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Der Weltenbummler

Fünfeinhalb Jahre, sechs Länder, drei Kontinente. Mensur Kurtisi hat viel gesehen:

Der Weltenbummler

Fünfeinhalb Jahre war Mensur Kurtisi weg. Weit weg. In sechs verschiedenen Ländern auf drei Kontinenten hat er gekickt. Acht Vereinswechsel später ist er zurück. Wieder daheim in Wien.

"Mir bedeutet Wien sehr viel, das ist mein Zuhause! Meine ganze Familie ist hier", sagt der Mann, der am 25. März seinen 30. Geburtstag feierte. "Meine Frau und ich bekommen Mitte Mai ein Kind", erzählt er und seine Augen fangen dabei zu leuchten an. "Ich kann meinem Kind später einmal viele Geschichten erzählen."

Es war nicht nur die glitzernde Fußball-Welt, die der Mazedonier in den vergangenen Monaten gesehen hat. "Es war nie mein Wunsch, dort überall hinzukommen. Man kommt im Fußball nicht immer dorthin, wo man es sich wünscht. Manchmal gibt es zwei Angebote und man muss schnell eine Entscheidung treffen. Auch wenn das sehr weit weg ist, macht man das dann einfach", sagt der nunmehrige Vienna-Kicker.

Kavlak und der Park

Mit 13 Jahren ist der Stürmer nach Wien gekommen. Seine erste Station: der SK Rapid Wien. "Veli Kavlak und sein Vater haben mir ein Probetraining verschafft. Ich habe sie im Park beim Kicken kennengelernt", erinnert sich Kurtisi.

Bis zu den Amateuren hat er es in Hütteldorf geschafft. Neben Kavlak zählten auch Andreas Dober, Andreas Lukse und Thomas Schrammel zu seinen Mitspielern. Allerdings spielte die zweite Mannschaft des SCR damals noch in der vierthöchsten Spielklasse, der Wiener Liga.

40 Tore in 54 Pflichtspielen hat Kurtisi von 2004 bis 2006 erzielt. Bei den Profis wurde er trotzdem nie ein ernsthaftes Thema: "Ich habe gehofft, die Chance zu bekommen. Leider war das nicht der Fall. Georg Zellhofer war damals Trainer und hat sich gegen mich entschieden. Also bin ich weggegangen."

Warten in Sofia

Es folgten zwei Jahre in der Ersten Liga bei Parndorf. Im Burgenland riss der Torreigen des Talents nicht ab – 47 Spiele, 24 Tore. Doch Parndorf stieg ab. Kurtisi aber wollte nicht nach unten, sondern hoch hinaus. Über den Umweg CSKA Sofia sollte der Sprung in eine renommierte Liga gelingen.

Doch das Abenteuer endete nach nur zwei Monaten: "Parndorf wollte mir keine Freigabe geben, als ich in Sofia unterschrieben habe. Aber über die FIFA hätte es lange gedauert, bis ich spielberechtigt gewesen wäre. Ich habe die Vorbereitung mitgemacht, dann hat die Meisterschaft begonnen und die Situation war sehr schwierig. Ich wusste nicht, wie es weitergeht."

Kurtisi im Trikot des SC Wr. Neustadt

Es ging weiter. Und zwar in Wiener Neustadt. Der Klub, den soeben Frank Stronach übernommen hatte, regelte die Angelegenheit mit der Freigabe prompt. Zwei Jahre blieb der Stürmer in Niederösterreich, schaffte im ersten Jahr den Aufstieg in die Bundesliga und erzielte in 49 Partien 14 Tore.

"Die Konkurrenz war groß, aber es war eine schöne Zeit. Mit Stronach selbst hatte ich nicht viel zu tun. Er war selten da, nur ab und zu war er in der Kabine, um uns Glück zu wünschen", erinnert er sich.

Leere Versprechungen

Ein halbes Jahr bevor er den SCWN verlassen sollte, tauchte ein spannendes Gerücht auf – Los Angeles Galaxy soll Interesse an Kurtisi gehabt haben. "Das war eine sehr komische Geschichte. Ein Bekannter hat mich kontaktiert und gemeint, dass er ein Angebot für mich hat. Natürlich wäre ich dorthin gegangen, ganz klar. In Wirklichkeit ist nie etwas daraus geworden. Keine Ahnung, ob da irgendetwas Konkretes war", sagt er.

Es sollte nicht das letzte Mal bleiben, dass sich Kurtisi mit leeren Versprechungen konfrontiert sagt: "Ich habe in meiner Karriere viele Manager kennengelernt. Leider gibt es sehr viele, die sagen, dass sie super Manager sind, in wirklich sind sie aber nur Betrüger oder Leute, die nur versuchen, irgendwie zu Geld zu kommen. Man sollte aufpassen, mit wem man es zu tun hat."

Unglücklich in Saudi Arabien

Im Sommer 2010 begann dann seine Weltreise. Taawon in Saudi Arabien war die erste Station. Die Erinnerungen an das halbe Jahr sind nicht unbedingt positiv.

"Die sechs Monate dort waren sehr schwierig. Ich war mit dem Leben dort nicht zufrieden. Ich bin selbst Moslem, aber dort ist alles sehr extrem. Ich konnte dort nichts machen. Ich konnte nicht einmal in ein Einkaufszentrum gehen, weil mir das nicht erlaubt war. Ich bin nur irgendwohin Essen gegangen und daheim vor dem Internet gesessen – mehr habe ich dort nicht gemacht", berichtet der Angreifer.

Wenngleich es rein sportlich eine interessante Angelegenheit gewesen sei: "Es gab Spiele, da waren 15.000 bis 20.000 Fans da, das war schon toll. Auch das Niveau war sehr gut. Am Golf ist die Liga in Saudi Arabien die beste."

"In den Emiraten waren keine Fans"

Doch das Leben abseits des Platzes wurde nach und nach unerträglich. Ein Glück, dass ein Trainingslager auf dem Programm stand: "Wir waren im Jänner in Dubai auf Trainingslager, der Verein Al-Shaab hat mich in den Testspielen beobachtet und wollte mich haben. Als ich das gehört habe, wollte ich sofort dorthin. Ich wollte weg aus Saudi Arabien."

Die Männer in weiß in Dubai

Die richtige Entscheidung: "Das Leben in Dubai war super! Dort ist alles normal, es ist wie in Österreich." Aber: "In den Emiraten waren keine Fans, da haben wir von 50 oder 100 Zuschauern gespielt. Da war niemand."

Und auch das sportliche Umfeld war gewöhnungsbedürftig: "In Saudi Arabien und den Emiraten waren immer sieben, acht Leute vom Vorstand da. Alle waren weiß angezogen und jeden Tag beim Training – die hatten das Sagen. Der, der das Geld investiert hat, war eigentlich nie da. Wenn es gut gelaufen ist, waren alle happy, wenn nicht, hat es schnell einmal eine Krisensitzung gegeben. Bei jeder Niederlage ist es ein bisschen extremer als in Österreich."

Danach verbrachte Kurtisi den Herbst 2011 in Mazedonien bei Shkendija, ehe das nächste Abenteuer rief. Tobol Kostanay in Kasachstan, wo er gemeinsam mit Tomas Simkovic kickte, war die neue Aufgabe. "Vom Fußball her war es okay. Man kennt die Liga in Europa zwar nicht so, dort wird aber viel in den Fußball investiert. Das Leben in Kasachstan ist anders, aber nicht schwer."

Nur eine Sache war so gar nicht nach seinem Geschmack: "Wir mussten dort zu jedem Auswärtsspiel drei bis vier Stunden fliegen. Ich hatte immer Flugangst, aber ich habe es zwei Jahre lang gemacht." Anschließend spielte er wieder ein halbes Jahr bei Shkendija.

Entspanntes Australien

"Dann ist ein Angebot gekommen und ich habe sofort zugesagt, als ich gehört habe, um welche Mannschaft es sich handelt", so Kurtisi. Brisbane Roar, 2011 und 2012 australischer Meister, wollte ihn. Also wieder weg - ans andere Ende der Welt.

Kurtisi im Brisbane-Trikot

"Für mich war es das Karriere-Highlight. Dort wird super Fußball gespielt, alles ist sehr professionell und das Leben ist ein Wahnsinn. Leider ist es sportlich nicht so gut gelaufen. In der Vorbereitung war alles gut, aber wir haben einen schlechten Start in die Liga erwischt und ein neuer Trainer ist gekommen. Kurz vor der Winterpause wurde mir gesagt, dass ein neuer Legionär kommt und deswegen einer weg muss. Es war am besten für mich, wegzugehen. Es hat doch keinen Sinn, dort Geld zu verdienen, aber nicht zu spielen. Also habe ich den Vertrag aufgelöst."

In Brisbane hat der zweifache mazedonische Teamspieler gemeinsam mit Thomas Broich gekickt. Der Deutsche vermittelt in seinem Dokumentarfilm "Tom meets Zizou" das Bild des entspannten Fußballerlebens in der A-League.

Kurtisi kann das bestätigen: "Wir haben schon um 7:30 Uhr in der Früh trainiert, dann hatten wir den ganzen Tag frei, weil es so heiß war. Ich habe noch nie in einer Mannschaft gespielt, in der alle so gut befreundet waren, das war wirklich extrem. Nach dem Training sind 15 Spieler gemeinsam auf einen Kaffee gegangen, das sieht man nicht oft. Danach waren wir oft am Strand. Die Leute sind sehr cool drauf, da gibt es keinen Stress. Es ist anders als in Europa."

Italienisches Chaos

Aber nach einem halben Jahr war die Sache eben schon wieder erledigt. Und die Suche nach einem neuen Klub erwies sich als mühsam: "Ich war ein Monat vereinslos. Ich war in Gesprächen mit vielen Managern. Gespräche hier, ein Angebot da. Aber es war schwierig. Es war Mitte Februar, die meisten Meisterschaften hatten schon begonnen. Ich habe mir gedacht: Was mache ich jetzt?"

"Ende Februar ist ein Manager gekommen und hat gesagt, dass ich ihm eine Vollmacht für zwei Vereine aus Italien unterzeichnen soll. Das habe ich gemacht und innerhalb von zwei Tagen war ich bei Varese", erzählt Kurtisi vom unverhofften Wechsel in Italiens Serie B.

Kurtisi auf der Hohen Warte

In Norditalien aber regierte Chaos: "In den ersten zehn Tagen hatte ich drei Trainer. Das war alles sehr komisch. Dann habe ich mich bei meinem dritten Einsatz verletzt und musste drei Monate pausieren. Außerdem hatte der Verein Geld-Probleme."

Also stand der Stürmer im Sommer 2015 wieder ohne Klub da. "Ich habe im Sommer sehr lange gewartet. Dann hat mich der zweite Trainer, den ich bei Varese hatte, kontaktiert. Er hat mich zu Matera geholt."

Der extreme Süden

Plötzlich lebte Kurtisi im Süden Italiens, fernab der Industriestädte. Dritte Liga. Keine schöne Zeit: "Matera war arg, so etwas habe ich noch nie erlebt. Am besten ist, man spricht nicht über die Dinge, die dort neben dem Platz passiert sind. Das war nicht schön. Die Serie A ist eine super Liga, dort spielen tolle Mannschaften. Aber darunter ist es nicht so toll, wie man glaubt. Wenn man dort ist, sieht man viele extreme Sachen, die mit Fußball nichts zu tun haben."

Also winkte er auch ab, als er im vergangenen Winter zu einem anderen Verein in der Region wechseln hätte können: "Ich hatte danach wieder zwei Angebote aus Süditalien aus der Serie C, aber ich habe mit dem Thema abgeschlossen, das mache ich nicht mehr. Dort kann man sich einfach nicht auf den Fußball konzentrieren."

Das Ende eines Weltenbummels. Wien-Döbling ist die Gegenwart. "Der Grund, warum ich hier unterschrieben habe, ist meine Überzeugung, dass wir den Aufstieg schaffen", will er mit dem First Vienna FC in die Erste Liga.

"Ich habe immer gesagt, dass ich am Ende des Tages nach Wien zurückkehren werde", erklärt er nach unglaublichen fünfeinhalb Jahren auf der Wanderschaft.

"Ich bin froh, das alles gemacht zu haben. Es war nicht immer einfach, aber so ist der Fußball. Man muss kämpfen!"


Harald Prantl

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