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"Das ist eine indirekte Kritik an uns Spieler"

„Abstiegskandidat Nummer eins“, „Die wird’s heuer erwischen“, „Das kann nicht gut gehen“. Alles Aussagen, die vor Saisonstart im Zusammenhang mit dem SV Grödig getätigt wurden.

Der Pessimismus war nicht unberechtigt. Ein neuer Trainer, eine fast neu zusammengestellte Mannschaft und die Eindrücke eines katastrophalen Frühjahres ließen nichts Gutes erahnen.

Doch der Saisonauftakt hat die Kritiker eines Besseren belehrt. Vier Punkte nach zwei Spielen hätten den Salzburgern angesichts der Gegner Altach (h) und Sturm (a) wohl nur die Wenigsten zugetraut.

„Natürlich gefällt uns das. Es ist aber nur eine Momentaufnahme. Wir wollen weiterhin so viel punkten wie möglich, damit wir nicht nach hinten rutschen“, erklärt Kapitän Robert Strobl, der im Gespräch mit LAOLA1 eine gewisse Genugtuung nicht verheimlichen kann:

„Uns ist nicht entgangen, dass wir als Abstiegskandidat abgestempelt wurden. Klar will dann jeder Spieler beweisen, dass es nicht so ist, denn bei solchen Bemerkungen werden ja indirekt die Spieler kritisiert. Wir konnten die Kritik zum Start widerlegen, doch es heißt: Woche für Woche weiter arbeiten, denn wir werden immer 100 Prozent abrufen müssen, um zu punkten bzw. Spiele zu  gewinnen.“

Weniger zu Herzen nimmt sich der 29-Jährige die Nörgelei nach der Sturm-Partie, als Donis Avdijaj die destruktive Spielweise der Salzburger mit „Scheiße“ und „Grottenkick“ bezeichnete.

„Natürlich ist man nicht erfreut, wenn unser Fußball als Grottenkick bezeichnet wird, aber es ist für mich nicht so tragisch. Die Aussagen wurden unmittelbar nach dem Spiel getätigt. Da sind noch viele Emotionen dabei. Sturm hatte nicht den besten Start, sie haben sich mehr erwartet. Es war auch nicht unser bestes Spiel und nicht die Art und Weise, wie wir Fußballspielen wollen“, will Strobl kein böses Blut aufkommen lassen – ganz im Stile eines Führungsspielers.

Das „Grödiger Urgestein“

Der Steirer ist seit dieser Saison Kapitän und so etwas wie ein „Urgestein“. Seit 2012 hält er für den  am Rande des Untersbergs ansässigen Klub die Knochen hin – kein anderer Kaderspieler ist länger beim Verein als der Verteidiger.

Und daher kann keiner besser über die letzten Jahre und die Entwicklung – speziell über das Kommen und Gehen am Spielersektor - sprechen, als der Linksfuß.

„Wir haben nicht die Mittel, die andere Vereine haben, um gewisse Spieler, die man gerne halten würde, auch halten zu können. Aber wir schaffen es jedes Jahr, junge, hungrige Leute mit Potenzial nach Grödig zu holen. Bei uns sind einige, die noch nicht den großen Namen haben, aber gute Fußballer sind. Sie können sich bei uns weiterentwickeln.“

Damit sie, so ist die Philosophie von Klubboss Christian Haas, zu späterer Zeit verkauft werden können.

Gefahr der Klubphilosophie

Strobl kennt und respektiert die Einstellung seines Chefs, sieht darin auf Dauer aber durchaus eine Gefahr: „Für das Budget muss es das Ziel sein, Spieler zu entwickeln und zu verkaufen. Aber es ist auch klar, dass es, wenn man jedes Jahr eine Mannschaft verkauft und 15 neue Spieler holt, irgendwann nicht mehr gut gehen kann. Wenigstens wissen die Spieler, die beim Verein geblieben sind, wie es abläuft, kennen die Situation. Solange immer Leute dableiben, kann das Prinzip funktionieren.“

Überhaupt nicht funktionieren tut das Zuschauerinteresse  - und wird es wohl auch nie.

„Das ist wirklich ein leidiges Thema. Der Verein hat sein Bestmöglichstes versucht, um Zuschauer ins Stadion zu locken. Es ist aber eben nicht so leicht, denn ein paar Kilometer weiter ist Red Bull Salzburg. Viele Fans müssen sich entscheiden und gehen dann ins große Stadion nach Salzburg“, so Strobl, der sich mit dem Umstand auch längst abgefunden hat:

„Klar wäre es etwas anderes, wenn das Stadion voll wäre und man sieht, dass man die Leute begeistert. Ich bin jetzt aber die vierte Saison da und es gewohnt, dass es eben nicht so ist. Es gibt trotzdem gewisse Besucher, die ständig kommen und mit unserem kleinen Fanklub versuchen, uns nach vorne zu peitschen. Da muss man Danke sagen.“

„Wir sind ein gutes Sprungbrett“

Obwohl in Grödig die Massen ausbleiben und nicht mit der Ambition, Titel zu holen, argumentiert werden kann, nennt der ehemalige Hartberg-Akteur dennoch einen guten Grund, warum es immer wieder gelingt, Perspektivspieler an Land zu ziehen:

„Wir sind ein gutes Sprungbrett für junge Spieler. Sie können sich hier präsentieren und empfehlen. Nicht umsonst sind einige von uns bei Salzburg, Rapid, Austria und Sturm gelandet. In Grödig feiert man vielleicht keine großen Erfolge, schafft aber möglicherweise den Sprung zu einem anderen Klub, wo man dann um den Titel mitspielen kann.“

Aus sportlicher Sicht ist es natürlich unheimlich schwierig, in kurzer Zeit aus einem zusammengewürfelten Haufen eine schlagkräftige Truppe zu formen. Umso erfreuter zeigt sich das nach Roman Wallner zweitälteste Kadermitglied über die Auftritte in den ersten Runden.

„Andere Mannschaften spielen jahrelang zusammen. Da sind die Abläufe schon automatisiert. Wir haben wieder neue Spieler, wieder einen neuen Trainer. Das System wird wieder ein wenig geändert. Wir versuchen, die Vorbereitung gut zu nützen, sind in jeder Einheit konzentriert, damit wir die Vorgaben des Trainers schnell umsetzen können. Es passt logischerweise noch nicht alles, aber es ist schon etwas weitergegangen. Der gute Start erleichtert die Situation, aber wir sind noch lange nicht dort, wo wir hinwollen.“

„Das ist ihm ganz wichtig“

Neo-Coach Peter Schöttel sei es jedenfalls perfekt gelungen, seine Vorstellungen schnellstmöglich zu vermitteln.

„Er ist ein sehr ruhiger Trainer, der aber viel Ahnung und Erfahrung mitbringt. Er tut uns sehr gut“, gesteht der Captain.

Der Wiener legt vor allem größten Wert auf die Defensive. „Schöttel will aus einer gesicherten Abwehr das Spiel aufbauen. Das ist ihm ganz wichtig. Deswegen hat er zu Beginn sehr viele Gespräche mit unseren Abwehrspielern geführt. Die Laufwege wurden besprochen und durchtrainiert. Das trainieren wir eigentlich tagtäglich. Bisher funktioniert es auch recht gut“, berichtet Strobl.

Nicht mehr funktioniert hat laut Klubführung die Zusammenarbeit mit Michael Baur. Der Tiroler wurde bekanntlich im Sommer durch Schöttel ersetzt – zur allgemeinen Überraschung der Mannschaft.

„Wir sind kurz vor der Sommerpause informiert worden, dass Baur kommende Saison unser Trainer sein wird. Dann kam die Meldung von seiner Entlassung. Da die meisten im Urlaub waren, haben wir nicht wirklich etwas erfahren und in den Medien von der Bestellung von Peter Schöttel gelesen.“

„Es gibt keinen Ungustl“

Auch die angeblich zwischenmenschlichen Ungereimtheiten zwischen Baur und Haas wurden nur aus der Presse entnommen.

„Ob und was zwischen den beiden tatsächlich war, weiß ich nicht. Wir haben auch nur darüber gelesen.“

Die Stimmung innerhalb des Teams sei schon seit Jahren ausgezeichnet. „Wir versuchen immer als Einheit aufzutreten, sind eine friedliche Truppe, wo keine Ungustl dabei sind. Alle verstehen sich gut. Das probieren wir am Platz rüberzubringen“, meint Strobl abschließend.

Bisher funktioniert das gut. Weshalb Aussagen wie „Abstiegskandidat Nummer eins“, „Die wird’s heuer erwischen“, „Das kann nicht gut gehen“,  (vorerst) verstummt sind.

 

Martin Wechtl