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Dann ist er ein "guter" Ausländer

Kabarettisten Dorfer und Scheuba erklären, wie der österreichische Fan funktioniert.

Dann ist er ein

Der eine Austrianer. Der andere Rapidler.

Wenn es um das ÖFB-Team geht, sind Alfred Dorfer und Florian Scheuba jedoch in den Farben vereint. Dann machen die beiden Kabarettisten genau wie bei ihrem Programm „Ballverlust“ (bis 9. Juni im Wiener Rabenhof) gemeinsame Sache.

Berufsbedingt kennen die zwei Humoristen das Wesen der österreichischen Seele nur allzu gut. Im LAOLA1-Interview gehen sie deshalb der Frage nach, wie der zwischen himmelhoch jauchzend und zu Tode betrübte österreichische Fußball-Fan denn nun funktioniert:


LAOLA1: Teilt ihr euch auf der Bühne auf, wer den offensiveren und wer den defensiveren Part übernimmt?

Alfred Dorfer: Nein, wir pressen beide.

Florian Scheuba: Massives Forechecking von Anfang an.

LAOLA1: Egal ob im Wahlkampf zur Bundespräsidentenwahl oder in der Werbung – es wurde zuletzt suggeriert, Österreich könne Europameister werden. Was sagt das über ein Land aus, das glaubt bei einer erstmals geschafften Quali gleich den ganz großen Coup landen zu können?

Scheuba: Das ist insofern etwas typisch Österreichisches, weil bei uns Minderwertigkeits-Komplex und Größenwahn sehr nahe beieinander liegen. Von einem Extrem ins andere ist oft ein nahtloser Übergang. Wenn man sich ansieht, wie noch vor ein paar Jahren über das Team gesprochen wurde, unterstreicht das diese These. Ich hoffe nur, die Spieler lassen sich davon nicht verrückt machen. So gesehen waren die Testspiele gegen Malta und Niederlande ein willkommener Dämpfer.

Dorfer: Ich denke, dass die Leute da sehr leicht die Bodenhaftung verlieren. Besonders diejenigen Fans, die nicht oft dabei sind. Wie die Tauben fliegen viele dem Geschehen erst zu, wenn es läuft. Die sehen die jüngsten Erfolge und sagen: Na, wer soll uns bitte schlagen?!

Sollte Arnautovic in Frankreich die entscheidende Tor-Chance auslassen, wird es etliche Leute geben, die auf einmal wieder sagen: Naja, sollte er vielleicht doch besser für Serbien spielen.

Florian Scheuba

LAOLA1: Lässt sich der angesprochene Minderwertigkeitskomplex abbauen? Oder überspitzt: Kann Marcel Koller uns mit Erfolgen therapieren?

Scheuba: Im Moment der Niederlage kommt er wieder. Es ist die Schwankungsbreite, die so enorm ist.

LAOLA1: Vor rund zehn Jahren musste der ÖFB-Fan ja noch eine Portion Masochismus mitbringen. Hat sich das geändert?

Scheuba: Für uns ist das ein verbindendes Element. Auch wir haben eigentlich schon unter Karel Brückner gehofft, dass das jetzt der Aufschwung sein könnte, was dann letztlich nicht so funktioniert hat. Dennoch hatten wir das Gefühl, dass sich etwas in eine gute Richtung tut. Ich halte beispielsweise den Willi Ruttensteiner für einen wirklichen Segen für den österreichischen Fußball. Leute, die so gearbeitet haben wie er, haben einen großen Anteil daran, dass sich das so entwickelt hat.

Dorfer: Für uns war Nationalteam schon länger „in“.

LAOLA1: Also Masochisten erster Stunde?

Dorfer: Hoffnungsvolle Masochisten. Wobei ich finde, dass es immer etwas untergegangen ist, dass sich unsere Nachwuchs-Nationalteams in Europa schon seit Jahren gut geschlagen haben. Es hieß immer: Jaja…Nachwuchsteams…aber wir schaffen den Schritt nicht. Aber der vierte Platz bei der U20-WM 2007 war für mich dann das untrügerische Zeichen, dass es sich von unten rauf sehr positiv entwickelt.

Dorfer und Scheuba sind mit "Ballverlust" noch bis 9. Juni im Rabenhof zu sehen (Foto: Peter Rigaud)

LAOLA1: Schaffen die Jungen jetzt den Sprung besser? Sie gehen zumindest früher ins Ausland.

Scheuba: Da ist ein genereller Trend, bei dem Österreich keine Ausnahme ist. Es ist wie in der Weltwirtschaft, im Turbo-Kapitalismus:  Die Reichen werden immer reicher. Dadurch ist es für 13-, 14-Jährige eben interessant, ins Ausland zu gehen. Dort winkt das große Geld. Für die österreichische Liga ist das schlecht, aber da haben wir das gleiche Problem wie die Schweizer, die Skandinavier,… Die Umverteilung nach oben findet nun mal statt.

LAOLA1: Wobei nach wie vor der Vorwurf im Raum steht, einige heimische Klubs setzen zu wenig auf die Jungen. Bietet hierfür die Liga-Reform eine Chance, da sich die Tabellen-Zone, in der es nicht unmittelbar um Europacup-Plätze oder Abstieg geht, vergrößert?

Scheuba: Möglich, das muss man erst sehen. Generell gibt es gute Argumente für die Liga-Reform. Letztlich ist es aber eine Schande, dass Städte wie Linz oder Innsbruck nicht in der Bundesliga spielen. Wirklich schmerzlich sind die Grödigs der letzten Jahre. Ich sage, dass es sicher eine tolle Leistung von diesen Klubs ist, aber ein Zuschauerschnitt von 2.000 Leuten darf einfach nicht sein. Wenn dann auf irgendwelchen Ackern gespielt wird, ist das leider furchtbar. Städte, in denen eine gewisse Tradition an Fußball da ist, wären wünschenswert. Ob man diesen Zustand „erzeugen“ kann, weiß ich aber nicht.


LAOLA1: Das beherrschende Thema in Österreich ist seit einem Jahr die Flüchtlings-Debatte. Eine Diskussion, die polarisiert, an der man nicht vorbeikommt. Das Nationalteam hat dieses Thema – abgesehen eigener Toleranz-Bekundungen – nie stärker erreicht. Wie ist das zu erklären? Werden Fußballer aufgrund ihres Identifikations-Potenzials weniger leicht Opfer von Vorurteilen?

Scheuba: Man hat in der Vergangenheit ja schon erlebt, dass es da versuchte Verbal-Attacken gegeben hat. Was es jetzt in Deutschland mit Jerome Boateng gibt, hatten wir vor ein paar Jahren auf kleiner Ebene und ganz schlecht mit dem Herrn Mölzer, der sich über David Alaba äußerte. Da sind die Populisten dann halt aber draufgekommen, dass das nichts bringt.

Schaffte zuletzt vom Grenzgänger zum Liebling: Marko Arnautovic

Dorfer: Für Menschen, die mit Ausländern ein Problem haben, zeigen Nationalspieler, dass es auch die „guten Ausländer“ gibt. Nämlich jene, die sich durchsetzen, die Geld verdienen, die Deutsch können – so oder so: die uns nicht am Sack liegen. Gegen einen Spieler mit beispielsweise serbischen Wurzeln, der bei Stoke jetzt reüssiert, kann somit auch ein eingefleischter Rechtswähler und Ausländerfeind kaum etwas sagen.

Scheuba: Ich glaube, dass das sehr stark mit Erfolg zu tun hat. Gerade ein Arnautovic könnte sehr schnell wieder fallen gelassen werden. Michael Jeannee (Kronen Zeitung; Anm.) hat erst kürzlich schon wieder geschimpft auf ihn. Sollte Arnautovic in Frankreich die entscheidende Tor-Chance auslassen, wird es etliche Leute geben, die auf einmal wieder sagen: Naja, sollte er vielleicht doch besser für Serbien spielen. Ich halte das für sehr dünnes Eis und kurzlebig. Wobei ich mir Ähnliches bei einem Alaba nicht mehr vorstellen könnte.

Dorfer: David Alaba – der Marcel Hirscher des Fußballs.

Scheuba: (schmunzelt) Wobei ja auch der Hirscher eine niederländische Mutter hat. Auch das ist relativ. Aber es stimmt, zu einem gewissen Grad wird das das dann ausgeblendet.

 

Das Interview führte Reinhold Pühringer



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