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Hans Kleer: "Fußball ist ein Spiel"

Hans Kleer:

„Es muss Freude machen.“

Als Trainer des Floridsdorfer AC fällt es Hans Kleer derzeit besonders leicht, Spaß an der Arbeit zu haben. 

Unter der Leitung des 44-Jährigen legt der Erste-Liga-Aufsteiger gerade einen „Willkommens-Lauf“ hin und steht nach vier Runden ungeschlagen auf Tabellen-Platz vier. Lediglich Mattersburg, die Lieferinger Jungbullen und Traditionsklub LASK rangieren vor den Wienern.

Nicht schlecht für einen Klub, der eigentlich in dieser Saison noch gegen Donaufeld, Sollenau oder Amstetten in der Regionalliga Ost antreten hätte sollen. „Der Aufstieg war eigentlich ein Zweijahres-Plan“, verrät Kleer, der endgültig im Profi-Fußball angekommen zu sein scheint. Ganz ohne Lobby.

Dass man die Euphorie-Welle trotzdem gerne mitnimmt, versteht sich jedoch von selbst. Nicht so der Übergang vom Amateur- in den Profi-Bereich, der auch den FAC vor einige Hürden stellt(e). Im großen LAOLA1-Interview spricht Kleer über jene Kluft, warum es wichtig ist, andere Meinungen zu akzeptieren und seine Lehren aus dem Trainerjob zu ziehen.

LAOLA1: Herr Kleer, Sie und Ihr Team sind in aller Munde, der FAC hat einen Lauf. Was ist das Geheimnis?

Hans Kleer: Kontinuierliche Arbeit und die Einstellung der Spieler. Wir haben vor mehr als einem Jahr begonnen mit Spielern zu arbeiten, die im Grunde alle unter 30 Jahre alt waren, die mit wenigen Ausnahmen keinerlei Erfahrung im Profi-Bereich hatten und die unbedingt nach oben wollten. Die Mannschaft ist charakterlich top. Die Spieler haben sich selbst ein Ziel gesetzt, für das sie seither jeden Tag arbeiten. Dass wir schon heuer, ein Jahr früher als geplant, in der Ersten Liga spielen, nehmen wir natürlich gerne hin.

LAOLA1: Was macht der FAC darüberhinaus besser als andere Teams?

Kleer: Ich weiß nicht, ob wir etwas besser machen. Im heutigen Fußball sind alle Teams gut geordnet, sodass es längst nur noch auf Kleinigkeiten ankommt. Wie schalte ich um? Bin ich bereit, über das Limit zu gehen? Welche Stärken hat die Mannschaft und wie kommen diese zum Tragen? Nur schön zu spielen, reicht nicht. Gegen Kapfenberg hatten wir den meisten Ballbesitz aller bisherigen Spiele und erreichten mit Glück ein Unentschieden.

Der FAC schaffte gegen Austria Salzburg den Sprung in den Profi-Fußball

LAOLA1: Ist der Sprung von einer Regionalliga in die Erste Liga aus Ihrer Sicht problematisch?

Kleer: Ja und Nein. Die Qualität des Fußballs ist in der Ersten Liga auf Dauer besser. Das Problem ist, was rundherum dazukommt, beispielsweise die Medien-Präsenz. Plötzlich ist das Fernsehen da und die Sponsoren werden mehr. Man befindet sich auf einmal mitten im Profitum. Für mich stellt sich dennoch die Frage, ob man in der Ersten Liga überhaupt Profi sein muss. 

LAOLA1: Ihre Spieler sind zum Großteil keine Profis...

Kleer: Wir versuchen mit einer Mischung aus Profis und Amateuren einen Mittelweg zu gehen. Einige Spieler - jene, die wir aus der Regionalliga mitgenommen haben - sind berufstätig. Wir wollten sie aber nicht abgeben, weil sie es sich genauso verdient haben, in der Ersten Liga zu spielen. 

LAOLA1: Parndorf hatte in der Vor-Saison eine ähnliche Herangehensweise. Am Ende hat es für die Burgenländer knapp nicht gereicht. Kann dieser Mittelweg auch in Ihrem Fall zum Problem werden?

Kleer: Verglichen mit uns haben andere Mannschaften zwei, in der Vorbereitung vielleicht sogar vier, zusätzliche Einheiten pro Woche. Das muss sich übers Jahr auswirken und das zu kompensieren, ist fast unmöglich. Mehr Trainingseinheiten, das bedeutet unter anderem mehr Möglichkeiten im taktischen Bereich, andere körperliche Voraussetzungen. Deshalb wollen wir kontinuierlich ein Vormittagstraining pro Woche einbauen.

LAOLA1: Nicht nur sportlich, auch infrastrukturell mussten Hürden bewältigt werden. Trotzdem steht Ihnen neben einem rundumerneuerten Stadion „nur“ ein Kunstrasen zur Verfügung. Reicht das im Profi-Bereich?

Kleer: Wir haben einen tollen Kunstrasen-Platz für die Winter-Monate und ein schönes Stadion. Für die Regionalliga ist das ideal. Aber die Strapazen für den Platz sind gigantisch. Tägliches Training bei fast jedem Wetter und die große Nachwuchs-Abteilung setzen dem Platz zu. Der Verein weiß um diese Problematik.

LAOLA1: Für welchen Fußball steht Hans Kleer?

Kleer: Leidenschaft und Umschaltspiel sind zwei meiner Kernbereiche. Schnelles Umschalten, ein Fußball mit Tempo-Wechsel, das begeistert mich. 80 Prozent Ballbesitz zu haben, ist wie gesagt schön und auch eine Qualität, aber ich muss das Tor treffen und möchte zielstrebig dorthin. Das ist für mich entscheidend. 

LAOLA1: Sie haben vor Saison-Beginn angekündigt, dass man erst nach einigen Runden einschätzen könne, wo der FAC steht. Haben Sie Ihre Meinung nun geändert?

Kleer: Wir haben bislang explizit kein Ziel besprochen, weil ich der Meinung bin, dass niemand von uns es hätte realistisch einschätzen können. Es gibt in der ersten September-Woche eine Länderspiel-Pause. Dann, nach neun Runden, sehen wir, was möglich ist. Dann kennen wir alle Gegner und werden wir uns ein Ziel setzen.

LAOLA1: Woran Sie noch arbeiten müssen, wissen Sie aber sicherlich bereits jetzt?

Kleer: In der Ersten Liga geht es anders zu, vor allem in puncto Handlungsschnelligkeit und Zweikampfverhalten. Wir haben als Aufsteiger zwar ein bisschen eine Euphorie, sind in vielen Teilbereichen sehr gut, aber körperlich ist noch Luft nach oben. Durch die Relegation haben wir auch ein bisschen Zeit verloren, das sieht man vor allem in der Offensive, die noch nicht perfekt eingespielt ist.

Die Kleer-Elf hat Spaß an der Arbeit

LAOLA1: Welche Lösungsansätze sind denkbar?

Kleer: Die Vereinsführung versucht andere Plätze zu finden, die als Trainingsstätten herhalten könnten, aber es ist nicht einfach. Wir könnten den angrenzenden Tennis-Platz wegreißen, das wäre wohl ein Groß-Projekt. (lacht) Eine Kooperation mit umliegenden Vereinen wäre ideal.

LAOLA1: Sprechen wir über Ihren Werdegang. Von der SV Donau (2005) haben sie es nun fast ganz nach oben geschafft. Nicht die einzige Parallele zu Damir Canadi, denn auch Sie mussten ohne „Lobby“ ausgekommen. Wie schwer war’s?

Kleer: In Österreich ist es generell schwer. Es gibt nur sehr wenige Bundesliga-Vereine, aber sehr viele Trainer. Wenn man dann „nur“ ein Bundesliga-Profi und nicht National-Spieler war und gewisse Leute im Hintergrund nicht hat, ist es umso schwieriger. Andererseits sieht man, dass man registriert wird, wenn man kontinuierlich gut arbeitet. All jene, die sich wirklich mit Fußball beschäftigen, wissen wie ich arbeite. Ohne Namen bekommt man ohnehin nicht auf Anhieb einen Trainer-Job in der Bundesliga. Das ist nun einmal so, das muss man zur Kenntnis nehmen.

LAOLA1: Sind Sie der Meinung, dass Österreich eine gute Trainer-Ausbildung bietet?

Kleer: Im Rahmen der Ausbildung genoss ich sehr gute und weniger gute Teilbereiche. Wenn ich nicht zufrieden war, habe ich das auch kundgetan. Einige Vorträge waren, gelinde gesagt, eine Frechheit. Unsere Ausbildung kann sich im internationalen Vergleich durchaus sehen lassen. Mit Sicherheit beurteilen kann ich es aber nicht, dazu müsste ich wissen, wie die Trainer-Ausbildungen in Deutschland, der Schweiz oder Italien sind. 

LAOLA1: Sollte jeder Trainer so weit unten anfangen wie möglich und sich hocharbeiten müssen?

Kleer: Es ist schon etwas anderes und es hat seine Vorteile, wenn man bei kleineren Vereinen beginnt und das Geschäft kontinuierlich kennenlernt.

LAOLA1: Zum Beispiel?

Kleer: Es kommt zwar immer auf Persönlichkeit und Charakter des Trainers an, aber meiner Meinung nach brauchen viele Trainer, die nicht von der Pieke auf gelernt haben, immer jemanden, der sie führt. Das ist auch legitim, denn im Trainer-Job gibt es viele Teilbereiche. Ich muss mit Spielern umgehen können, muss eine Führungspersönlichkeit sein, muss mit dem Verein kommunizieren können und muss lernen, dass ich als Trainer das schwächste Glied in der Kette bin.

LAOLA1: Inwiefern haben Sie sich im Laufe Ihrer Trainer-Laufbahn verändert?

Kleer: Ein großer Faktor im Trainer-Geschäft ist die Erfahrung. Als Neuling will man das oftmals nicht wahrhaben und glaubt, man könne so vieles besser machen als andere Kollegen. Irgendwann bemerkt man, dass es so einfach doch nicht ist, also korrigiert man. Mein Verhältnis zur Mannschaft und mein Auftreten als Trainer sind mit den Jahren gereift.

LAOLA1: Sind sie ruhiger geworden?

Kleer: Lockerer. Am Anfang meiner Trainer-Karriere, auch noch bei Austria Lustenau, war ich viel zu verspannt und verkrampft. Ich wollte nur Fußball, war viel zu besessen. Es gehört eine gewisse Lockerheit dazu. Fußball ist ein Spiel. Es muss Spaß und Freude machen. Dann geht die Arbeit viel leichter von der Hand.

LAOLA1: Wie würden Sie sich heute charakterisieren?

Kleer: Ich bin ein sehr genauer Arbeiter, ich hinterfrage mich sehr viel. Ich bin der Mannschaft und dem Umfeld gegenüber viel lockerer geworden. Ich gebe viel auf die Meinung anderer. Oftmals eröffnen sich so Perspektiven, die ein Trainer nicht sehen kann, weil er auf das Fachmännische fokussiert ist. Es gibt viele Sichtweisen, man kann mit einer Sichtweise nie alles sehen. 

LAOLA1: Der FAC ist ihre bislang längste Trainer-Station. Fühlen Sie sich hier gut aufgehoben?

Kleer: Ich fühle mich sehr wohl. Der Verein ist seriös geführt und es herrscht Handschlag-Qualität, das gefällt mir. Der Klub ist nicht nur an kurzfristigem, sondern an mittel- bis langfristigem Erfolg interessiert und hat Ziele. Hier möchte ich auf jeden Fall vorerst bleiben. Man muss ohnehin nicht immer alles erzwingen. Ich muss nicht um jeden Preis schnellstmöglich Profi-Trainer werden.

LAOLA1: Was aber früher oder später dennoch Ihr Ziel ist?

Kleer: Klar, man hat die eigene Spieler-Karriere immer noch im Hinterkopf, war jahrelang Profi. Außerdem ist Fußball mein Leben, es wäre schön, wenn der Sport mein Beruf ist. Derzeit bin ich aber in der glücklichen Situation, dass ich meinen herkömmlichen Beruf und die Trainer-Arbeit kombinieren kann, wodurch ich im Übrigen wichtige Erkenntnisse gewinnen konnte.

LAOLA1: Die da wären?

Kleer: Ein Ex-Profi, der seine Karriere im Amateur-Bereich ausklingen lässt, vermag oft nicht einzuschätzen, was es heißt, 40 Stunden im Büro zu sitzen und irgendwann auch einmal müde zum Training zu kommen. Es gibt für die Allermeisten ein Leben neben dem Fußball. Dieser Erkenntnis habe ich gewonnen und das hilft mir auch im Umgang mit der Mannschaft.

LAOLA1: Wagen Sie den Blick in die Kristall-Kugel. Wo sehen Sie sich nach den nächsten neun Jahren ihrer Trainer-Karriere.

Kleer: Ich hoffe, auch dann noch im Fußball tätig zu sein, es ist eben mein Leben. Fußball ist aber sehr kurzlebig. In drei Monaten zählt nicht mehr, was heute war. Es interessiert niemanden mehr, ob wir in der Relegation gegen Austria Salzburg überrascht haben. Ich schätze und genieße die Zeit jetzt und freue mich, wenn ich in zehn Jahren vielleicht auf noch höherem Niveau tätig bin. 

LAOLA1: Bliebe nur noch die Bundesliga oder ein Job im Ausland. Viel Erfolg und danke für das Gespräch.

 

Das Interview führte Kevin Bell