2009 war Ante Coric gerade einmal zwölf Jahre alt, sorgte aber bereits für Gesprächsstoff. Noch im Jahr zuvor zeigte der damals Elfjährige vor einer Journalistenrunde in der Red-Bull-Arena seine Kunststücke mit dem Ball.

Mit elf Jahren schon Gesprächsthema

„Nach zehn Minuten habe ich mich ausgekannt, denn Fußball lügt nicht“, erinnert sich Percy van Lierop im LAOLA1-Gespräch an sein erstes Zusammentreffen mit Coric bei einem Training in Zagreb – damals spielte das Talent noch für Dinamos Lokalrivalen NK, ehe er nach Salzburg wechselte.

„Er hat mit elf Jahren schon gespürt, was er braucht und hatte schon damals das Selbstbewusstsein, das ich noch selten gesehen habe. Sein erster Ballkontakt und seine Übersicht für die Situation, das Beherrschen dieser mit aller Ruhe und die folgende Entscheidung, das hat mich wahnsinnig begeistert. Das hast du oder hast du nicht“, schwärmt van Lierop von seinem ehemaligen Schützling.

Der Holländer war es auch, der damals mit dem Kroaten im Stadion gaberlte. Ein YouTube-Video („Next Zinedine Zidane – Salzburgs Juwel Coric“) veranschaulicht über sechs Minuten das „Schaulaufen“.

Van Lierop, der viele Jahre bei Salzburg im Nachwuchs arbeitete und bis zu seiner Ablöse im Sommer 2012 diesen auch leitete, hatte während seiner Zeit an der Salzach ein gutes Standing auf der Chef-Etage – und auch eine konkrete Aufgabe.

Van Lierop und der Mateschitz-Auftrag

„Wir hatten damals den Auftrag von Herrn Mateschitz, alle Top-Talente Europas zu erfassen und zu versuchen, sie nach Salzburg zu holen. Ich war dabei unterwegs, um Red Bull zu repräsentieren und zu schildern, wie wir arbeiten, wie wir ticken. Zu zeigen, welche Menschen dahinterstecken“, schildert der heute 40-Jährige.

So stieß van Lierop auch auf Coric. Ein Trainer, den er bei einer Fortbildung kennenlernte, rief einen Monat später an und wies auf einen Jungen hin, der auf das Red-Bull-Anforderungsprofil zutraf. Der Nachwuchs-Betreuer fuhr gen Süden.

„Ich habe dann mit den Eltern gesprochen und ihnen gesagt, was wir mit ihm vorhaben würden. Dass er nach unseren Prinzipien ausgebildet, für das höchste Niveau vorbereitet und sein Profi-Debüt in Salzburg machen würde. Danach stünde ihm die Welt offen.“

Ante Coric im Alter von 13 Jahren im Nachwuchs von Red Bull Salzburg

Schon damals wollte Red Bull die besten heimischen und europäischen Talente bündeln. Nachdem man sportlich profitieren würde, käme die positive Reputation hinzu, sollten die Jungstars den Weg zu Top-Klubs finden. So wie PSV Eindhoven die späteren brasilianischen Helden Romario oder Ronaldo auf den Weg brachte.

Der Red-Bull-Boss wollte und will Superstars unter eigenem Dach produzieren.

Der Vergleich mit Vettel

„Herr Mateschitz hat in Gesprächen mit mir immer Sebastian Vettel als Vergleich herangezogen. Er hätte ja auch bei Ferrari oder Mercedes die Weltmeister kaufen können. Aber die Marke steht für Selbstproduktion. Deswegen wurde Vettel gescoutet, früh ins Boot geholt und später ist er bei Red Bull vierfacher Weltmeister geworden“, erklärt van Lierop. Der Plan ging bei Coric anfangs noch auf.

Der als „Wunderkind“ und „Jahrhundert-Talent“ beschriebene Jung-Kicker hatte damals auch Angebote von Chelsea und aus der Deutschen Bundesliga. Salzburg überzeugte ihn aber mehr.

„Ich sagte ihm, er soll erst dort und dann bei uns Probetrainings machen. Das tat er und mit elf Jahren sagte er selbst: ‚Das ist der Weg, den ich gehen will. Natürlich will ich irgendwann bei Chelsea oder Real spielen, aber darauf muss ich erst noch vorbereitet werden. In Salzburg werde ich besser.“

Philosophie-Wechsel behagte nicht

Seine Eltern kamen mit, sein Bruder Josip spielte auch später in Liefering, Vater Miljenko wurde als Scout eingestellt, um weitere Talente aus der Gegend südlich von Österreich zu finden. Ein gängiges Prinzip zu dieser Zeit.

Viereinhalb Jahre spielte Coric im Salzburger Nachwuchs. Ein Jahr, nachdem in der Rangnick-Ära van Lierop gehen musste und Ernst Tanner das Zepter übernahm, zog auch Coric von dannen.

Der Philosophie-Wechsel stand dem jungen Talent weniger zu Gesicht. Der Fokus wurde auf mannschaftstaktische Gesichtspunkte gelegt, Umschalten und Gegenpressing waren plötzlich die Eckpfeiler.

Für Coric war die Welt von Red Bull nicht mehr dieselbe. Van Lierop kann das nachvollziehen.

Percy van Lierop war bis 2012 Nachwuchs-Chef bei RBS

„Ein Talent wie er kommt erst gar nicht her, wenn ich ihm erkläre, dass es taktisch nur um die Mannschaft geht, um zu gewinnen. Dann würde er sagen, dass bekomme ich bei Chelsea genauso. Er kam, weil er spürte, hier könne er zum Weltklassespieler werden, weil in Details gedacht wird und Dinge gemacht werden, die er dafür braucht“, so der Jugend-Experte. Coric konnte sich zu wenig entfalten.

„Sie haben ihm Grenzen gezeigt, anstatt ihm Vertrauen zu geben. Sie sehen eben einen anderen Fußball. Das ist aber ein kleiner Pirlo, ein richtiger Stratege, ein richtiger Fußballer, der im Ballbesitz den Unterschied machen kann, mit Pässen und Toren, der ein Team besser Fußball spielen lassen kann.“

Mamic als guter Verhandlungspartner

Ballbesitz statt Gegenpressing. Individualtraining statt Mannschaftsausrichtung. Das war Coric lieber und deswegen lehnte er ein Angebot von Red Bull ab, sagte weiteren namhaften Vereinen ab und ging nach Kroatien in die Heimat zurück.

Mit 16 Jahren war der ständige Nachwuchs-Nationalspieler wieder in Zagreb. Nicht nur die Aussicht auf das baldige Profi-Debüt, das er dieses Frühjahr bereits gab, ließen die Würfel zugunsten Dinamos fallen.

Der streitbare Klub-Boss Zdravko Mamic (LAOLA1-Portrait) brachte schon viele seiner Spieler in den Top-Ligen Europas unter. Für viele Millionen. So wechselte Luka Modric 2008 für 21 Millionen Euro nach Tottenham, Mario Mandzukic kam zwei Saisonen später für sieben Millionen bei Wolfsburg unter. Ex-LASK-Kicker Mateo Kovacic schaffte auf diese Weise den Sprung zu Inter - und zur WM 2014.

„Mamic hat gezeigt, dass er etwas davon versteht, wie man dann einen jungen Spieler zu einem Spitzenklub bringt“, gibt van Lierop die Gedankenwelt seines ehemaligen Spielers, mit dem er nach wie vor Kontakt hält, wieder.

Der heute sportliche Leiter des Fußball-Internats im bayrischen Bad Aibling, das in Verbindung mit Unterhaching steht sowie Talente bei Bayern und 1860 München unterbringt, sieht nach wie vor das Top-Potenzial beim Offensivspieler.

Potenzial für Riege hinter Messi und Co.

„Hinter den absoluten Weltstars a la Messi, Ronaldo oder Neymar, die göttliches Talent besitzen, gibt es um die 50 Top-Fußballer a la Robben, Pirlo, Iniesta, Xavi. Ich denke, Ante kann dorthin wachsen. Dafür muss er aber noch viel arbeiten und immer mehr als die anderen. Mit seinem Talent kann er diesen Weg gehen und ich denke, in fünf Jahren kann er bei einem absoluten Top-Klub spielen.“

Noch habe der Youngster laut van Lierop aber noch nichts erreicht.

Das weiß der Spieler offenbar selbst auch, wie er kürzlich gegenüber „goal.com“ wissen ließ und dabei aus Kroatien stammende Vergleiche mit den früheren Aushängeschildern Robert Prosinecki und Zvonimir Boban vom Tisch fegt.

„Ach kommt schon, ich bin noch meilenweit hinter ihnen zurück. Ich muss viel arbeiten und viel trainieren um zu lernen, ehe ich irgendwann mit ihnen verglichen werden kann. Vielleicht eines Tages ... wer weiß das schon. Mein Vorbild ist allerdings Ronaldinho.“

Da hat er etwas mit dem um ein Jahr älteren Valentino Lazaro, dem Salzburger Juwel, gemeinsam.

Beide werden am Donnerstag im Duell ihrer Klubs wohl nicht spielen. Lazaro wird Ersatz sein, Coric ist mit einer Bänderverletzung im Sprunggelenk fraglich.

Am ersten Spieltag der Europa-League-Gruppenphase erzielte der U21-Teamspieler als Joker beim 5:1 gegen Astra Giurgiu ein Tor.

Ein historisches. Kein Torschütze war in diesem Bewerb je jünger.

 

Bernhard Kastler