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"Das ist Red Bull nicht würdig"

Es ist nicht so, dass die aktuelle Situation spurlos an den Protagonisten vorbeigehen würde.

Martin Hinteregger stapfte nach dem 2:2 gegen die Admira in einer Mischung aus Wut und Enttäuschung in die Kabine, gab keine Interviews, wollte mit niemanden so richtig reden.

Paulo Miranda saß am Mittwoch im Swedbank Stadion zu Malmö tieftraurig in der Kabine.

„Das ist ein gestandener Mann, der vor nichts Angst hat. So einen Fehler hat er auch noch nie gemacht und er hat sich nicht nur bei der Mannschaft entschuldigt, er hat richtig geweint.“

Der Saisonstart nagt an allen

Trainer Peter Zeidler sagte, er müsste die Geschichte eigentlich nicht erzählen, tut es aber, um zu zeigen, dass ihnen dieser Fehlstart bei Red Bull nicht einfach egal ist. Er nagt an allen.

Auch an Christoph Freund, der die letzten Minuten der Partie gegen die Admira am Eingang der Spielerkabinen verfolgte. Ruhig stehen war dabei nicht. Es ertönte der Pfiff, wieder kein Sieg.

„So in die Saison zu starten ist Red Bull Salzburg nicht würdig“, sagt Freund bei LAOLA1.

Drei Spiele, ein Punkt – so schlecht startete ein Meister zuletzt 1997, als Austria Salzburg erst in Runde vier den ersten Sieg holte. Red Bull gastiert am Dienstag (18:30 Uhr) bei der SV Ried.

Vorab geht LAOLA1 den vier wichtigsten Fragen dieser meisterlichen Krise auf den Grund.

Cican Stankovic mit den sinnbildlichen Fehlern in der Krise

Ist Salzburg wirklich so schlecht?

Nein. Nachdem Umbruch im Sommer musste damit gerechnet werden, dass es Zeit brauchen würde. Doch dieser Start war freilich nicht geplant. „Es ist eine herbe Enttäuschung, wie wir in die Saison gestartet sind. Damit haben wir überhaupt nicht gerechnet. Wir haben ganz klar betont, wir haben unsere Ziele, auch wenn das in der Öffentlichkeit anders dargestellt wurde“, sagt Freund. Der dritte Titel in Folge soll her, nun haben die „Bullen“ nach nur drei Runden acht Punkte Rückstand auf Tabellenführer Rapid. Und das wegen eklatanter individueller Fehler. Beim Start in Mattersburg war es Miranda, beim 2:2 in der Südstadt beide Male Goalie Cican Stankovic. Die Fehlerquelle ist viel zu hoch, das kann sich ein Meister nicht leisten. „Wir gehen hier 1:0 in Führung und geben dann das Spiel leichtfertig aus der Hand, das ist ein Wahnsinn. Diese Fehler gehören schnellstens abgestellt, wir müssen als Team zusammenhalten. Es geht nur gemeinsam“, fordert Freund. Zudem hat das Spiel mit und gegen den Ball weiter noch viel Luft nach oben. Dafür tritt die Mannschaft noch zu wenig als solche auf. Kein Wunder, sind doch auch ganz viele neue, junge Spieler an Bord. Mitunter sprechen die Kaderspieler fünf verschiedene Sprachen. Die Philosophie ist für manche teilweise neu. Das alles braucht Zeit, die Red Bull in der Öffentlichkeit traditionell nicht hat. „Aber es ist eine geile Mannschaft, die kommen wird“, sagte zuletzt Oliver Lederer. Damit wird der Admira-Trainer Recht haben. Die Frage ist nur, wie lange wird es dauern, bis sie das umsetzt, was sie imstande zu leisten ist. „Wir schenken Punkte her, wir schenken Spiele her und die werden weniger“, so Freund. Zeidler sprach vor der Saison von einem neuen Zyklus. Also ähnlich wie zu Beginn der Ära Schmidt. Auch damals brauchte es seine Zeit, dann gewannen die „Bullen“ aber im letzten Viertel acht von neun Partien.  

 

Sportchef Christoph Freund, Ralf Ragnick, GM Jochen Sauer

Was hat Ralf Rangnick damit zu tun?

Immer wieder rückt der ehemalige Sportdirektor ins Visier. Nicht nur Fans machen ihn dafür verantwortlich, das in Salzburg zurückgelassen zu haben, was in den ersten Wochen der Saison zu sehen war. Wie sehen die Fakten aus? Als Leipzig-Trainer hat Rangnick fünf ehemalige Salzburger aus der Vorsaison in seinen Reihen. Stefan Ilsanker, Peter Gulacsi, Marcel Sabitzer, Massimo Bruno und Nils Quaschner. Letzterer hätte schon im Winter wechseln sollen und Vorletzterer war vergangene Saison alles andere als ein Leistungsträger in Salzburg. Sabitzer war von Leipzig geliehen, durfte von Rapid nur ins Ausland wechseln. Die Leihe hatte immer einen schalen Beigeschmack, nun musste er zurück. Das ist legitim. Ilsanker und Gulacsi wollten den nächsten Schritt machen, auch das ist legitim. Nicht jeden Spieler kann man halten. Leipzig bringt natürlich eine emotionale Komponente mit und Salzburg-Fans wollen sich zurecht nicht in zweiter Reihe sehen. Vor allem, wenn es um einen Zweitligisten als "Rivalen" geht. Doch diese sportliche Krise hat auch nur wenig mit Leipzig zu tun. Vor einem Jahr wurden die Stars gehalten und man schaffte es auch nicht in die Champions League. „Wir sind überzeugt, dass wir einen richtig starken Kader haben, bringen das derzeit nicht auf das Feld“, sagt Freund und gibt ob des Malmö-Debakels nicht zu Unrecht zu bedenken. „Wir haben im Juni nicht gedacht, dass wir mit Atanga, Oberlin und Pires in Malmö starten, sondern mit Soriano, Damari, Nielsen. Es ist keine Ausrede, aber es ist Fakt. Dennoch müssen wir es schaffen.“ Ob der Stärke des Gegners ist dies richtig, zumal eklatantes Abwehrverhalten zu diesem 0:3 geführt. Auch Rangnicks installierte Philosophie? Hinten reinstellen ist nicht Salzburgs Sache, gut. Aber auch wenn sich Salzburg (zurecht) nicht verstellen soll, muss es doch möglich sein, sich ausnahmsweise so zu adaptieren, um einmal die ersten 20 Minuten zu überstehen...

 

"Oh Jonny!"

Was hat es mit der internen Kritik auf sich?

Nun auch Jonatan Soriano. Nach Alexander Walke („Das war Kinderfußball“), Martin Hinteregger („Das war Schülerliga-Niveau“), Valentino Lazaro (#männermüssenher) legte auch der sonst so zurückhaltenden Kapitän mit interner Kritik nach. Auf „instagram“ postete der verletzte Spanier nach dem 2:2 bei der Admira ein Bild eines Miniknaben-Spiels mit dem Endstand. Dürfen die Aussagen von Hinteregger und Lazaro noch der Kategorie „pure Enttäuschung“ nach dem Malmö-Spiel zugeordnet werden, kommt Sorianos Posting überraschend. Vielleicht wollte der 29-Jährige aber einfach auf den Zug aufspringen, nachdem er schon im Frühjahr nach dem Aus gegen Villarreal auf mehr Erfahrung im Kader pochte. Nun ist das Posting gelöscht. „Natürlich war es pure Enttäuschung, aber es hilft uns auch nicht weiter“, hält Freund zur internen Kritik fest. Da wusste er noch nichts vom Soriano-Post. Der Spanier wird auch enttäuscht werden, es kommen keine neuen Spieler. „Es wird sich nicht mehr Großartiges ändern. Es liegt auch nicht daran, dass wir kadertechnisch zu schlecht aufgestellt sind. In diese Richtung wird nicht mehr viel passieren.“ Zeidler spricht von „Neuen“: „Christian Schwegler, Jonatan Soriano, Havard Nielsen, Reinhold Yabo, Valentino Lazaro werden zurückkommen.“ Sicher nicht die schlechtesten Neuzugänge.

 

Wenig überraschend kam das Forte-Gerücht auf

Wie steht es um Peter Zeidler und was ist an Uli Forte dran?

Apropos Peter Zeidler. Wer solch einen Fehlstart hinstellt, wird natürlich von der Öffentlichkeit schnell in Frage gestellt. Der Deutsche könne nur Jugendliche trainieren, heißt der mehrheitliche Vorwurf. Salzburg hat gerade erst mit dem 53-Jährigen zu arbeiten begonnen und wird das auch in naher Zukunft tun. „Wir sind gerade erst gemeinsam gestartet“, hat Freund für diese Diskussion verständlicherweise wenig über. Nichtsdestoweniger kommt es wenig überraschend, dass Uli Forte von der „Blick“ schon als Nachfolger ins Gespräch gebracht wird. Der wurde vergangene Woche als YB-Trainer nach drei 1:1 in der Liga und dem CL-Quali-Aus gegen Monaco (1:3/h, 0:4/a) entlassen. Schon im Mai gab es in der „Bild“ Gerüchte, wonach er Adi Hütter in Salzburg folgen würde. Rangnick gilt als Fan. Doch Zeidler ist sein Intimus. Vorerst ist es also undenkbar, dass sich hier etwas tun könne. In Salzburg wird das Gerücht auch als Humbug bezeichnet. Doch freilich steigt der Druck mit jedem nicht gewonnenen Spiel. Auf der anderen Seite bietet sich für Salzburg schon in dieser Woche die Chance, die Krise zu beenden.

 

Bernhard Kastler