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Michaela Kirchgasser: "Da schwächelt Shiffrin"

Michaela Kirchgasser über eine mögliche Schwäche beim US-Superstar und ÖSV-Chancen:

Michaela Kirchgasser: Foto: © GEPA

Seit über einem Jahr ist Michaela Kirchgasser mittlerweile in der wohlverdienten Ski-Pension.

Nach 17 Jahren Ski-Weltcup arbeitet sie als Marken-Botschafterin und Testimonial. Wehmut kam beim Saisonstart in Sölden keine auf.

„Ich genieße es, dass jetzt alles ein bisschen lockerer ist“, sagt eine entspannte und gutgelaunte Salzburgerin im LAOLA1-Interview.

Das Interesse am Ski-Weltcup ist aber natürlich trotzdem weiter stark vorhanden, so gut es geht verfolgt die 34-Jährige jedes Rennen. Vor-Ort-Besuche gehen sich für die siebenfache WM-Medaillen-Gewinnerin (3xGold, 2xSilber, 2 Bronze) zwar nur selten aus, vor dem Fernseher (oder dem LIVE-Ticker) will sich "Kirchi" aber nichts entgehen lassen.

Bei uns spricht sie über die Dominanz von US-Superstar Mikaela Shiffrin und was diese möglicherweise brechen könnte, die Chancen der ÖSV-Damen unter Neo-Coach Christian Mitter und das anstehende Comeback von Anna Veith.

LAOLA1: Du bist schon seit über einem Jahr in der Ski-Pension. Wie intensiv verfolgst du den Weltcup?

Michaela Kirchgasser: Den verfolge ich auf jeden Fall noch sehr. Den Weltcup-Auftakt in Sölden habe ich mir natürlich angesehen und der hat gleich einmal Lust auf mehr gemacht. Shiffrin ist wie erwartet stark gefahren und die junge Neuseeländerin Alice Robinson hat mich sehr beeindruckt. Es scheint doch recht spannend zu werden. Auch wenn es für die Österreicherinnen nicht leicht werden wird. Ich glaube aber, dass da im Saisonverlauf noch einiges drin sein wird.

LAOLA1: Alle erwarten in dieser Saison einen Alleingang von Mikaela Shiffrin. Glaubst du auch daran oder könnte es doch nicht so einseitig werden?

Kirchgasser: Ganz so schlimm wird es nicht werden. Wie man beim Sölden-Riesentorlauf gesehen hat, ist ja doch schon wieder jemand da, der mit ihr mithalten kann. Daher wird das glaub ich schon ganz spannend werden. Im Slalom werden eine Petra Vlohva und eine Wendy Holdener sicher auch voll draufhalten. Ganz so einseitig wird es glaube ich nicht, auch wenn sie sicher dominieren wird.

LAOLA1: Shiffrin hat sich heuer vorgenommen, auch in der Abfahrt voll durchzustarten. Traust du ihr das zu?

Kirchgasser: Auf jeden Fall. Sie hat einfach ein total gutes Gefühl für den Schnee. Normalerweise wirst du in der Abfahrt erst im Alter richtig gut, wenn du mehr Erfahrung hast. Sie hat das aber jetzt schon richtig gut drauf. Sie kann eine Abfahrtsstrecke gut besichtigen und sieht sofort, wo man wie fahren muss. Sie hat einfach ein unglaubliches Gefühl, wie sie einen Schwung richtig durchziehen muss. Außerdem hat sie Gleiter-Qualitäten. Sie ist dadurch auch bei flachen Abfahrten sehr, sehr schnell. Deshalb hat sie sicher gute Chancen, auch im Abfahrts-Weltcup zuzuschlagen, wenn sie wirklich alle Abfahrten fährt.

LAOLA1: Siehst du bei Shiffrin irgendwelche Schwächen, die die Konkurrenz Hoffnung schöpfen lassen?

Wenn ihr jemand richtig zusetzt, dann muss sie auch wieder mehr Gas geben und dann wird sie fehleranfälliger, wenn sie zu Fehlern gezwungen wird.

Kirchgasser über Shiffrin

Kirchgasser: Eine Schwäche hat eigentlich so gut wie jede Athletin. Wenn es nicht ganz so gut läuft, kann es immer passieren, dass man ein bisschen verkrampft. Das hat man schon im letzten Jahr gesehen, dass es sein kann, dass sie etwas schwächelt, wenn sie unter Druck kommt. Wenn ihr jemand richtig zusetzt, dann muss sie auch wieder mehr Gas geben und dann wird sie fehleranfälliger, wenn sie zu Fehlern gezwungen wird. Wenn es ein paar gibt, die sie ärgern können, dann könnte es einen Knackpunkt geben. Ansonsten wird es schwierig werden, sie zu schlagen. 

LAOLA1: Was erwartest du von den Österreicherinnen in dieser Saison?

Kirchgasser: Zu Beginn einer Weltcup-Saison ist so etwas immer schwierig zu sagen, aber grundsätzlich verfügen die Österreicherinnen alle über eine gute Technik. Sie trauen sich auch etwas zu. Sölden darf man nicht überbewerten. Durch den neuen Cheftrainer Christian Mitter sind auch alle sehr motiviert. Der hat einen frischen Wind reingebracht, das hört man schon raus. Die Damen fahren jetzt eine direktere Linie und das taugt glaub ich auch allen.

LAOLA1: Kennst du Christian Mitter besser?

Kirchgasser: Besser nicht, aber ich kenne ihn noch etwas von früher. Seine ganze Art und Weise, wie er das Ganze angeht, finde ich ganz cool und deshalb bin ich auch davon überzeugt, dass er mit den ÖSV-Damen erfolgreich sein wird.

LAOLA1: Ein besonderes Augenmerk liegt auch auf der Rückkehr von Anna Veith. Was erwartest du dir von ihr in dieser Saison?

Kirchgasser: Anna lässt sich genug Zeit, um auf die Piste zurückzukehren. Sie weiß genau, dass es nichts bringt, zu früh zurückzukehren. Ich denke, dass sie – wenn sie wieder bereit ist – wieder gute Winkel fahren und gut pushen kann. Ein, zwei Rennen wird sie sicher wieder brauchen, um in das Renn-Feeling zurückzukommen. Dann ist aber sicherlich wieder einiges möglich.

LAOLA1: Wie geht es dir persönlich, wenn sich der Winter nähert? Wird man da als langjährige Top-Skifahrerin etwas wehmütig?

Kirchgasser: Nein, überhaupt nicht. Es war eine total schöne Zeit und ich habe diese Zeit für mich abgehakt. Aber natürlich interessiert mich der Ski-Weltcup weiterhin und ich schau mir auch fast jedes Rennen an. Und ich bin natürlich gespannt, wie sich gewisse Athleten über die gesamte Saison entwickeln. Man sieht, wie das Selbstbewusstsein steigt und alles selbstverständlicher wird und es macht Spaß, bei dieser Verwandlung von außen zuzusehen.

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