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Am seidenen Personal-Faden

Am seidenen Personal-Faden

„Es ist sicher nicht optimal – gerade in dieser wichtigen Phase, wo wir Shakhtar vor der Brust haben.“

Beim SK Rapid kommt im Endspurt der Transferperiode eine neue Maschinerie ins Laufen. Mittendrin ist Sportdirektor Andreas Müller.

Schuld daran ist die Verletzung von Stefan Stangl, die Rapid unvorhersehbar vor Probleme stellt. Niemals hätten sich die zu Saisonbeginn auf jeder Position doppelt besetzten Hütteldorfer gedacht, einem derartigen Engpass ausgesetzt zu sein.

Nun gilt es, einen kühlen Kopf zu bewahren, abzuwiegen und die beste Entscheidung im Sinne des Vereins zu treffen. Plötzlich sind Neuverpflichtungen nicht mehr gänzlich ausgeschlossen, und auch in der Akte Robert Beric war man schon mal zuversichtlicher.

Stangl-Verletzung ließ Müller grübeln

Das aktuellste Thema ist jedoch die verwaiste linke Außenbahn. Thomas Schrammel fehlt bekanntlich längere Zeit mit einem Kreuzbandriss, bei Stefan Stangl atmet man nach dessen Muskelfaserriss im Adduktorenbereich hingegen auf.

„Ich habe schon einen Stich ins Herz gekriegt, als er nicht vom Feld gehen konnte, sondern runtergetragen werden musste. Da macht man sich schon Sorgen, ob es nicht ein längerfristiger Ausfall ist“, offenbart Müller beim exklusiven Interview-Termin in seinem Büro.

Die Diagnose eines kleinen Einrisses sowie die medizinische Einschätzung einer Zwangspause von rund drei bis vier Wochen stimmen jedoch zuversichtlich.

„Nach der Länderspielpause ist er auf jeden Fall wieder fit“, verspricht Trainer Zoran Barisic und ist somit der gleichen Ansicht wie der Sportdirektor.

Ein kleines Problem, das überbrückt werden muss

Laut dem 52-jährigen Deutschen habe Stangl zuletzt unter Beweis gestellt, warum man ihn geholt hatte. Aus der Schrammel-Alternative wurde ein adäquater Ersatz, plötzlich muss man improvisieren.

„Die Seite war exzellent besetzt. Jetzt haben wir ein kleines Problem, das müssen wir überbrücken“, weiß auch Müller. Denn von einem kurzfristigen Panik-Kauf sieht man im grün-weißen Lager ab.

Stephan Auer bewies schon gegen Sturm Graz, als er von der rechten auf die linke Seite wechselte, dass er der Ersatz sein könnte.

„Ich kann jetzt hergehen und jammern, weil Schrammel und Stangl auf ihrer Position einfach die Besten in Österreich sind, oder ich suche nach einer Lösung. Mit Auer haben wir einen Spieler, der auf vielen Positionen einsetzbar ist und das ganz gut ausüben kann“, schenkt Barisic dem universellen Ex-Admiraner nun links in der Viererkette das Vertrauen.

Ohne Spontankauf, dafür mit eigenen Alternativen

Trotz Auers Vorliebe für die rechte Außenbahn sieht „Zoki“ bei seinem Schützling keine Nachteile durch den Seitentausch.

„Im Gegenteil. Wenn er als linker Verteidiger spielt, kann man andere Lösungen finden, weil er mit dem stärkeren Fuß nach innen ziehen, einkippen, und das Spiel als verkappter  Sechser führen kann. Es gibt viele Möglichkeiten“, gibt sich der Trainer kryptisch.

Mit Mario Pavelic, der schon in Graz Spielpraxis sammelte, und dem begnadigten Michael Schimpelsberger hat man zudem rechts noch zwei Spieler, welche die Lücke schließen sollen.

Viel darf nicht passieren, ansonsten käme der ursprünglich breit aufgestellte Kader in Not. Auch die spontanen Abschiede von Brian Behrendt und Dominik Wydra waren nicht unbedingt eingeplant.

Defensiv-Verstärkungen plötzlich ein Thema

Noch vor kurzem schloss Müller weitere Transferaktivitäten aus, in den Büro-Räumlichkeiten des Happel-Stadions gibt sich der sportliche Leiter nun aber offener.

„Wir machen uns trotzdem Gedanken. Wir haben nur drei Innen- sowie drei Außenverteidiger, drei defensive Mittelfeldspieler – da muss man sicherlich überlegen, ob man nicht noch aktiv wird. Die sportliche Führung und das Trainerteam werden sich sicher noch zusammensetzen, um abzuwägen, ob es sinnvoll ist und wir Bedarf haben. Es ist sicherlich auch davon abhängig, ob wir die CL-Gruppenphase erreichen oder nicht.“

Überlegungen, nachzurüsten, gab es schon nach Schrammels Verletzung. Auch im aktuellen Fall von Stangl stellte sich für Müller die Frage: „Was gibt der Markt her? Es ist schon ungewöhnlich, dass man beide linke Außenverteidiger binnen kürzester Zeit ersetzen muss.“

Ein Name stand schon bei Vorgänger Helmut Schulte auf dem Zettel und wurde erst kürzlich wieder ins Spiel gebracht: Oliver Kragl.

„Kragl ist, war und wird kein Thema werden“

Interesse an seinem 25-jährgen Landsmann in Diensten der SV Ried weist Müller aber entschieden zurück.

„Nein, er ist, war und wird kein Thema werden. Wir haben keinen Gedanken an Kragl verschwendet. Ich halte ihn für einen sehr guten Spieler, glaube aber, dass er eher eine Position weiter vorne seine Fähigkeiten hat. Er ist nicht unbedingt der linke Verteidiger, den wir auf dem Zettel hätten. Von der ganzen Struktur der Mannschaft her, würde es keinen Sinn machen.“

Everton, Gladbach, Leverkusen, Marseille, West Ham, Eintracht Frankfurt, Fenerbahce und Manchester City stehen unter anderem auf dieser, müssen aber nicht zwangsläufig wegen Rapids Top-Stürmer ihr Kommen zugesagt haben.

„Es ist nicht ruhig, aber zumindest nicht besorgniserregend“, verrät Müller, dem bisher nichts Konkretes vorliegt. Gerüchte aus der Premier League oder aus Deutschland kenne er nur aus den Medien, zudem gilt die Devise: „Wir haben alles in der Hand!“

Da Beric noch drei Jahre Vertrag hat (Anm.: über eine Vertragsverlängerung um ein weiteres Jahr konnte bisher keine Einigung erzielt werden), müsse sich ein Interessent, der Rapid den Spieler streitig machen will, schon gewaltig an die Decke strecken, um eine Chance zu haben.

CL-Qualifikation wäre bestes Argument

Weiterhin eine gute Verhandlungsbasis. Am Bestreben, die Mannschaft zusammenhalten zu wollen, ändert dies jedoch nichts. Außer es sei für den Spieler sportlich eine Wahnsinns-Herausforderung und würde wirtschaftlich Rapids Grenzen sprengen.

„Ich kann heute nicht sagen, ob Beric auch noch am 1. September hier sein wird. Es ist aber unser aller Bestreben und unbedingter Wille, die Mannschaft so zusammenzuhalten. Aber da spielen viele andere Faktoren hinein. Wie wichtig er für uns ist, hat man erst gegen Sturm gesehen. So einen Spieler gibt man auch für viel Geld nicht leichtfertig her.“

Das wohl beste Argument wäre die Qualifkation für die CL-Gruppenphase – das Zünglein an der Waage, der seidene Faden, der über die Zukunft entscheidet.

„Da hat man noch bessere Argumente, den Spieler zu überzeugen, weiter den Weg mit uns zu gehen. Auch die sichere Qualifikation für die EL-Gruppenphase ist ein Anreiz. Da bleibt dann abzuwarten, wie sich ein Spieler entscheidet, der ein Angebot von einem guten Klub hat, der aber gar nicht international spielt.“

Im Falle des Ausscheidens im CL-Playoff könnte alles sehr schnell gehen, ansonsten ist noch bis 31. August alles möglich – das weiß auch Müller.


Alexander Karper

Ein klares Statement, nachdem man einen Haken hinter das Gerücht machen kann. Noch prekärer hätte der Engpass bei den Außenverteidigern werden können, hätte man Schimpelsberger ziehen lassen.

Zwar war man bereit, dem Linzer mehr Spielpraxis zu verschaffen, ein Wechsel nach einem Probetraining bei Terek Grozny zerschlug sich jedoch. „Nichtsdestotrotz kann er für uns noch sehr wichtig sein“, weiß Müller.

„Kann nicht sagen, wie Beric-Geschichte ausgeht“

Bleibt noch die Frage nach dem Dauerthema: Robert Beric. Gegen Sturm Graz saß der Stürmer zu Beginn überraschenderweise nur auf der Bank und auch sonst scheint die Zuversicht in seinem Umfeld umzuschlagen.

Selbst Müller muss zugeben: „Ich kann beim besten Willen nicht sagen, wie die ganze Geschichte ausgeht.“

Auch Barisic erzählt von einem Gespräch mit seinem Topscorer vor knapp zwei Wochen und hofft, dass sich der Angreifer gerade vor den wichtigen CL-Duellen nicht ablenken lässt.

Klingt, als wäre da bereits etwas im Busch. Der Sportdirektor redet in dieser Hinsicht Klartext: „Ich brauche nichts beschönigen: So lange die Transferperiode läuft, kann alles Menschenmögliche passieren. Wir sind nicht in der Lage von Großklubs, die jedem Angebot standhalten können.“

Namhafte Spione heizen Gerüchteküche an

Ein wenig Angst macht ihm dabei ein Blick auf die Liste jener Scouts, Vereine und Berater, die sich für das CL-Playoff-Hinspiel in Wien angesagt haben.