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"Wenn ich als Austria-Trainer überlebe…"

„Ich stehe jede Woche da und erzähle dasselbe. Ich bin ein kreativer Mensch, aber ich habe echt keine Ideen mehr. Es nervt. Ich weiß nicht mehr, was ich sagen soll.“

Treffender könnte Manuel Ortlechner die aktuelle Lage bei der Wiener Austria nicht beschreiben.

Es herrscht Ratlosigkeit.

Die Veilchen sind nach dem 2:2 im Wiener Derby gegen Rapid (Nachbericht) als einziges Team der Bundesliga nach sechs Runden noch sieglos.

Der Frust steigt.

„Nach dem 2:1 haben wir alle daran geglaubt, dass es heute mit dem ersten Sieg klappen wird. Doch wir schenken die Partie kurz vor Schluss durch ein Scheiß-Tor her. Es ist extrem zach, extrem scheiße. Wir müssen uns jeder Woche rechtfertigen. Mit einem Sieg würde die Leichtigkeit zurückkommen. Man sieht einfach in gewissen Situationen, dass die Verkrampfung da ist“, ärgert sich Markus Suttner.

"Müssen cleverer spielen"

Selbst das Rekord-Derby-Tor von Alexander Gorgon nach 16 Sekunden und eine starke Anfangsphase konnten die über mehrere Wochen aufgestaute Verunsicherung nicht lösen, denn nach etwa 20 Minuten endete plötzlich das Pressing der Violetten.

Warum eigentlich?

„Weil wir zu Beginn immer sehr viel investieren. Es ist momentan noch nicht möglich, das länger durchzuziehen. Aber dann müssen wir cleverer spielen. Das können wir machen. Man muss den Ball besser in den eigenen Reihen halten und nicht leichtfertig verlieren. Oder sich vorne einmal festsetzen, das ist auch hilfreich. Die guten Mannschaften schalten einen Gang hoch und einen Gang runter – je nach Spielverlauf. Sprich: Nicht sinnlos viel investieren. Es fehlen einfach ein paar Kleinigkeiten und das ärgert mich am meisten“, erklärt Ortlechner.

"Was soll man noch machen?"

Marco Meilinger ergänzt: „Das ganze Konzept braucht ein bisschen Zeit. Es funktioniert eben nicht immer. Einmal attackiert der eine, aber der andere nicht. Es muss das Vertrauen da sein, dass jeder attackiert. Wenn das nur einer macht, schaut es so aus, als würden wir nicht ins Spiel kommen. Ich möchte jetzt keine Namen nennen, aber bei anderen Mannschaften hat die Umsetzung auch zwei Jahre gedauert, bis das System perfektioniert wurde“, so der Ex-Salzburger, dem aber bewusst ist, dass es Woche für Woche schwieriger wird, im Kopf frisch zu sein.

„Man weiß einfach nicht, was man noch machen soll. Wir führen gegen Wr. Neustadt, gegen Sturm und sogar zwei Mal gegen Rapid und kassieren immer den Ausgleich. Es wird mühsam für den Kopf, denn egal was wir uns vornehmen, egal wie wir auftreten, am Ende steht das Unentschieden. Es gelingt uns einfach nicht, ein Spiel zu gewinnen – obwohl wir im Derby sogar bis zur 85. Minute geführt haben. Schön langsam weiß ich auch nicht mehr, woran es liegt. Es ist mühsam. Es gibt jeder Vollgas, aber wir belohnen uns nicht.“

Ruhe bewahren

Gorgon verweist ebenfalls auf die mittlerweile mentalen Schwierigkeiten. „Wir sind in einer Phase, wo wir sehr viele Dinge verkrampft lösen. Wir spielen zum Beispiel manche Aktionen, wo viel Platz ist, schlecht zu Ende. Es fehlt ein kühler Kopf. Wir sind bei weitem noch nicht dort, wo wir uns gerne sehen würden. Mit einem Derbysieg hätten wir Ruhe in den Verein bringen und alle vorerst einmal zufriedenstellen können. Es wäre ein doppelter Erfolg gewesen.“

Doch statt Druck abzubauen, steigt dieser – wieder einmal. Erneut lautet das Motto für die kommenden Tage: Ruhe bewahren.

„Wir dürfen die Köpfe nicht hängen lassen. Am nächsten Samstag werden wir wieder probieren, zu gewinnen. Irgendwann muss das Glück zurückkommen, denn ich kann und will mir nicht vorstellen, dass es so weitergeht. Wir waren in vier der letzten fünf Spielen die bessere Mannschaft. Hätten wir gewonnen, hätte niemand sagen können, dass es unverdient gewesen wäre“, meint Meilinger.

Geduld ist weiterhin gefragt

Gorgon appelliert an alle, geduldig zu sein. „Es bleibt uns nichts anderes übrig, als nach vorne zu schauen. Wir müssen geduldig bleiben. Die Fans müssen geduldig bleiben. Ich bin zuversichtlich, dass wir aus dem Loch kommen.“

In der Geduld liegt aber auch die größte Herausforderung. „Nach so einem Saisonstart fällt es unheimlich schwer, geduldig zu bleiben, weil wir seit drei, vier Wochen das Ganze durchkauen. Immer wieder heißt es: Aber heute, aber heute… Es ist ein schmaler Grat zwischen Lockerlassen und Verkrampfen“, verrät der 25-Jährige, der seine Mitspieler unmissverständlich in die Pflicht nimmt:

„Es muss einfach jeder verstehen, dass momentan ein Tor nicht reicht. Vielleicht haben wir uns früher mit einem 1:0 über die Zeit gerettet, aber jetzt wird jeder Fehler gnadenlos vom Gegner ausgenutzt. Daher müssen wir auf das zweite Tor spielen. Es sind schwere Zeiten. Ich bin und muss aber zuversichtlich sein. Ich möchte, dass wir uns endlich belohnen.“
Austria Rapid
Ballbesitz 52,5 % 47,5 %
Zweikämpfe 52,5 % 47,5 %
Eckbälle 7 7
Torschüsse 18 15
Torschüsse außerhalb Strafraum 8 6
Torschüsse innerhalb Strafraum 10 9
Kopfballchancen 2 3
Abseits 2 2
Fouls 23 15

„Wenn ich als Austria-Trainer überlebe…“

Dass es in Wien-Favoriten kriselt, werden neutrale Beobachter beim Blick auf die Tabelle erahnen können. Von einer Krise im klassischen Sinn will Ortlechner dennoch nichts wissen:

„Von außen heißt es immer, wir haben eine Krise. Wenn das der Fall wäre, würden wir viel schlechter auftreten. Wir haben eine Ergebnis-Krise, aber die Leistungen sind nicht so schlecht.“

Was fehlt ist einfach ein Sieg. "Nach einer gewissen Zeit - sollte ich diese als Austria-Trainer überleben - wird das funktionieren. Ich bin zu 100 Prozent sicher, dass wir auf Kurs kommen“, so Coach Gerald Baumgartner abschließend.


Martin Wechtl / Harald Prantl / Alexander Karper