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"Wenn ich das jetzt nicht gestatte, bin ich ein Vollhorst“

Ein Herzschlagfinale besiegelte Borussia Dortmunds ersten Einzug ins Endspiel der Champions League seit 1997.

Ein Duell gegen Real Madrid, das bis zur Schlussphase bereits als entschieden galt, wurde doch noch zum Thriller und kostete alle Beteiligten Nerven.

„Das war am Ende ein bisschen eng“, musste Erfolgstrainer Jürgen Klopp nach dem Schlusspfiff bei der 0:2-Niederlage im Bernabeu-Stadion zugeben.

Am Ende hieß es: Schwamm drüber! Mit einem Gesamtscore von 4:3 buchten die Schwarz-Gelben ihr Ticket für Wembley. Das Zittern wich daraufhin schnell der Freude.

Überfallsartiger Real-Start kostete Nerven

Nach überstandener Druckphase der Madrilenen in den ersten 25 Minuten wähnte man sich aus Dortmunder Sicht bereits auf der sicheren Seite.

Denn der überfallsartige Beginn, der nach dem 1:4 aus dem Hinspiel in der Ehre gekränkten Königlichen, kam wenig überraschend.

„Real Madrid hat immer eine sehr intensive Anfangsviertelstunde. Hier wird es gleich rund gehen“, wusste Klopp schon vor dem Anpfiff vor eindrucksvoller Kulisse.

„Es war eine enorme Druckphase am Anfang und in der letzten Phase. Real hat alles auf eine Karte gesetzt, dennoch haben wir dem Druck standgehalten. Wir haben toll gefightet, toll gespielt“, analysierte auch Torhüter Roman Weidenfeller, der seine Mannschaft lange Zeit vor einem Gegentor bewahrte.

Beide Teams trauerten Chancenverwertung nach

Riesenchancen gab es auf beiden Seiten, doch bis zur 83. Minute konnte kein Team dem Spiel eine andere Richtung verleihen.

Spätestens seit Dortmunds Last-Minute-Aufstieg gegen Malaga im CL-Viertelfinale weiß man aber, dass man den Tag nie vor dem Abend loben sollte.

So sorgten Benzemas (83.) und Ramos‘ Treffer (89.) für bange Minuten beim entthronten deutschen Meister.

„Vorher hatten wir riesige Chancen gehabt. Wenn wir da ein Tor machen, ist das Ding gegessen. Insgesamt haben wir zu wenig Fußball gespielt“, merkte Klopp an und wütete an der Seitenlinie, als Real nur mehr ein Treffer zur Sensation fehlte.

Watzke sperrte sich auf Toilette ein

Ein anderer, der Dortmund in guten und schlechten Zeiten zur Seite stand und die Krönung des achtjährigen Neuaufbaus schwinden sah, hatte seine Nerven in der Schlussphase nicht mehr im Griff.

Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke, für den ein Platz an der Seite des spanischen Königs Juan Carlos reserviert war, konnte nach dem 2:0 Reals nicht mehr hinsehen.

„Wir können nur dramatisch. Zum ersten Mal musste ich wegen akuter Herzprobleme aufgeben. Ich habe mich in der Toilette eingeschlossen und habe auf die Uhr geguckt. Das ist noch nie passiert.“

Watzke hielt sich die Ohren zu und wollte nicht wissen, was sich in den letzten Minuten im Inneren des Stadions abspielte – so dünn war das Nervenkostüm, so nah das Aus und der Finaleinzug beisammen.

Da halfen auch die aufmunternden Worte des Königs nichts mehr, wie Watzke bei „Sky“ scherzte. "Der König hat immer meine Hand gehalten. Er hat mich beruhigt. Er ist ein netter Kerl, wirklich, und er hat gesagt, wir hätten großartige Spieler."

Lob und Umarmung von Mourinho

Real Madrid war an diesem Abend nicht mit jener Mannschaft zu vergleichen, die sich im Hinspiel 4:1 abschießen ließ und daraufhin mit minimalen Chancen das Heimspiel in Angriff nahm.

Trainer Jose Mourinho wollte seiner Mannschaft trotz mangelnder Chancenverwertung keinen Vorwurf machen.

„Ich muss meine Mannschaft loben, weil sie ein richtig gutes Spiel gemacht hat“, meinte der Portugiese, der allerdings nicht verstehen konnte, warum Mats Hummels nach einem Handspiel nicht mit Rot vom Platz flog.

„Dann hätten wir 20 Minuten in Überzahl gespielt. Das hätte dem Spiel eine andere Richtung gegeben.“ Ansonsten erwies sich „The Special One“ aber als fairer Verlierer, umarmte nach dem Schlusspfiff auch Gegenüber Klopp.

„Dann bin ich ein Vollhorst“

Während die Madrilenen jedoch schnurstracks in die Kabine flüchteten, kannte die Erleichterung bei den Borussen keine Grenzen.

„Wir haben so eine geile Truppe. Das ist so ein geiler Verein. Wir haben es einfach verdient. Das kann man genießen“, war Fanliebling Kevin Großkreutz außer sich vor Freude.

Obwohl am Samstag in der Bundesliga das möglicherweise vorweggenommene CL-Finale gegen Bayern München am Programm steht, zeigt man sich in puncto Feierlaune generös.

„Es ist außergewöhnlich, großartig! Wenn ich der Mannschaft jetzt nicht gestatte, rauszugehen, bin ich ein Vollhorst“, lieferte ein ausgelassener Klopp den Sager des Abends.

Keeper Weidenfeller freute es. „Wir sind ziemlich müde und kaputt, werden aber sicher noch das eine oder andere Bier trinken. Das ist der pure Hammer. Wir freuen uns unglaublich.“

Spätestens dann war vergessen, dass der prophezeite Finaleinzug doch noch eine haarscharfe Angelegenheit war.


Alexander Karper