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Verletzungs-Flut: "Wir stehen alle vor einer Wand"

Wenn sich die Katze in den Schwanz beißt: Ursachen der Verletzungen im Ski-Weltcup.

Verletzungs-Flut: Foto: © GEPA

Das Hahnenkamm-Wochenende in Kitzbühel hatte noch nicht mal richtig begonnen, da gab es schon die erste Verletzungsmeldung. 

Abfahrts-Ass Dominik Paris kam im Training in Kirchberg unglücklich zu Sturz und zog sich einen Kreuzbandriss zu. Für den vierfachen Kitz-Sieger ist die Saison damit beendet. 

„Es war eigentlich ein ganz banaler Sturz“, erklärt FIS-Renndirektor Markus Waldner. „Er ist am Innenski weggerutscht und wollte dann vermeiden, dass er ins Fangnetz einschlägt - aus Angst vor einer Verletzung. Er wollte nochmals aufstehen und dort hat es ihm den Ski ganz blöd gefangen. Es ist wirklich saublöd gelaufen. Natürlich fehlt er uns!“

Und Paris ist nicht der einzige, der im Weltcup aktuell aufgrund einer Verletzung fehlt. Die Liste ist lang.

Angefangen mit Hannes Reichelt am 28. Dezember in Bormio gab es seither in knapp vier Wochen allein bei den Männern fünf Kreuzbandrisse. Auch bei den Damen und im Europacup ist die Bilanz über die Saison gesehen ähnlich verheerend. 

Die Frage, die sich angesichts der hohen Zahl an Verletzungen unweigerlich stellt, ist: Kann man was gegen die Verletzungen tun und wenn ja, was?

"Es gibt eigentlich keine Lösung!"

Die Antwort von FIS-Renndirektor Markus Waldner ist ebenso kurz wie ernüchternd: „Es gibt eigentlich keine Lösung!“

Das Problem der hohen Verletzungsanfälligkeit der Läufer gibt es nicht erst seit diesem Winter. Hinter den Kulissen wird von der FIS gemeinsam mit der Ski-Industrie schon seit Längerem nach einer Lösung gesucht, bisher ohne Erfolg. 

In den meisten Fällen ist es das Zusammenspiel von Material und Piste, das die Verletzungen verursacht. Beide Bereiche wurden in den letzten Jahren beinahe bis ans Äußerste ausgereizt. 

„Wir sind gezwungen, die Pisten hart und kompakt zu machen. Wenn die Piste hart ist, muss das Setup auch dementsprechend aggressiv abgestimmt werden. Das ist eine Katze, die sich in den Schwanz beißt“, erklärt Waldner. 

Die Pisten dieser Welt müssen deshalb hart und eisig präpariert werden, um eine gewisse Fairness für alle Läufer gewährleisten zu können. Auch der Sicherheitsaspekt spielt eine Rolle. 

„Wenn wir die Pisten nicht hart und kompakt machen, ist das Rennen nach Startnummer drei zu Ende. Es soll auch für die höheren Startnummern noch fair und sicher sein. Wenn die Piste bricht und Löcher entstehen, ist es auch gefährlich“, erläutert Waldner. 

Harte und eisige Pisten erfordern dementsprechend abgestimmtes Material, um auch schnell skifahren zu können. Das gilt sowohl für die Speed-Disziplinen als auch für Slalom oder Riesentorlauf. 

"Lösung haben wir momentan keine. Wir stehen zur Zeit alle vor einer Wand.“

Markus Waldner über die Verletzungs-Flut

„Es geht dabei nicht nur um den Ski, sondern um das Gesamtpaket. Skischuh, Platte, Bindung, Ski - alles ist sehr aggressiv abgestimmt. Da reißt ein Kreuzband eben schnell. Aber solange man mit einer sehr aggressiven Abstimmung schnell ist, wird man das Material auch fahren“, merkt der FIS-Renndirektor an. 

„Solange das so ist, gibt es eigentlich keine Lösung. Wir haben das Rad mittlerweile so weit gedreht und es zurückzudrehen, ist sehr schwierig. Lösung haben wir momentan keine“, gibt Waldner zu. „Wir stehen zur Zeit alle vor einer Wand.“

Vielleicht gibt es doch eine Lösung

Um diese Wand zu durchbrechen, müsste entweder etwas an der Pistenpräparierung oder auf dem Materialsektor geändert werden. Beides lässt sich nicht von heute auf morgen umsetzen. Die Frage, die sich Waldner und Co. stellen, ist vielmehr: Wo fängt man an?

Aktuell gibt es zwei Ansätze. Erstens: Die Pisten etwas weicher machen, aber so, dass die Läufer auch mit einer weniger aggressiven Abstimmung noch schnell sind. 

„Dann würden wir langsam in die richtige Richtung gehen“, meint Waldner. Aber es bleibt ein schwieriges Unterfangen: „Weil einfach so viel Kräfte auf die Piste wirken, müssen wir sie immer härter machen.“ Die Klimaerwärmung trägt ohnehin schon ihres dazu bei, dass Rennen immer wieder abgesagt werden müssen.  

Der zweite Ansatz zielt darauf ab, die Pisten von oben bis unten zwar hart, dafür aber gleichmäßig zu präparieren. Denn wenn die Läufer innerhalb eines Rennens sehr harte und etwas weichere Passagen vorfinden, wird es gefährlich. „Dann wird das Material so abgestimmt, dass es auf dem extrem eisigen Untergrund passt, aber auf dem weniger harten ist es dann zu aggressiv“, erklärt Waldner. 

Der Südtiroler nennt als Beispiel etwa Max Franz, dem im Vorjahr in Kitzbühel im Bereich der Mausefalle „die Ferse regelrecht explodiert ist“. Auch Kjetil Jansrud verletzte sich an dieser Stelle an der Hand. 

„Da haben wir heuer angesetzt und versucht, die Streif von oben bis unten gleichmäßiger zu präparieren. Es ist immer noch sehr hart und knackig, aber gleichmäßig. Von dem her haben wir einen Schritt vorwärts gemacht“, berichtet Waldner. 

Bleibt zu hoffen, dass noch weitere Schritte gelingen und es in Zukunft weniger Verletzungen gibt. Ganz verhindern wird man sie ohnehin nie können…

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