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"Scouting der heimischen Klubs wird unterschätzt"

Haben die österreichischen Vereine in Sachen Scouting Aufholbedarf?

Nicht, wenn es nach Nick Neururer geht. „Die Zeiten, in denen Österreich scoutingtechnisch weit hinterherhinkte, sind längst vorbei. In der Bundesliga lässt sich jeder Klub auf seine Art und Weise etwas einfallen. Das wird unterschätzt“, sagt der Spielerbeobachter bei LAOLA1.

Das Scouting-Urgestein arbeitete in seiner Karriere schon beim FC Tirol, Celtic Glasgow, RB Salzburg und Rapid. „Zur Zeit bin ich für verschiedene Klubs auf Anfrage tätig“, meint der Tiroler, der auch als Spielervermittler aktiv ist.

Als sein Spezialgebiet gilt Afrika. In diesem Jahr besuchte er schon die Afrika Cups der U17- und U20-Mannschaften. Zudem ist er ehrenamtlich in beratender Funktion bei seinem Heimatklub Wacker Innsbruck tätig.

Im Gespräch mit LAOLA1 spricht Neururer über das Scouting der Bundesliga-Klubs, den Einfluss der Spielerberater und seine Arbeit für Marcel Koller.

LAOLA1: Herr Neururer, Rapid-Chefscout Bernard Schuiteman hat im LAOLA1-Interview zuletzt gesagt, dass es hierzulande kaum strukturierte Scouting-Arbeit gibt. Haben die österreichischen Vereine in puncto Spielerbeobachtung Aufholbedarf?

Nick Neururer: Das sehe ich nicht so. Natürlich kann und soll man vieles besser machen – aber es gibt auch in Österreich sehr positive Ansätze und gute Ergebnisse im Scouting. Mit Salzburg gibt es zumindest einen Verein, der hochprofessionell scoutet. Ich war der erste Chefscout in Salzburg, habe diesen Bereich 2005 auf die Beine gestellt. Inzwischen verfügt man dort über eine Scouting-Abteilung, die internationales Top-Niveau hat. Das kann man auch an den Spielern sehen. Sadio Mane und Kevin Kampl sind nur zwei Beispiele dafür. Die Mannschaft von Liefering besteht fast durchgehend aus gescouteteten Spielern.

LAOLA1: Was waren die ersten Maßnahmen, die Sie damals als Chefscout bei Salzburg gesetzt haben?

Neururer: Über Scouting-Details spricht man eigentlich nicht. Aber ich habe meine Vorkenntnisse von Celtic eingebracht. Dadurch haben wir die ersten Schritte eingeleitet, also eine moderne Technologie installiert und ein personelles Netzwerk aufgebaut. Das ist konsequent weiterentwickelt worden.

LAOLA1: Aufgrund der finanziellen Möglichkeiten muss man Salzburg natürlich gesondert betrachten. Wie beurteilen Sie das Scouting bei anderen Vereinen wie zum Beispiel Rapid?

Neururer: Ich habe ja selbst bis vor einem Jahr für Rapid gearbeitet. Rapid verfügt seit Jahren über eine sehr gute Scouting-Abteilung, hat mit Fritz Riedmüller und Anton Herzog zwei der besten Fachmänner, die es in Österreich gibt. Die Sportchefs Ali Hörtnagl, Peter Schöttel und Helmut Schulte haben großen Wert auf professionelles Scouting gelegt, ihre Neuverpflichtungen waren erfolgreich, Rapid hat so auf dem Transfermarkt gutes Geld verdient. Mit begrenzten Mitteln wurden durch effizientes Scouting immer wieder junge Spieler geholt, die sich gut entwickelten und die schließlich auch lukrativ weitertransferiert wurden. Alle Spieler, die zuletzt von Rapid verpflichtet wurden, standen schon lange auf den grün-weißen Scouting-Listen, von Beric, Kainz oder Schobesberger bis hin zu den neuesten Verpflichtungen. Bei Rapid hat man das Scouting wirklich nicht neu erfinden müssen!

LAOLA1: Sie haben bereits angesprochen, dass in Österreich für Scouting oft das nötige Kleingeld fehlt. Fehlt vielleicht auch das Bewusstsein, dass sich Scouting langfristig bezahlt macht?

Neururer: Man weiß in Österreich bei jedem Klub, dass sich Scouting auszahlt und notwendig ist, aber natürlich muss man pragmatisch sein. Scouting ist ein relativ aufwändiger Bereich, weil hohe Spesen anfallen. Die Spielerbeobachter müssen permanent unterwegs sein. Weil bei den meisten Klubs notorisch finanzieller Notstand herrscht, sind die Möglichkeiten begrenzt und die Scouting-Budgets limitiert. Da könnte man sicher mehr investieren. Die technischen Mittel machen es möglich, dass man auch ohne hochkarätige Besetzung solide arbeiten kann.

LAOLA1: Also sehen Sie die österreichischen Vereine puncto Scouting gut aufgestellt?

Neururer: Die Zeiten, in denen Österreich scoutingtechnich weit hinterherhinkte, sind längst vorbei. In der Bundesliga lässt sich jeder Klub auf seine Art und Weise etwas einfallen. Das wird unterschätzt. Viele Leute glauben, dass es in Österreich kein Scouting gibt, aber das ist ein Irrtum. Die Verantwortlichen in Österreich haben schon registriert, wie Scouting international funktioniert. Aber es ist eine finanzielle Frage. Viele Vereine haben einfach nicht die Möglichkeiten, eine große Scouting-Abteilung auf die Beine zu stellen. Klubs wie Altach oder Ried arbeiten in ihrem Rahmen sehr gut. Stefan Reiter und seine Leute haben sich ein gutes Netzwerk aufgebaut. Sie wissen ganz genau, wo sie sich umhören müssen, um gute Spieler zu finden. Georg Zellhofer ist für Altach permanent auf der Suche nach guten Leuten, Franco Foda ist bestens vernetzt, Franz Wohlfahrt wird bei Austria sicher auch genau checken, was machbar ist. Es kommen bei uns aber auch bestimmte historisch bedingte Schwierigkeiten hinzu. Österreich hatte nie Kolonien, deswegen fehlen die Verbindungen zu außer-europäischen Ländern. Portugal hat es da leicht, Brasilien liegt quasi vor der Haustür, weil es einen regen Austausch zwischen diesen Staaten gibt. Bei uns gibt es beispielsweise kaum französischsprachige Spieler. Wir haben keine Erfahrung mit afrikanischen Sportlern und Menschen, das macht alles viel schwerer.

LAOLA1: Dafür ist Österreich aus historischer Perspektive eng mit vielen osteuropäischen Staaten verbunden. Sind das die Märkte, auf denen die Vereine gezielt nach Verstärkungen suchen sollten?

Neururer: Diese Schiene ist von Österreich schon immer gut bearbeitet worden. Man findet dort talentierte Spieler zu günstigen Konditionen. Österreich steht da den Niederlanden oder ähnlichen Ländern um nichts nach. Dorthin gibt es gute Kontakte.

LAOLA1: Auf dem Transfermarkt spielen auch Spielervermittler eine große Rolle. Wie groß ist deren Einfluss auf die Klubs?

Neururer: Das korrespondiert mit der Qualität der Scouting-Abteilung: Je schwächer das Scouting, desto mehr ist man auf Spielervermittler angewiesen. Sie ersetzen manchmal auch das Scouting. Wenn es dafür bei Klubs keine eigene Abteilung gibt, dann wird der Sportdirektor zunächst die Spielervermittler um Angebote fragen. Optimal ist das natürlich nicht, weil die Agenten auch auf ihre eigenen Interessen schauen. In Österreich sind Spielervermittlung und Scouting dicht ineinander verwoben.

LAOLA1: Sie sind als Scout derzeit auch für den ÖFB im Einsatz. Was sind Ihre Aufgaben?

Neururer: Ich bin im Beobachtungsstab von Marcel Koller. Wir schauen uns die Gruppengegner ganz genau an und arbeiten mit allen technischen Hilfsmitteln, damit die Mannschaft perfekt vorbereitet ist. Das macht sehr viel Spaß, weil Marcel Koller ein Teamchef ist, der die Hilfe von Scouts und die technischen Möglichkeiten der Spielbeobachtung mit ganzem Herzen wertschätzt. Das ganze Trainerteam befasst sich sehr genau mit den Ergebnissen.

 

Das Gespräch führte Jakob Faber