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"Anspruchshaltung wie Bayern, Etat wie St. Pauli"

„Moin Moin, sagt man in Hamburg. Hier sagt man Servus, Grüß Gott. Ich habe auch kein Problem damit.“ Helmut Schulte hat schon bei seiner Vorstellung frischen Wind gebracht.

Gemeinsam mit Präsident Rudolf Edlinger und Trainer Peter Schöttel stellte sich die Überraschungs-Wahl als neuer Rapid-Sportdirektor am Donnerstagvormittag erstmals der Öffentlichkeit.

Angeschüttet hat sich der 55-jährige Deutsche nur mit dem Wasserglas, bei der Pressekonferenz selbst punktet der ehemalige St. Paulianer und Schalker mit seinen klaren Aussagen. Auch der eine oder andere flotte Spruch fehlte nicht. LAOLA1 hat dem Wortlaut des neuen starken Mannes im Wiener Westen:

Rapids Neo-Sportdirektor Helmut Schulte über…

…seine Bestellung:

Ich möchte mich als erstes beim Präsidium, beim Vorstand und beim Kuratorium zur Bestellung als Sportdirektor bei so einem traditionsreichen Klub wie Rapid bedanken. Es ist für mich eine ganz große Ehre, hier arbeiten zu dürfen. Bei einem Klub, der so viel Herz, so viel Tradition und auch so viele Erfolge vorzuweisen hat. Und der auch von so vielen sensationellen Spielern geprägt wurde, wie Franz „Bimbo“ Binder – schöner Spitzname finde ich (lacht) – Gerhard Hanappi, Ernst Happel, Hans Krankl, Andreas Herzog und natürlich nicht zu vergessen auch Peter Schöttel. Der hat ja eine Liebe, eine Vereinstreue gezeigt, die sensationell ist. Bei so einem Verein zu arbeiten, ist wirklich toll. Ich kann mir vorstellen, als der eine oder andere meinen Namen gehört hat, sich gedacht hat: Ach, du Schreck! Jetzt noch so ein deutscher Piefke, ein Besserwisser. Aber ich kann Sie ein bisschen beruhigen, mein Vorbild als Deutscher in Österreich ist Steffen Hofmann. Mit einer kleinen Ausnahme: Ich werde mir voraussichtlich keine Wienerin als Frau zulegen, denn ich bin schon sehr glücklich verheiratet. Ansonsten finde ich es gut, wie Steffen als Deutscher hier Boden gefunden hat. Ich freue mich auch auf die Zusammenarbeit mit ihm. Wenn Sie jetzt von mir wissen wollen, was ich von Rapid weiß – ich habe in der Nacht schon mal angefangen die 1000 Seiten der Chronik auswendig zu lernen (lacht) – es ist ganz einfach: Anspruchshaltung wie Bayern München, Tradition und Leidenschaft wie Schalke 04, dabei ein Etat wie St. Pauli. Das ist für mich Rapid (lächelt). Wer einmal 0:3 in einem Endspiel hinten gelegen hat und dann noch gegen Schalke 4:3 gewinnt – das muss einfach ein guter Klub sein. Das habe ich mir gedacht. Deswegen fiel die Entscheidung ziemlich leicht. Was werde ich jetzt machen? Zuschauen, zuhören, Entscheidungen treffen. Genau in dieser Reihenfolge. Ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit den Menschen, die ich hier schon kennengelernt habe, vor allem mit Peter Schöttel, aber auch mit Carsten Jancker, den ich als Spieler schon geschätzt habe, weil er aus seinem Potenzial sehr viel gemacht hat. Natürlich auch mit dem Präsidenten Rudolf Edlinger. Der gibt mir auch ein wenig Heimatgefühl: Meine letzten beiden Chefs, bei Schalke Rudi Assauer und beim FC St. Pauli Corny Littmann, waren beide Raucher und alle drei zeichnet aus, dass sie rauchen, wo sie wollen. Egal ob es verboten ist oder nicht. Also das bin ich gewohnt, voll eingenebelt zu werden, wenn ich mit meinen Chefs zusammen bin (lächelt). Ich freue mich auch auf die Zusammenarbeit mit General Manager Werner Kuhn, Stefan Ebner und auch mit Ihnen Journalisten. Da habe ich gar keine Berührungsängste, auch nicht mit Beratern. Ich weiß, es gibt in jedem Bereich wie auch bei Sportdirektoren gute, mittelgute und schlechte. Das ist immer eine Frage des Standpunktes. Ich freue mich aber auch auf die Zusammenarbeit mit den Fans, mit allen Zuschauern und Sympathisanten. Das ist prozentual gesehen ja ähnlich wie St. Pauli in Deutschland hat. Das passt einigermaßen zusammen. Meine Prämisse ist ganz einfach: Wenn es dem Klub gut geht, geht es allen gut. Wenn es dem Klub schlecht geht, geht es uns allen schlecht. Ich persönlich werde alles dafür tun, dass es dem Klub SK Rapid gut geht.

…den ersten Kontakt mit Rapid

Ich habe einen Anruf von Stefan Ebner bekommen und wurde gefragt, ob ich Interesse hätte zu einem Gespräch nach Wien zu kommen. Das habe ich gerne gemacht und ein bisschen etwas vor der Untersuchungskommission erzählt (lacht).

…den Zeitpunkt, dass Österreich für ihn interessant sein könnte

Das war der Punkt, als ich zum ersten Mal gefragt worden bin. Ob ich eben Lust hätte zu einem Gespräch nach Wien zu kommen. Hätte ich mir das nicht vorstellen können, hätte ich es gelassen. Wie ich mich dazu entschieden habe, zu kommen, mir das anzuschauen, darüber zu reden und zu schauen, ob das eine sinnvolle Zusammenarbeit werden könnte, das ist ja gar nicht so lange her. Es musste auch ruckzuck gehen. Ich habe die Leute kennengelernt, hatte ein gutes Gespräch von einer knappen Stunde und dann habe ich losgelassen und auf die Entscheidung gewartet. Nicht bibbernd, sondern freudig erregt. Ich hätte mit beiden Szenarien weitergelebt, das kann ich Ihnen sagen. So ist es gekommen, dass ich nun große Freude für eine neue Aufgabe habe, etwas Neues kennenzulernen. Ich freue mich auf den Klub, auf Wien, auf den österreichischen Fußball. Ich habe immer wieder etwas ganz Neues gemacht, mich oft ins kalte Wasser geschmissen, musste dann schwimmen und Dinge zügig neu lernen. Das ist eine schöne Herausforderung.

…seine Philosophie

Ich bin ein großer Freund von Kontinuität. Wenn ich Misserfolg haben will, dann muss man nur oft genug das Personal ändern. Dann klappt das ganz toll. Weil wir aber das Gegenteil machen wollen, tun wir das auch. Hier sind Menschen am Werk, die schon ganz lange für den Verein arbeiten. Das war auch immer schon mein Konzept: Erst das Potenzial im eigenen Klub nutzen, wenn man sich da nicht so richtig findet, dann muss man sich etwas breiter aufstellen. Ich denke, dass das auch hier das Konzept sein kann. Ich bin kein Freund vieler Transfers, überhaupt nicht. Das Gegenteil ist der Fall.

…Möglichkeit einer Philosophie-Änderung, weg vom oft titulierten „Sparverein“ Rapid

Wir werden ab sofort eine Philosophie-Änderung machen und Geld ausgeben, was wir nicht haben. Das ist doch geil, oder? (lacht). Nein, das werden wir natürlich nicht machen. Wir geben nur das aus, was wir haben. Es gibt hier kompetente Leute, die schauen, dass viel Geld eingenommen wird. Bei St. Pauli war es so: Wir haben nicht alles vermarktet, was nicht schnell genug auf die Beine kam. Zum Beispiel den Stadionnamen. Das hat natürlich zu Mindereinnahmen geführt. Aber wenn man sagt, das ist unsere Philosophie, dann muss man auch damit leben, dass man zwei Millionen weniger hat. Dann dürfen die Ansprüche aber nicht ins Universum steigen. Immer was man will und was man kann - aus diesen Möglichkeiten das Beste machen. Ich bin aber auch kein Traumtänzer, ich weiß, dass man im Fußball ganz oft mit unrealistischen Zielsetzungen losgeschickt wird. Wenn man das zulässt, wird man sehr viel Frustration produzieren. Wenn man vor der Saison unrealistische Zielsetzungen hat und die nicht erreichen kann, weil man einfach nicht die Mittel dazu hat, dann ist das ziemlich blöd. Das sollte man nicht machen. Ich weiß, was der Anspruch von Rapid ist, oben von der Tabelle zu grüßen. Klar. Das werden wir versuchen und dafür arbeiten, es hinzukriegen. Das ist nichts Neues. Aber wir werden die Zukunft des Klubs nicht gefährden, denn das ist es, wenn man Schulden macht. Dafür gibt es in Österreich zig Beispiele. Das ist keine Philosophie, die ich gut finde.

…Zufall oder nicht, dass er immer wieder bei Traditionsklubs landet

Das ist absolut kein Zufall. Ich arbeite lieber bei einem Verein, wo Fußball gelebt wird und zu Hause ist. Wo viele Menschen ins Stadion kommen. Das Wort Leidenschaft kennen sie. Wenn man sich das Wort genauer ansieht, das kann auch Leiden schaffen. Aber das ist das Leben und da bin ich auch zu Hause. Ich war aber auch nicht immer in der Situation, wo ich mir aus 35 Angeboten den geilsten Traditionsklub aussuchen konnte. Das war nicht so (lacht).  Man muss auch immer schauen, was man kann und was man will.

…die nahe Zukunft hinsichtlich Personalentscheidungen

Der SK Rapid hat das auch gut bearbeitet als ich oder kein anderer Sportdirektor da war. Ich werde natürlich jetzt dabei sein, wenn die Gespräche geführt werden. Der Klub wird handlungsfähig und möglicherweise dann noch handlungsfähiger mit mir sein. So würde ich mir das vorstellen. Aber was wir demnächst tun werden, kann ich noch nicht sagen.

…Eindrücke, die er zuletzt von Rapid gewonnen hat

Ich habe drei Spiele gesehen, ich habe eine junge, talentierte Mannschaft gesehen. Ich habe auch ein paar Dinge gesehen, die nicht so funktioniert haben. Das haben Sie aber auch alle gesehen. Ich traue mir jetzt aber auch nicht zu, eine Einschätzung abzugeben. Ich habe eine gute Mannschaft gesehen, genaueres weiß aber Peter (Schöttel, Anm.) viel viel besser.

…die Möglichkeit, auf der Trainerbank zu sitzen

Das werden wir gemeinsam entscheiden, wo es für den Verein am besten ist, wo ich sitze. Ob auf der Tribüne oder auf Trainerbank.

…Stadionumbau St. Pauli und Eindrücke vom Hanappi-Stadion

Mit einem Stadionumbau ändert sich einiges. Aber wenn man ein Stadion hat, das nicht mehr den Anforderungen entspricht, dann muss man eben handeln. Das ist ja eine Investition, die für die Zukunft gemacht wird. Mehr kann ich dazu aber nicht sagen. St. Pauli hat das Schritt für Schritt gemacht, eine Tribüne nach der anderen zu machen. Das hat dort gut funktioniert, muss es aber nicht überall. Ich bin aber auch einer, der nur über das spricht, wovon er meint, eine Expertise zu haben und nicht, wo er nichts davon versteht.

 

Bernhard Kastler