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"Von mentaler Power her von fast allen enttäuscht"

„Das war vorne nix und hinten nix!“

Michael Madl brachte die matte Vorstellung des SK Sturm im Hanappi-Stadion auf den Punkt. „Rapid hat eine Durchschnittsleistung gereicht, damit sie uns 3:0 schlagen“, fand die Defensivkraft, „unsere Leistung war sehr schlecht.“

Ob durchschnittlich oder einer Mannschaft mit Titelambitionen würdig, sei dahingestellt, Fakt ist: Die Wiener waren den Grazern an diesem Abend in allen Belangen überlegen.

Das musste auch der ehrgeizige Sturm-Coach Peter Hyballa neidlos anerkennen: „Wenn man von allen elf Positionen ein Spiegelbild hernimmt, muss man sagen, dass bei Rapid jeder Spieler einen Tick besser war, auf zwei, drei Positionen sogar um zwei, drei Qualitätsstufen besser.“

Nun ist es nicht so, dass der Kader des Meisters von 2011 schlecht besetzt ist. Auch die nicht gerade geringe Anzahl an Verletzten geht nur bedingt als Ausrede durch, da mit Jürgen Säumel und Christian Klem nur zwei Stammspieler w.o. geben mussten.

Woran lässt es sich dann festmachen, dass Sturms Start in die Spielzeit einem wahren Wellental gleicht?

FEHLENDE KONSTANZ:

Niederlage gegen Salzburg, Sieg bei der Austria, Niederlage in Mattersburg, Sieg gegen Wolfsberg, Niederlage bei Rapid. Die Inkonstanz ist die einzige Konstante der Grazer im bisherigen Saisonverlauf. „Das ist momentan unser Hauptproblem“, monierte Goalie Christian Gratzei. Selbst aus einer Galavorstellung wie jener gegen Wolfsberg generierte Sturm nicht genügend Sicherheit, um am Wochenende darauf nachzulegen, mutig aufzutreten und aggressiv dagegenzuhalten. Freilich war der Gegner auch ein ganz anderer. „Wir sind am fünften Spieltag einfach nicht so weit, so eine gute Mannschaft zu schlagen“, musste Hyballa zugeben.

FRAGILES SYSTEM:

Vor dem Saisonstart sprach Hyballa noch vollmundig davon, dass man im Fußball wenig Zeit habe, um ein neues System zu implementieren. In einem ersten Zwischenfazit lässt sich feststellen, dass seine gewünschte Philosophie noch gewaltigen Schwankungen unterlegen ist, einfach mehr Zeit braucht, als vermutlich von ihm selbst geplant. Funktioniert das angedachte Offensivkonzept nicht – in Hütteldorf fanden die „Blackys“ nicht eine nennenswerte Torchance vor -, ist man hinten noch immer zu anfällig. Kritik an der Nominierung der vier gelernten Stürmer Richard Sukuta-Pasu, Rubin Okotie, Imre Szabics und Darko Bodul kontert der Deutsche jedoch: „Zu sagen, vier gelernte Stürmer sind zu offensiv, ist zu einfach. Die Stürmer haben auch gute Wege nach hinten gemacht. Nimmst du zwei Stürmer für zwei Mittelfeldspieler raus, spielst du nicht automatisch defensiver.“ Eine Einschätzung, die man so stehen lassen kann. Dennoch tritt die Mannschaft in der Rückwärtsbewegung oftmals nicht geschlossen genug auf, und dabei kommen die  Defensivschwächen so mancher Offensivkräfte sehr wohl zum Tragen – gerade auswärts bei einem Top-Team: Gegen Rapid hatten abseits der Viererkette alle Mitglieder der Startelf eine – teils deutliche – negative Zweikampfbilanz. Dass es dann schwierig ist, Druck auf den Ball zu kriegen, wie Hyballa kritisierte, liegt auf der Hand.

Mit der nötigen Pfeifmirnix-Mentalität ging jedenfalls Philipp Hütter ins Spiel, der einen Tag nach seinem 22. Geburtstag als Klem-Ersatz auf der linken Abwehrseite sein Startelf-Debüt in der Bundesliga feierte und sich für seine Performance ein Extralob vom Trainer abholen durfte: „Ich fand ihn sehr präsent, mutig, offensiv hat er sich gut eingeschaltet, er hat wichtige Zweikämpfe gewonnen. Für den ersten Einsatz sehr in Ordnung.“ Bei allem Ärger über die Niederlage war es für die Defensivkraft natürlich ein Tag, der in Erinnerung bleiben wird: „Debüt in der Startelf und das gegen Rapid in Wien ist natürlich super.“ Vielleicht darf er sich demnächst in einem Heimspiel auch dem eigenen Anhang von Ankick an präsentieren. Dass er Lust auf mehr bekommen hat, verhehlt Hütter erst gar nicht: „Auf jeden Fall! Ich hoffe, dass ich nächste Woche wieder im Kader beziehungsweise in der Startelf stehe. Ich werde mich im Training reinhauen.“

ERNEUTE UNRUHE?

Nicht gerade förderlich ist das Klima abseits des Spielfelds. Bei Sturm-Neu gibt es nach wie vor zu viele Baustellen, diesbezüglich ist die sich in die Länge ziehende Suche nach einem Geschäftsführer Sport nur die Spitze des Eisbergs. Nicht weiter verwunderlich, dass ein neu aufgesetztes Projekt Zeit braucht. Die allgemeine Laune ist im Fußball zudem üblicherweise ergebnisabhängig. Nach dem Triumph gegen Wolfsberg herrschte in der Außendarstellung weitestgehend Ruhe, in der Woche davor gab es nach dem 1:3 in Mattersburg entsprechend mediales Theater bezüglich angeblicher Interviewverbote, unzufriedener Spieler oder etwaiger Animositäten zwischen Hyballa und Legende Mario Haas. Mit Patrick Wolf (leihweise zum KSV) und Stefan Stangl (Horn) wurden inzwischen zwei Reservisten an den Mann gebracht, dafür steht der 18-jährige Linksverteidiger Christoph Martschinko (Red Bull Salzburg) ante portas. Bis zum Admira-Match am kommenden Samstag könnte jedenfalls eine unruhige Woche drohen, auch wenn Gratzei die Kritiker einlädt, sich auf ihn zu konzentrieren: „Wer will, kann während der Woche zu mir kommen, denn der restlichen Mannschaft kann eh niemand etwas vorwerfen.“ Der Druck für das Kräftemessen mit der Elf von Didi Kühbauer wird jedenfalls kein geringer, wie überhaupt ein interessanter Schlagabtausch zu erwarten ist. Beide Teams verfügen über ein ähnliches Stärken-Schwächen-Profil: Mutiges Spiel nach vorne, gutes Umschaltspiel in der Offensive, defensiv verwundbar. Wenn es ein Gesetz der Serie gäbe, wäre bei Sturm nach dem bisherigen Saisonverlauf jedoch wieder ein Sieg fällig…

Peter Altmann

UNERKLÄRLICHE EIGENFEHLER:

Wenn ein Rädchen noch nicht perfekt ins andere greift, werden Fehler erstens wahrscheinlicher und zweitens natürlich umso härter bestraft – und Eigenfehler bei Gegentoren ziehen sich wie ein roter Faden durch die bisherigen Auftritte in dieser Spielzeit. Diesmal erwischte es mit Gratzei den ansonsten so sicheren Rückhalt. „Das erste Gegentor ist wahrscheinlich zu halten, über das zweite brauchen wir nicht zu diskutieren. Dann bist du 0:2 hinten, und es wird natürlich verdammt schwer“, meinte der Schlussmann zerknirscht und ging hart mit sich ins Gericht: „Mich ärgert es extrem, weil ich einfach mehr von mir selbst erwarte und einen höheren Anspruch an mich habe. Deswegen bin ich momentan eigentlich nur enttäuscht.“ Madl war es indes zu einfach, die Schuld alleine auf Gratzei zu schieben, ihn störte mehr die Entstehungsgeschichte der Gegentreffer: „Da haben wir uns ganz ungeschickt angestellt und überrumpeln lassen. Das darf einfach nicht passieren.“

EINE FRAGE DES KOPFES?

„Richtig Bock“ hatte Hyballa auf das Gastspiel bei Rapid. Nach dem Schlusspfiff musste er eingestehen: „Ich habe die Begeisterung, die ich für dieses Spiel hatte, nicht auf die Mannschaft übertragen können. Das enttäuscht mich.“ Seine Schützlinge seien „zu schlapp, einfach sehr müde und unpräsent“ aufgetreten. Möglicherweise dauert es, bis der 36-Jährige und seine Mannschaft charakterlich auf einer Wellenlänge funken. Für das Auftreten in Hütteldorf fand der ständig unter Strom stehende Übungsleiter offenkundig nicht die richtige „Steckdose“, damit seine Spieler vom Kopf her so bereit sind, wie er sich das vorstellt. Seine deutlichen Worte: „Von der mentalen Power her bin ich von fast allen enttäuscht.“ Oder: „Ich habe zu viele liebe Jungs in der Mannschaft, die erst nach dem Gegentor vielleicht mal ein bisschen aufgewacht sind.“