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"Das braucht man, um erfolgreich Fußball zu spielen"

Vier Punkte aus fünf Spielen. Tabellenplatz neun.

Es gab bestimmt schon einmal gemütlichere Zeiten in Wien-Favoriten.

Alexander Grünwald trägt mit Ausnahme von drei Jahren in Wiener Neustadt seit 2003 das Austria-Trikot.

Daher kann der Kärntner die aktuelle Situation der Veilchen einschätzen und mit dem immer größer werdenden Druck umgehen.

Lernen muss der 25-Jährige hingegen nach wie vor und so wie die gesamte Mannschaft die Umsetzung des neuen Spielsystems.

Im LAOLA1-Interview spricht die violette Nummer zehn über den schleppenden Saisonstart, was es heißt, ein neues System einzustudieren, den steigenden Druck und seine Entwicklung bei der Austria.

LAOLA1: Wieviel Spaß machen momentan Medien-Termine?

Alexander Grünwald: Natürlich sind die Gespräche angenehmer, wenn man in der Tabelle weiter oben steht und alles positiv abläuft. Aktuell ist es leider so, dass man praktisch jede Woche dasselbe sagt, weil wir es nicht geschafft haben, in der Tabelle nach oben zu klettern. Das muss das Ziel sein, dann werden die Fragen und die Interviews wieder angenehmer.

LAOLA1: Am Sonntag steht das 310. Wiener Derby am Programm. Bei beiden Teams läuft es nicht nach Wunsch. Kommt dieses Spiel dennoch zu richtigen Zeit. Schließlich könnte man mit einem Sieg einiges gut machen?

Grünwald: Wir hatten schon gegen Sturm ein gutes Gefühl, leider haben wir uns wieder nicht belohnt. Machen wir das 2:0, ist die Partie gegessen und die Vorbereitung wäre in dieser Woche um einiges einfacher gewesen. Ich denke dennoch, dass das Derby zur richtigen Zeit kommt. Wir können uns mit einem Sieg einen kleinen Kredit in der Öffentlichkeit und bei den Fans zurückholen.

 LAOLA1: Andererseits könnte bei einer Niederlage so richtig Feuer am Dach sein.

Grünwald: Natürlich. Es wäre nicht gut, wenn wir verlieren würden. Aber man darf an so etwas nicht denken. Ich  kann nicht ins Spiel gehen und Angst haben, dass ich es verliere. Mit einer Niederlage kann man sich nach dem Schlusspfiff befassen.

LAOLA1: Spürt ihr besonderen Druck?

Grünwald: Klar hat es schon angenehmere Situationen und Phasen, wo man nicht so viel nachdenkt, gegeben. Hätten wir schon einen Sieg am Konto wäre auch das Selbstvertrauen größer. Der Druck gehört zu einem Sportler dazu. Ich bin schon länger bei der Austria und hier hat man einfach immer Druck – egal wie die Tabellensituation aussieht. Das war auch in der Meistersaison so, weil jeder Siege erwartet hat. Man muss damit umgehen. Viele schaffen das auch sehr gut.

LAOLA1: Und wie gehst du persönlich mit dieser Belastung um. Bei der Austria werden ja nicht nur Siege sondern auch eine gewisse Spielkultur verlangt?

Grünwald: Richtig. Austria steht für einen gepflegten Fußball. Leider haben wir das in letzter Zeit nicht so zeigen können, wie wir uns das vorstellen. Es ist ein neuer Trainer mit einer neuen Philosophie gekommen. Das passt, aber es ist auch klar, dass die Umsetzung nicht von heute auf morgen geht. Es kommen auf jeden Spieler neue Mechanismen zu, die Räder müssen erst zum Greifen anfangen. Umso länger wir zusammenspielen, umso besser funktioniert es. Wichtig ist, dass jeder beim Training voll mitzieht. Das ist der Fall. Keiner lässt sich hängen, auch die Ersatzspieler nicht.  Wenn dann von außen Stimmen auftauchen, die meinen, der eine oder andere gibt nicht alles, ist das absolut falsch. Die Mannschaft gibt hundert Prozent, arbeitet super mit dem Trainer zusammen. Wir wollen alle da unten raus kommen. Uns ärgert es am meisten, das kannst du mir glauben.

LAOLA1: Du hast zuletzt gemeint, dass ihr viel schlechter dargestellt werdet, als es tatsächlich der Fall ist. Ärgern euch solche Einschätzungen, die auch oft von Leuten kommen, die nie selber Fußball gespielt haben?

Grünwald:  Das ist das Problem. Es tut schon weh, wenn man sich viel vornimmt und sich dann mit einem Remis begnügen muss. Ich weiß, wie es in der Meistersaison war. Da haben wir Spiele teilweise 1:0 gewonnen und dabei auch nicht überzeugt. Doch wenn man gewinnt, ist die Seifenblase einfach positiv. Da wir jetzt nicht gewinnen, wird alles negativ betrachtet. Aber natürlich sind wir mit dem Tabellenplatz nicht zufrieden.

LAOLA1: Aber ist dieses Schwarz-Weiß-Denken nicht typisch für Österreich?

Grünwald: Im Fußball gibt es keine Grauzone. Sobald du irgendwo bei einem Topverein bist – und Austria ist ein Topverein in Österreich – ist einfach Feuer am Dach, wenn es nicht läuft und du in der Tabelle hinten drinnen steckst.

LAOLA1: Trainer Baumgartner hat gesagt, dass es bisher gut gelungen ist, den Druck von außen von euch fernzuhalten. Ist ihm das wirklich gelungen?

Grünwald: Der Trainer versucht in Einzelgesprächen beziehungsweise Ansprachen vor der ganzen Mannschaft uns darauf einzustellen, was uns erwartet, was passieren kann. Es sind einfach viele Gespräche, die natürlich intern bleiben. Wir bekommen aber schon genug mit, aber wie schon gesagt, wenn du schlecht spielst, ist es ein negativer Druck. Bist du vorne dabei und hast ein Heimspiel gegen Neustadt, ist auch der Druck des Siegens vorhanden, weil jeder mit drei Punkten rechnet. Aber genau dafür werden wir bezahlt. Wir dürfen unser Hobby zum Beruf machen.

LAOLA1: Der Fußball macht dir also trotz allem noch sehr viel Spaß?

Grünwald: Ja klar, ich war vor nicht allzu langer Zeit noch schwer verletzt. Ich bin daher sehr dankbar am Platz stehen zu können. Daher genieße ich es ungemein, am Fußballplatz mitzuwirken. Man weiß,  wie schnelllebig das Geschäft ist und wie schnell die Karriere vorbei sein kann.

LAOLA1: Der Chefcoach hat nach der Sturm-Partie gemeint, dass er für die Ergebnisse den Kopf hinhalten muss, aber er nimmt nicht den Rucksack auf sich, der vorhanden war, als er gekommen ist. Wie sah der Inhalt des Rucksacks aus?

Grünwald: Das muss man den Trainer fragen.

LAOLA1: Wie beurteilst du bisher die Arbeit von Gerald Baumgartner?

Grünwald: Wir fühlen uns gut aufgehoben, ziehen alle an einem Strang und haben ein gemeinsames Ziel. Es ist schade, dass dieser positive Spirit noch nicht die gewünschten Ergebnisse gebracht hat, denn wir investieren viel Zeit und Engagement in das Projekt, einen erfolgreichen Fußball zu bieten.  Im Training passt es gut, im Match leider noch nicht.

LAOLA1: Dass die Trainingsleistungen gut sind, wird seit Wochen gebetsmühlenartig kommuniziert. Teilweise funktioniert es auch im Match, doch ein Gegentor bringt euch total aus dem Konzept. Wieso?

Grünwald: In Wiener Neustadt haben wir wirklich sehr lange gebraucht, um uns vom Gegentreffer zu erholen. Gegen Sturm ist es aber schon schneller gegangen, da haben wir uns recht früh wieder stabilisiert. Wer selber einmal Fußball gespielt hat, weiß, dass oft Dinge passieren, die man sich nicht erklären kann. Man macht eigentlich das Gleiche wie früher, aber es funktioniert nicht. Es muss ein Erfolgserlebnis her, dann werden auch automatisch das Selbstvertrauen und dieses Gefühl kommen, das man braucht, um erfolgreich Fußballspielen zu können. Ich bin von unserer Qualität jedenfalls überzeugt.

LAOLA1: Wie kann einem Laien erklärt werden, was es heißt, ein neues Spielsystem zu lernen. Worauf musst du als Spieler besonders achten?

Grünwald:  Es ist sicher nicht so, dass alles neu ist und wir den Fußball neu erfinden wollen.  Es sind Kleinigkeiten, Dinge, die man von klein auf gelernt und abgespeichert hat. Also müssen gewisse Automatismen unterbrochen werden und in gewissen Situation ein Umdenken von statten gehen. Daher ist es nicht einfach, jahrelange Gewohnheiten von heute auf morgen zu ändern.

LAOLA1: Kannst du ein Beispiel nennen?

Grünwald: Bei manchen Aktionen hatte man früher das Gefühl, dass man sich in den Raum fallen lässt, aber jetzt wollen wir den Gegner früh attackieren. Statt des  Rückwärtsdenkens, um auf Nummer sicher zu gehen, muss man nach vorne attackieren.

LAOLA1: In der Meistersaison hat dich Trainer Peter Stöger hin und wieder auf der Bank schmoren lassen. Im nächsten Spiel bist du förmlich explodiert. Muss man dich etwas reizen?

Grünwald: Das ist jetzt schon zwei Jahre her. Ich glaube, dass ich seither reifer geworden bin und so etwas nicht mehr brauche. Mir ab und zu einen Arschtritt zu verpassen, wird es aber immer geben (lacht). Das werde ich wohl von jedem Trainer bekommen. Aber mich auf die Bank setzen, damit ich explodiere, ist nicht mehr notwendig. Ich bin kein Junger mehr, ich weiß, auf welche Dinge es im Fußball ankommt.

LAOLA1: Hast du bei diversen Zweikämpfen oder Spielsituationen deine schwere Verletzung noch im Hinterkopf?

Grünwald: Am Anfang, als ich wieder ins Training eingestiegen, hat es mich schon noch beschäftigt. Mittlerweile behindert mich aber nichts mehr. Ich habe keine Probleme und vertraue meinem Körper zu hundert Prozent.

LAOLA1: Hat die Verletzung in irgendeiner Weise deine Einstellung zum Leben verändert?

Grünwald: Es gibt im Leben gute und schlechte Tage. Wenn ich jetzt einmal nicht gut aufgelegt bin, denke ich zurück und bin froh, dass ich gesund bin und wieder Fußballspielen kann. Man kann aus jedem negativen Lebensabschnitt etwas Positives mitnehmen. Ich gehe nun sehr professionell mit meinem Körper um, habe vor einem halben Jahr auch meine Ernährung umgestellt. Ich fühle mich so gut wie nie zuvor.

LAOLA1: Du hast Ende April bei der Austria verlängert und einen neuen Dreijahresvertrag unterschrieben. Gab es eigentlich auch noch andere Angebote?

Grünwald: Zwischenzeitlich hat es Gerüchte gegeben. Einmal war mehr, einmal weniger dran. Ich bin, seit ich 13 Jahre alt bin, mit Ausnahme von Wiener Neustadt immer bei der Austria gewesen. Ich sehe mich als echten Austrianer. Als dann das Angebot der Verlängerung kam, habe ich es angenommen. Man muss nicht ins Ausland, nur um dort zu sein. Mir ist wichtig, dass ich in Wien ein Standing habe, dass mich die Leute mögen und wertschätzen. Das war das Ausschlaggebende. Ich hätte natürlich auch das Angebot ausschlagen können. Ich bin mir sicher, dass ich sogar im Ausland untergekommen wäre – trotz meiner langen verletzungsbedingten Auszeit. Die Leute wissen ja, wie ich davor drauf war. Aber ich bin bei der Austria sehr glücklich und fühle mich sehr wohl. Ich weiß, was ich am Klub habe und umgekehrt. Deswegen war es der logische Schritt zu verlängern. Ich habe hoffentlich noch ein paar erfolgreiche Jahre vor mir. Wenn irgendwann ein gutes Auslandsangebot kommt, werde ich es mir überlegen, aber ich kann mir auch vorstellen, die nächsten sieben Jahre bei der Austria zu spielen. Ich muss nicht unbedingt weg.

 

Das Gespräch führte Martin Wechtl

LAOLA1: Wie fit muss man für dieses System sein? Ihr wirkt nach jedem Match extrem erschöpft.

Grünwald: Wir betreiben viel Aufwand, das sieht man an den gelaufenen Kilometern pro Partie. Wenn man aber nach einer Begegnung nicht ausgepowert ist, hat man nicht alles gegeben. Unsere Werte werden von Tag zu Tag besser. Wir arbeiten stetig daran. Noch sind wir nicht am Zenit. Wenn das der Fall ist, werden wir unser Spiel noch besser umsetzen können. Und dann wird alles besser. Du musst positiv denken. Es bringt nichts, wenn man nicht daran glaubt. Dann gehe ich ja automatisch mit einem negativen Gefühl in die ganze Woche. Du musst mit der Überzeugung ins Spiel gehen, dass du dieses gewinnst.

LOALA1: Die Austria kooperiert seit kurzem mit Fitnesstrainer Heinrich Bergmüller, der schon mit Hermann Maier zusammen gearbeitet hat. Wo hilft er euch besonders?

Grünwald: Jeder Österreicher kennt Hermann Maier und jeder weiß, wie erfolgreich er war. Heini Bergmüller war der Mann hinter dem „Herminator“. Er hat die ganze Trainingsstreuung gemacht. Bei uns überwacht er praktisch unsere Trainings und hat ein Ohr für die Spieler. Ich habe in den letzten Monaten aufgrund meiner Verletzung sehr viel Zeit in der Kraftkammer verbracht und hole mir Tipps über die Dosierung und spezielle Übungen. Er hilft also bei der Optimierung des körperlichen Zustands. Heini ist aber kein Zauberer. Es ist nicht so, dass er einmal schnippt und plötzlich kann jeder 20 Kilometer im Sprint laufen.

LAOLA1: Im neuen System wird von dir neben spielerischer Akzente auch eine aktive Beteiligung am Gegenpressing verlangt. Eine große Umstellung?

Grünwald: Ja, es sind eben die angesprochenen Automatismen, die man jetzt umstellen muss. Wenn ich bei Ballverlust der näheste Mann beim Gegenspieler bin, muss ich gleich draufgehen. Das zu verinnerlichen geht nicht von heute auf morgen. In punkto Kreativität geht es bei mir auch noch besser. Es ist einfach eine Umstellung. Die Erwartungshaltung ist da, weil ich vor meiner Verletzung gut gespielt habe. Ich bin überzeugt, dass ich bald wieder dort hinkomme, aber man braucht ein bisschen Geduld.

LAOLA1: Warst du vor deinem Kreuzbandriss vor knapp einem Jahr am Höhepunkt?

Grünwald:  Nein, es wäre noch mehr gegangen (lacht). Ich bin von meiner Entwicklung ein bisschen ein Spätstarter. Es hat länger gedauert, bis ich ein richtiger Mann geworden bin. Es ist körperlich noch immer einiges zum Rausholen. Wenn mir das gelingt, werde ich auch spielerisch noch um ein, zwei Klassen besser werden. Es gehört viel Arbeit und Disziplin dazu, Talent alleine reicht nicht. Das habe ich in gewissen Phasen auch gelernt. Daher weiß ich, dass man viel investieren muss. Ich bin auch mit meinen letzten Spielen nicht so zufrieden gewesen, aber froh, dass mir der Trainer die Spielzeit gibt, um wieder der Alte zu werden.