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Der langsamste Abfahrer in Kitzbühel

2017 und 2018 abgeschlagener Letzter: Darum startet er 2019 wieder.

Der langsamste Abfahrer in Kitzbühel Foto: © GEPA

Die Abfahrt auf der Streif in Kitzbühel – das schwierigste Rennen der Welt. Das ist nur etwas für die Besten der Besten. Oder doch nicht?

Während sich die Top-Stars nach waghalsigen Fahrten im Ziel bereits feiern und auf den Abfahrts-Thron heben lassen, stehen am Start noch Läufer mit Nummern jenseits der 30, deren Namen auch die größten Ski-Fans wohl noch nie gehört haben.

Einer von ihnen ist Ioan Valeriu Achiriloaie. Der 28-jährige Rumäne war in den vergangenen beiden Jahren der langsamste Fahrer auf der Streif. Sowohl 2017 als auch 2018 belegte er den letzten Platz in der Hahnenkamm-Abfahrt - mit 7,82 bzw. 10,73 Sekunden Rückstand erreichte er das Ziel.

Da kommt unweigerlich die Frage auf, warum sich der Mann das "antut"?

"Kitzbühel ist Kitzbühel, es gibt kein vergleichbares Rennen. Es ist das Beste vom Besten. Beim letzten Training sind schon mehr Leute als bei den meisten anderen Rennen im Weltcup", erklärt Achiriloaie gegenüber LAOLA1, was für ihn die Faszination Kitzbühel ausmacht.

Mutig oder verrückt?

So beeindruckend die Kulisse, so herausfordernd, fast furchteinflößend kann die Streif sein. Von Angst ist beim Rumänen am Start aber keine Spur – im Gegenteil.

"Das Starthaus in Kitzbühel ist der Platz, wo ich am glücklichsten bin."

"Das Starthaus in Kitzbühel ist der Platz, wo ich am glücklichsten bin. Ich hatte noch nie Angst, aber ich weiß nicht, ob das für meinen Mut spricht oder dafür, dass ich komplett verrückt bin", lacht Achiriloaie.

Gleich bei seinem ersten Antreten in Kitzbühel 2017 machte er unliebsame Bekanntschaft mit der Streif: Er verlor im 2. Training einen Ski und stürzte, blieb aber unverletzt.

Der Crash und die teils verhängnisvollen Stürze in der Vergangenheit schrecken ihn nicht ab. "Es ist nicht angenehm, wenn man darüber nachdenkt, aber es ist passiert und es wird auch in Zukunft Stürze geben. Das passiert, wenn du versuchst, über dein Limit zu gehen."

Kitz 2018: "Rezept für ein Desaster"

Seine Grenzen aufgezeigt hat ihm die Streif im vergangenen Jahr. Das Rennen überhaupt in Angriff genommen zu haben bezeichnet Achiriloaie als einen der größten Fehler seiner Karriere.

"Ich war einfach nicht bereit. Ich habe mich vor Kitzbühel bei einem Rennen in Frankreich verletzt. Die Saison war lange, ich war müde, dazu die Verletzung – ein Rezept für ein Desaster. Das war es dann am Ende auch", urteilt er über seinen 54. Platz mit fast elf Sekunden Rückstand auf Sieger Thomas Dreßen.

2019 wagt sich Achiriloaie wieder auf die Streif. "Ich will mich dort einfach jedes Jahr aufs Neue testen. Es ist das schwierigste Rennen der Welt, ich will so gut Skifahren wie ich nur kann."

Skifahrer zu werden war nie der Plan

Anders als bei vielen anderen Abfahrern war in Kitzbühel zu fahren kein Kindheitstraum von ihm.

Ein professioneller Skirennläufer zu werden, war nie Achiriloaies Plan. "Es ist einfach passiert. Mein Vater wollte nur, dass ich Skifahren lerne und auf jeder Piste ohne Probleme fahren kann", erzählt der mutige Rumäne und fügt lachend an: "Ich denke, das Ziel habe ich  erreicht, als ich 2017 die Streif zum ersten Mal unbeschadet heruntergefahren bin."

"Skifahren ist für mich mehr als ein Job – es ist mein Leben.“

2013 schloss der Rumäne aus der Region Siebenbürgen sein Sportmanagement-Studium an der Coventry University ab, seither ist er  professioneller Rennläufer. 2016 feierte er in Val d'Isere sein Weltcup-Debüt, sein bisher bestes Ergebnis ist ein 53. Platz in Kitzbühel 2017.

"Skifahren ist für mich mehr als ein Job – es ist mein Leben", sagt Achiriloaie. Die Leidenschaft fürs Skifahren steht über allem, den Schwierigkeiten zum Trotz.

Kein Trainer und kein Servicemann

Achiriloaie kämpft sich als Ein-Mann-Team durch, vom rumänischen Verband wird er seit Jänner 2018 nicht mehr unterstützt. "Aus Gründen, die ich nicht verstehe", meint der 28-Jährige, der 2014 für Rumänien an den Olympischen Spielen in Sotschi teilgenommen hat.

In dieser Saison kann Achiriloaie zumindest auf die finanzielle Unterstützung von zwei Sponsoren zählen. "Aber das Geld reicht nur etwa für die Hälfte der Saison. Den Rest bezahle ich mit dem Gehalt meines Ski-Klubs und der Hilfe meiner Familie. Ohne diese Stützen wäre meine Saison unmöglich."

Aufgrund der fehlenden finanziellen Mittel muss Achiriloaie auch auf einen eigenen Trainer und Servicemann verzichten. "Im Moment trainiere ich mit verschiedenen Teams, ich habe keinen fixen Trainer. Und ich bin mein eigener Servicemann, ich hatte noch nie einen. Das macht alles natürlich viel schwieriger", moniert er.

Schlaflos in Kitzbühel

Während der 27-Jährige im abgelaufenen Winter noch sieben Rennen in Weltcup bestritt, fährt er in dieser Saison hauptsächlich FIS-Rennen. Kitzbühel wird sein einziges Rennen auf höchstem Niveau sein.

Zur Vorbereitung auf die Abfahrt am Samstag (11:30 Uhr im LIVE-Ticker) absolvierte Achiriloaie am Montag die Europacup-Abfahrt auf der Streif. Er wurde Letzter.

Beim ersten Training für die Weltcup-Abfahrt am Dienstag fehlte er. "Ich hatte am Montag im Europacup einen schrecklichen Tag und war sehr verärgert. Ich habe die halbe die Nacht nicht geschlafen, an ein Training war nicht zu denken", erzählt Achiriloaie gegenüber LAOLA1 auf Nachfrage. 

UPDATE, 23.1., 19:43 Uhr: Aufgrund von gesundheitlichen Problemen wird Ioan Valeriu Achiriloaie weder am 2. Training noch an der Abfahrt teilnehmen.  

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