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"Meine große Stärke war immer der Ehrgeiz"

Spieler kommen, Spieler gehen. Probleme bleiben.

Der SK Sturm Graz und die Außenverteidiger. Diese Beziehung stand in den vergangenen Jahren stets unter dem Motto: Viel suchen, wenig finden.

Seit dem Beginn der zweiten Amtszeit von Franco Foda im Jahr 2006 nahmen die Schwarz-Weißen nicht weniger als 15 Verteidiger für die Außenbahnen unter Vertrag.

Langfristige Lösungen waren dabei die Ausnahme. Vielmehr gab man routinierten, ablösefreien Spielern eine Chance.

Diese waren bestimmt keine Belastung für die Gehaltsliste, konnten aber kaum überzeugen und wurden dementsprechend schnell wieder verabschiedet.

So fehlten nicht nur des Öfteren benötigte Alternativen, auch der Konkurrenzkampf - gerade auf der linken Abwehrseite - war praktisch nicht vorhanden.


Diese Außenverteidiger nahm Sturm seit Sommer 2006 unter Vertrag:

* verpflichtet unter Trainer Darko Milanic

 

Im sich zu Ende neigenden Transfersommer hat sich Sturm dieses Problems mit Hinblick auf etwas mehr Nachhaltigkeit gewidmet.

Marvin Potzmann (21) vom SV Grödig und Charalampos Lykogiannis (21) von Olympiakos Piräus sind Spieler mit Perspektive und wurden langfristig an den Verein gebunden.

Allerdings sorgen Verletzungen derzeit dafür, dass die Außenverteidiger weiterhin ein viel diskutiertes Thema in Graz bleiben. Der etatmäßige Linksverteidiger Christian Klem zog sich in Runde zwei gegen Grödig einen Muskelfaserriss zu. Mittlerweile steht er wieder im Mannschaftstraining.

Licht und Schatten

Sein Ersatzmann Lykogiannis erlitt nach ansprechenden 45 Minuten bei Rubin Kazan einen Muskelbündelriss der Adduktoren im linken Oberschenkel und muss noch ein individuelles Programm abspulen. Und Naim Sharifi steht zwar offiziell noch bei Sturm unter Vertrag, spielt aber bei Fodas Überlegungen keine Rolle.

Somit war der Sturm-Coach bisher zu ungewollten Umstellungen gezwungen. Potzmann, eigentlich rechts zuhause, war in den letzten drei Ligapartien auf der linken Seite gefragt.

Gleichzeitig ist auf der rechten Seite Martin Ehrenreich die einzig verbliebene Alternative. Der 32-Jährige ist der routinierteste aller Außenverteidiger des SK Sturm, war mit sich selbst und seiner Mannschaft aber schon viel zufriedener.

"Bis vor dem Spiel in Ried hätte ich gesagt, dass unser Start ganz okay war. Speziell in der ersten Halbzeit war das aber sicher nicht das Gelbe vom Ei", meint der Leobener im Gespräch mit LAOLA1.

Mit seinen eigenen Vorstellungen geht er hart ins Gericht: "Ich bin ein sehr selbstkritischer Mensch und würde meine Leistungen als durchwachsen bezeichnen. Licht und Schatten haben sich abgewechselt. Es gibt auf jeden Fall sehr viel Verbesserungspotenzial."

"Das tut weh"

Gerade das Heimspiel in der Europa-League-Qualifikation gegen Rubin Kazan (2:3), bei dem Ehrenreich entscheidend an Gegentoren beteiligt war, scheint Spuren hinterlassen zu haben. "Das Spiel geht als schwärzester Tag meiner Karriere in die Geschichte ein", fällt es ihm nach wie vor schwer, über dieses Spiel zu sprechen.

Spieler Verein davor Einsätze Verein danach
Fabian Lamotte (GER) 1860 München 109 (2007-2010) Vereinslos
Mark Prettenthaler (AUT) Kapfenberg 67 (06-08/09-10) LASK
Ronald Gercaliu (AUT) RB Salzburg (Leihe) 66 (2004-2006) RB Salzburg
Giorgi Shashiashvili (GEO) Chornomorets 72 (2007-2009) Ergotelis
Ilia Kandelaki (GEO) Carl Zeiss Jena 82 (2008-2010) Inter Baku
Christian Prawda (AUT) Austria Kärnten 13 (2010) Austria Klagenfurt
Martin Ehrenreich (AUT) FC Gratkorn 144 (seit 2009) Vertrag bis 2017
Joachim Standfest (AUT) Austria Wien 76 (2010-2012) Kapfenberg
Timo Perthel (GER) W. Bremen (Leihe) 22 (2010-11) W. Bremen
Giorgi Popkhadze (GEO) FC Zestafoni 33 (2011-2012) FK Baku
Aleksandar Todorovski (MKD)* Pol. Warschau 35 (2013-2015) Zaglebie Lubin
Naim Sharifi (RUS)* Kapfenberg 4 (seit 2014) Vertrag bis 2016
Igor Oshchypko (UKR) Vereinslos 3 (2015) Zaria Balti
Marvin Potzmann (AUT) Grödig 7 (seit 2015) Vertrag bis 2017
Charalampos Lykogiannis (GRE) Olympiakos Piräus 1 (seit 2015) Vertrag bis 2017

Erst nach dem Seitenwechsel hatte Sturm Gelegenheiten, kassierte aber das entscheidende Gegentor, das noch dazu nicht hätte zählen dürfen.

Ehrenreich war zumeist mit Defensivarbeit beschäftigt (siehe Heatmap links - alle Heatmaps aus Runde 6 HIER) und kaum in der gegnerischen Hälfte zu finden. Er versuche zwar selbst immer wieder, seinen Offensivdrang auszuleben, die Vorgaben von Trainer Foda sind diesbezüglich aber relativ klar.

Fodas Vorgaben für die Außenverteidigung

"Er fordert, dass wir uns in die Offensive einschalten sollen. Aber alles nur aus einer gesicherten Defensive heraus. Es darf dadurch keine Unordnung entstehen. Alles muss Hand und Fuß haben. Diesbezüglich gibt es genaue Vorgaben vom Trainer, die wir versuchen bestmöglich einzuhalten", erklärt Ehrenreich.

Die Defensivarbeit hat unter Foda Priorität. Vielleicht auch ein Grund für die Verpflichtung des einen oder anderen Legionärs in der Vergangenheit, der zwar in der Abwehr mehr oder weniger solide Arbeit ablieferte, von dem in der Vorwärtsbewegung aber nicht so viel gefordert wurde.

Die Offensivakzente sollen vornehmlich andere setzen. In Ried waren die Versuche ebenso wenig von Erfolg gekrönt wie nach der 2:0-Führung gegen Rapid, die man letztlich noch aus der Hand gab.

"Da fehlt uns bei den Gegenstößen einfach die Entschlossenheit vor dem Tor. Das war zuletzt das Hauptmanko. Die Ordnung stimmt grundsätzlich, die meisten Gegentore sind durch individuelle Fehler passiert. Die gilt es abzustellen, gleichzeitig müssen wir in der Offensive entschlossener sein. So hat es auch der Trainer angesprochen. Da brauchen wir den Killerinstinkt, den wir schon gezeigt haben", gibt Ehrenreich die Marschrichtung für das Spiel gegen den Meister vor.

Gegen die Bullen hat Sturm zuhause seit Oktober 2011 (2:1) nicht mehr gewonnen, gleichzeitig warten die Grazer auch noch auf den ersten Saisonsieg in der UPC-Arena.

"Salzburg ist schon länger fällig", merkt Ehrenreich an. Er glaubt nicht an einen physisch angeschlagenen Gegner: "Wenn es ein Problem gibt, dann vielleicht auf der mentalen Ebene."

 

Andreas Terler

Trotz seiner Routine waren die Tage danach alles andere als einfach:

"Auch das Rückspiel in Kazan hat weh getan. Man sitzt im Flieger und sieht, wie viele Fans da mitgeflogen sind. Dann unterhält man sich mit ihnen und bekommt vor Augen geführt, dass sie einen enormen Zeitaufwand und große finanzielle Kosten auf sich nehmen, damit sie das Spiel miterleben können. Teilweise sind Leute dabei, die gleich am nächsten Tag wieder arbeiten müssen. Wenn man dann mit individuellen Fehlern so direkt involviert ist, tut das weh. Es ist sicher nichts, was man von heute auf morgen vergessen kann. Ich kann es zumindest nicht."

Solange Klem und Lykogiannis nicht einsatzfähig sind, hat Ehrenreich die Chance, sich weiterhin zu beweisen. Erst im Mai wurde sein Vertrag bis 2017 verlängert. Das weiß er zu schätzen.

"Es war ein super Zeichen vom Verein. Meine große Stärke war immer der Ehrgeiz, das ist auch mit 32 Jahren so. Ich will weiter jedes Spiel spielen. Der Kader ist gut, der Konkurrenzkampf lebt. Da geht es Woche für Woche um die Plätze und das steigert das Niveau", glaubt der vierfache Torschütze des SK Sturm an einen Aufwärtstrend. 

Der ist gegen Salzburg (ab 16:30 Uhr im LAOLA1-Liveticker) auch notwendig, nachdem man zuletzt in Ried gerade in der ersten Halbzeit sehr enttäuschte.

Dass man auf das Gludovatz'sche 3-3-3-1, mit dem die Rieder immer wieder auf den Außenbahnen Überzahlsituationen herstellten, nicht richtig eingestellt war, dementiert Ehrenreich:

"Der Trainer hat uns die ganze Woche davor eingetrichtert, wie Ried spielt. Wir haben es als Mannschaft einfach schlecht umgesetzt. Wir waren zu passiv, schwach in den Zweikämpfen und haben uns auch keine zweiten Bälle erkämpft. Da darf man sich nicht wundern, wenn dann so eine erste Hälfte herauskommt. Das einzig Positive war, dass wir mit 0:0 in die Kabine gegangen sind."