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Walter Franta: Hinter den Kulissen des saudischen Fußballs

Der 50-Jährige wagte das Abenteuer in der Wüste. Dabei erschloss sich ihm eine ganz andere Welt. So funktioniert der Fußball im Ölstaat:

Walter Franta: Hinter den Kulissen des saudischen Fußballs Foto: © GEPA/getty

Am Montag verkündetete Srdjan Spiridonovic seine "Flucht" aus Saudi-Arabien.

Der Ex-Admiraner wechselte erst im Sommer als erster österreichischer Kicker überhaupt nach Saudi-Arabien zum Hajer FC in die zweithöchste saudische Spielklasse, kam mit den dortigen Bedingungen und dem für einen Europäer ungewohnten Alltag aber nicht zurecht.

Doch schon in der Saison vor seiner Ankunft gab es einen rot-weiß-roten Legionär im Wüstenstaat, der sogar eine gemeinsame Vergangenheit mit Spiridonovic in der Südstadt hat.

Besagter Mann saß dort allerdings auf der Trainerbank, was in seiner Heimat aber großteils unterging - obwohl das Abenteuer höchst erfolgreich verlief. Nach kurzer Absenz ist er seit einigen Wochen wieder dort aktiv. Und im Gegensatz zu Spiridonovic soll dies auch so bleiben.

Zwei Ex-Admiraner zieht es in die Wüste

Im September 2022 zog es Torwarttrainer Walter Franta nach Saudi-Arabien zu Zweitligist Al-Riyadh. Der Niederösterreicher war Teil des Teams von Ex-Admira-Coach Damir Buric, welches den Aufsteiger damals übernahm und mit diesem entgegen den Erwartungen den Durchmarsch in die Saudi Pro League schaffte.

"Die Trainingszeiten und Meetings richten sich immer nach den Gebetszeiten, ganz anders als in Europa. Man muss sich hier schnell anpassen und diese Gegebenheiten annehmen."

Walter Franta

Nach dem erfolgreichen Sprung ins Oberhaus war aber Schluss für ihn, Buric und dessen Staff. Der Klub wollte mit frischen Kräften in das Abenteuer Saudi Pro League gehen. 

Gemeinsame Vergangenheit: Franta und Spiridonovic bei der Admira.
Foto: © GEPA

Im Oktober ging es für Franta aber erneut nach Saudi-Arabien. Zweitligist Ohod Club aus der Pilgerstadt Medina lockte Buric zurück in den Wüstenstaat. Der Kroate nahm Franta erneut in seinen Trainerstab auf.

Überhaupt die Gelegenheit zu bekommen, im Ölstaat zu arbeiten, verdankt der 50-Jährige letztlich ganz Damir Buric, wie er sagt. Dieser habe ihm im Vorjahr den Platz im Trainerteam angeboten, wofür sich Franta "sehr dankbar" zeigt.

Die beiden kannten sich von früher. Franta arbeitete bereits bei der Admira unter dem Kroaten, er war auch Teil des Trainerteams von Dominik Thalhammer bei der für Österreich höchst erfolgreichen Frauen-EM 2017.

Vor rund einem Jahr packte ihn also das Fernweh und so ging es für den 50-Jährigen nach Riad.

Zustandekommen ist das Engagement über Burics früheren Co-Trainer Teo Pirija, der damals die Akademie von Al-Riyadh leitete. Dann ging es blitzschnell, wie Franta erklärt: "Innerhalb fünf Tagen war alles fixiert."

Buric und Franta bei ihrer Ankunft in Riad.

Dass es schnell gehen kann und meist auch soll, spielt im Wüstenstaat in mehreren Bereichen eine wesentliche Rolle, wie Franta später noch schildern wird.  

Die Arbeit in Saudi-Arabien gleicht für den früheren Regionalliga-Goalie, der auch einmal zu einem Zweitliga-Einsatz für den Kremser SC kam, einem Eintauchen in eine völlig andere Welt.

In der Länderspielpause nahm er sich die Zeit, ausführlich mit LAOLA1 über den neuen Big-Player auf der Fußball-Landkarte zu sprechen.

Wie soll man den Fußball in Saudi-Arabien als Außenstehender einschätzen, welches Niveau herrscht dort vor? Franta gibt uns einen spannenden Einblick.

Andere Länder, ganz andere Sitten

Die Kultur und Mentalität unterscheiden sich grundlegend von dem, was er aus Europa gewohnt ist. "Die Trainingszeiten und Meetings richten sich immer nach den Gebetszeiten, ganz anders als in Europa. Man muss sich hier schnell anpassen und diese Gegebenheiten annehmen”, erklärt er.

Beim Training legte das Trainerteam großen Wert darauf, die taktischen Defizite zu beheben.

Der 50-Jährige hält gleich vorweg fest, dass ein sportlicher Vergleich mit Europa grundsätzlich recht schwierig sei.

Sieht man sich die Kader der Klubs an, wird auch klar, was er damit meint. In diesen tummeln sich Spieler mit Marktwerten unter 30.000 Euro genauso wie echte Kapazunder, für die zwei- oder gar dreistellige Millionensummen an Ablösen fällig würden.

Das ist, um dennoch einen Vergleich anzubieten, als ob heimische Regionalliga-Kicker mit früheren Premier-League-Stars Seite an Seite spielten.

Das gilt übrigens nicht nur für die Saudi Pro League, sondern auch für die zweitklassige "Yelo League". "Auch dort hast du Nationalspieler", so Franta.

Der Torwarttrainer erklärt auch, wo man bei den Saudis noch Defizite hat. "Im Vergleich zu Europa sind die Spieler technisch und taktisch nicht auf diesem Level."

Dies habe für Buric und ihn im Umkehrschluss aber geheißen: "Wenn du sie vor allem in der taktischen Disziplin formst, hast du gute Chancen." Ein Umstand, den sich die beiden auf dem Weg zum Aufstieg zu Nutze machten.

Bei besagten Defiziten liegt die Betonung tatsächlich auf "noch", denn im Wüstenstaat werden bekanntlich Unsummen in den Fußball investiert und das Engagement greift auch immer mehr, sieht man sich beispielsweise die Leistungen der Saudis bei der WM in Katar im Vergleich zu früheren Turnieren an.

"Saudi-Arabien ist stark im Umbruch, was vor drei Jahren noch undenkbar war, ist jetzt normal.”

Walter Franta

Und die Entwicklung geschieht zunehmend rasant, wie auch Franta untermalt: "Saudi-Arabien ist stark im Umbruch, was vor drei Jahren noch undenkbar war, ist jetzt normal."

Auch das öffentliche Interesse am Fußballsport sei viel höher, als man dies hierzulande erwarten würde. "Das Interesse am Nationalteam war während der WM enorm. Nach dem Sieg gegen Argentinien war Party angesagt auf den Straßen", gibt Franta einen überraschenden Einblick.

Die wichtigste Liga sei natürlich die Saudi Pro League, "die Spiele dort sind sehr gut besucht", schildert Franta.

Erfolg: Am besten nicht in 1000, sondern nur einer Nacht

Saudi-Arabiens Ligadirektor Michael Emenalo erklärte im Herbst, die groß angelegten Investments hätten "nichts mit Sportswashing zu tun".

Dahinter stehe der Wunsch "eine der besten Ligen der Welt zu haben, um den Menschen in Saudi-Arabien hochwertige Unterhaltung bieten zu können."

Dafür will man im Wüstenstaat aber am besten sofort etwas geboten bekommen. Franta gibt Einblick: "In Saudi-Arabien ist man oft sehr ungeduldig bei der Entwicklung der Mannschaft. Da muss sich der Erfolg rasch einstellen, sonst wird man sehr schnell ausgetauscht."

Davon profitierte mittlerweile auch er selbst. Burics Vorgänger bei Ohod, Zekirija Ramadani, wurde nach nur sieben Spielen, von denen fünf verloren gingen, ausgetauscht. Der Erfolg und damit auch das gute Image des Landes stehen über allem.

Eindeutige Belege für Sportswashing gibt es zwar keine, die Liga ist aber vor allem deshalb umstritten.

Franta merkt an, dass "wir in einer Marktwirtschaft leben. Wer das Geld hat, gibt den Ton an. Darüber werden wir uns nicht hinwegsetzen können."

Der Fall von Lewis Grabban sorgte international für Aufsehen.
Foto: © getty

Am Ende könne "jeder Spieler und Trainer frei entscheiden, ob er das machen möchte oder nicht."

Wie man in Saudi-Arabien bezahlt wird - oder auch nicht

Frantas Einblicke offenbaren deutlich: Der Fußball im Ölstaat funktioniert grundlegend anders. "Die Klubs werden vom Staat subventioniert, diese Subventionen werden vier Mal jährlich ausgeschüttet", erklärt der 50-Jährige.

Die Klubs wurden in der Vergangenheit mehrmals beschuldigt, bei Gehältern säumig zu sein. Öffentliche Aufmerksamkeit erregte der Fall des früheren Aston-Villa-Spielers Lewis Grabban, der den späteren Jaissle-Klub Al-Ahli im Vorjahr nach nur drei Monaten wieder verließ.

Englischen Medienberichten zufolge verlangte Grabban eine Entschädigung in Höhe von 2,2 Millionen Pfund, nachdem er den vereinbarten "Signing Bonus" sowie zwei Monatsgehälter nicht fristgerecht erhalten hatte.

"Alles was im Vertrag steht, wird eingehalten, die Pünktlichkeit ist ein anderes Thema", so Franta. "Prämien werden in der Woche nach dem Spiel bar ausbezahlt, das ist eigenwillig, aber gängiges Prinzip in Saudi-Arabien."

Für ihn ist klar: "Man ist dort Gast und man muss sich an die Regeln gewöhnen, ich habe es ja aus freien Stücken gemacht."

Politisch umstritten, aber "mehr als eine Reise wert"

Politisch ist Saudi-Arabien seit jeher umstritten, in dem Land herrscht eine absolute Monarchie unter Premierminister Kronprinz Mohammed bin Salman.

"Eine Pizza kann schon mal 40 oder 50 Euro kosten."

Das Leben in Saudi Arabien kann teuer sein

Touristisch habe das Land aber einiges zu bieten, wie Franta betont. Abseits der Wüste gäbe es in Saudi-Arabien viel zu erleben. “Es ist mehr als eine Reise wert. Die großen Städte wie Dammam, Dschidda oder Riad sind wirklich sehenswert. Vor allem hast du in Dammam und Dschidda auch noch Strand und Meer – wirklich wunderschön”, schwärmt er.

Auch kulinarisch bleiben keine Wünsche offen: “Es gibt keinen Alkohol, dafür ist das Essen sehr gut, von arabischem Essen bis zum Italiener gibt es alles. Aber die Preise sind auch auf einem höheren Niveau als in Europa. Eine Pizza kann schon mal 40 oder 50 Euro kosten”, schildert Franta.

So resümiert Franta sein bisherige Zeit in Saudi-Arabien

Seit Anfang Oktober werkt Franta nun also wieder als Torwarttrainer in Saudi-Arabien. Der Ohod Club, gegründet 1936, gehört zu den ältesten des Landes und ist das sportliche Aushängeschild Medinas.

"Der Klub selbst hat riesiges Potenzial, aber es ist gerade alles im Umbruch", schildert Franta. Ein neuer Präsident übernahm Ohod vor Kurzem, zudem wurde ein neuer Vorstand gewählt.

Buric, Franta und das Trainerteam unterschrieben Verträge für zwei Jahre, das Ziel ist klar: Ohod, das bereits mehrmals in der ersten Liga zu Gast war, will wieder nach oben.

Der Klub kann auch einige namhafte Akteure vorweisen, darunter Namen wie Ryad Boudebouz und Haris Belkebla, beides algerische Nationalspieler. Ersterer hinterließ bereits seine Spuren bei Betis Sevilla und St. Etienne.

"Ein sehr, sehr guter Mensch. Er ist jetzt auch unser Kapitän. Ryad ist ein hervorragender Linksfuß und ein ausgezeichneter Fußballer", schwärmt Franta.

Gelingt das große Ziel Aufstieg, soll nicht - wie in Riad - gleich danach wieder Schluss sein. Dann heißen die Gegner künftig Cristiano Ronaldo, Neymar und Sadio Mane.

Doch nicht nur die großen Namen machen das Wüsten-Abenteuer für Franta besonders. Er könne in Saudi-Arabien "viele Erfahrungen sammeln, neue Eindrücke gewinnen und eine gänzliche andere Kultur und Mentalität kennenlernen", die ihn auch als Mensch weiterbringen würden, sagt er.

"Für mich fällt das bisherige Resümee absolut positiv aus", fasst es Franta zusammen.


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