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Deutschland wirft Maxime über Bord

Deutschland wirft Maxime über Bord

Für Deutschland heißt es in puncto Titel weiterhin „Bitte warten“.

Der Traum vom ersten großen Triumph seit der Europameisterschaft 1996 ist in Warschau jäh zu Ende gegangen. „Wir haben durchaus die Qualität Italien zu schlagen und ins Finale einzuziehen“, verkündete Bundestrainer Jogi Löw noch vor der Partie gegen die Südeuropäer.

Der Donnerstag-Abend sollte ihn eines Besseren belehren. Am Ende jubelten die Italiener über einen verdienten 2:1-Halbfinal-Erfolg.

Umstellungen greifen nicht

Für Deutschland ist das Turnier vorbei, auch weil sich Löw taktisch verzockt hat. Die Maxime des deutschen Spiels war es, dem Gegner das eigene Spiel aufzudrängen. Der Bundestrainer bestätigte in verschiedensten Pressekonferenzen sich nicht nach dem Gegenüber richten zu wollen.

Doch gegen Italien schien Löw seine Grundregel bereits vor dem Spiel über Bord geworfen zu haben. Mit Toni Kroos brachte der Bundestrainer einen offensiven „Wachhund“, um die Schaltzentrale der Italiener mit Andrea Pirlo und Daniele de Rossi in Zaum zu halten, Mesut Özil wich teils auf den Flügel aus und sollte gemeinsam mit dem Bayern-Spielmacher die beiden Sechser der Italiener beschäftigen. Auf der linken Flanke vertraute der 52-Jährige Lukas Podolski.

Doch dieses „Experiment“ schlug fehl. Kroos konnte den umtriebigen Pirlo nicht binden und da Podolski spielerisch einem Totalausfall glich, ruhten die offensiven Hoffnungen alleine auf den Schultern Özils, der dem Spiel aber nicht seinen Stempel aufdrücken konnte. Die sonst so stark agierende DFB-Elf konnte weitgehend nur reagieren.

Podolski erwischte eine rabenschwarzen Tag

Abwehr nicht stabil

Doch die Niederlage nur an diesen Umstellungen festzumachen, wäre zu einfach. Neben den offensiven Baustellen gesellten sich ungewohnte defensive Fehler hinzu. Die Viererkette mit den Innenverteidigern Holger Badstuber und Mats Hummels wirkte unsicher und machte gravierende Fehler, wie beim 0:1 durch Mario Balotelli.

„Wir waren zu dritt bei Cassano, diese Flanke muss grundsätzlich verhindert werden“, so Löw gegenüber der "dpa". Hummels rückte unerklärlicherweise auf die Flanke, obwohl bereits zwei Teamkollegen den Italiener gestellt hatten. Ungestüm ging er in den Zweikampf und Cassano brauchte sich nur um die eigene Achse zu drehen, um den Dortmunder ins Leere laufen zu lassen. Nach dem Spiel sollte der BVB-Spieler das Tor auf seine Kappe nehmen. In der Mitte stellte sich aber auch Badstuber gegen Balotelli nicht gerade geschickt an und der Manchester-City-Angreifer nahm das Geschenk dankend an.

Ein weiterer schwerer Abwehr-Schnitzer bescherte das 0:2. „Wir hatten nach dem 0:1 die Ordnung nicht gefunden“, analysierte der Bundestrainer. Nach einer Ecke für Deutschland fuhr die „Squadra Azzurra“ den Konter, Kapitän Philipp Lahm hob das Abseits auf und Balotelli war auf und davon.

„Der Ball wurde zur Seite gespielt, Philipp Lahm will noch einen Schritt rausgehen, Balotelli bewegt sich zum Ball und geht dann steil. Der Ball geht über Lahm hinweg, Lukas Podolski hätte näher zu Lahm rücken müssen, um den Zwischenraum zuzumachen. Wir hätten da früher einrücken müssen.“

Auch in der zweiten Halbzeit präsentierte sich die Abwehr alles andere als sicher. Die Viererkette stand nie auf einer Höhe, was eine Abseitsfalle somit unmöglich machte und die Italiener zu einigen Kontern einlud. Diese wurden aber teils kläglich vergeben.

Weiterhin kein Sieg

Dennoch reichte es für die Italiener, die somit bei großen Turnieren gegen die deutsche Elf weiter eine weiße Weste haben. Noch nie konnten die Mannen mit dem Bundesadler auf der Brust die „Azzurri“ in einem EM- oder WM-Spiel bezwingen.

"Die Hürde Italien war an diesem Abend zu hoch. Vielleicht war im Hinterkopf, dass wir noch nie gegen sie bei einem großen Turnier gewonnen haben“, glaubte Miroslav Klose an eine mentale Hemmung seiner Mannschaft.

Der Lazio-Stürmer kam in der Halbzeit für den völlig farblosen Mario Gomez und konnte dem Spiel der Deutschen aber auch nicht die entscheidenden Impulse geben.

Doch trotz der zahlreichen Unzulänglichkeiten hatten auch die Deutschen ihre Möglichkeiten. Kurz nach der Pause kam Lahm aus zwölf Metern völlig frei zum Schuss, setzte den Ball aber deutlich drüber.

„Wenn ich den zu diesem Zeitpunkt mache, gewinnen wir das Spiel wahrscheinlich noch oder spielen zumindest unentschieden“, so der linke Außenverteidiger. Doch was wäre wenn gilt nicht, Deutschland ist raus und die Enttäuschung dementsprechend groß.

Auf dem richtigen Weg

Nun alles über einen Haufen zu werfen, wäre aber falsch. Löw und seine Assistenten haben in den letzten Jahren gute Arbeit geleistet und wollen diesen Weg auch weitergehen.

„Wir sind alle erst Mal enttäuscht, ich werde dieses Turnier aber insgesamt positiv bewerten. Nach einem Spiel gibt es keinen Grund, alles in Frage zu stellen. Das Auftreten der Mannschaft war insgesamt gut, der Umgang war untereinander immer in Ordnung. Wir hatten zwei hervorragende Jahre, 15 Pflichtspiele in Folge gewonnen. Das ist die jüngste Mannschaft, sie hat trotzdem ein sehr gutes Turnier gespielt“, so der Bundestrainer und fügte noch an:

„Man kann Titel nicht herbeireden, Spanien hat auch viele Jahre auf einen Titel gewartet.“

Sebastian Rauch