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Kitz-König Cuche: "Ich dachte: Wie soll ich das überleben?"

Kitzbühel-Rekordsieger Didier Cuche verrät sein Erfolgsrezept und warum er bei seinem ersten Mal auf der Streif ausgelacht wurde. Interview:

Kitz-König Cuche: Foto: © GEPA

Er ist der "Mister Kitzbühel": Didier Cuche.

Keiner hat so oft auf der berüchtigten Streif gewonnen wie er. Fünf Mal holte sich der Schweizer die goldene Gams für den Sieg in der Abfahrt ab, ein Mal triumphierte er im Super-G. Rekordsieger in Kitzbühel>>>

Kitzbühel war auch jener Ort, an dem Cuche 1998 sein erstes Weltcup-Rennen gewann und 2012 sein Karriereende ankündigte. 

"Alles, was in meiner Karriere in Kitzbühel passiert ist, hat es immer wieder noch spezieller gemacht", sagt Cuche über seine besondere Beziehung zur Gamsstadt. 

Im LAOLA1-Interview verrät der heute 49-Jährige, welche zwei Grenzen man in Kitzbühel nicht überschreiten sollte, warum er bei seiner ersten Fahrt auf der Streif ausgelacht wurde und was es mit dem Effekt des Erfolgs bei Marco Odermatt auf sich hat.

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LAOLA1: Du warst bei den Rennen in Adelboden und Wengen dabei, jetzt auch in Kitzbühel. Du brennst offenbar noch immer für den Skirennsport.

Didier Cuche: Wenn ich kann, bin ich vor Ort dabei. Meistens bin ich für Sponsoren im Einsatz, begleite Gäste. Wenn ich nicht live dabei bin, schaue ich bei den Rennen im Fernsehen immer ganz genau hin.

LAOLA1: Marco Odermatt hat in Wengen endlich seine ersten beiden Abfahrtssiege im Weltcup errungen. Wie beurteilst du seine Entwicklung in der Abfahrt im Vergleich zur vergangenen Saison?

Cuche: Die Zeit war reif. Ich hatte überhaupt keine Zweifel, dass Marco auch in der Abfahrt gewinnen kann. Ich habe nur gehofft, dass er es nicht mit der Brechstange probiert und dann irgendwann zu weit geht mit dem Risiko. Man hat in Wengen bei Aleksander Aamodt Kilde wieder gesehen, wie schmal der Grat ist.

"Das ist der Effekt des Erfolgs, der sich bei Odi jetzt seit zwei Jahren immer wieder verstärkt. Das macht dich nur noch stärker."

Cuche über die Dominanz von Odermatt

LAOLA1: Mit Kilde und Marco Schwarz mussten Odermatts schärfste Konkurrenten die Saison vorzeitig beenden. Dennoch: Odermatts Dominanz ist schon fast unheimlich. Was macht ihn zu so einem kompletten Skifahrer?

Cuche: Er bringt natürlich ein Grundkönnen aus seiner Jugend mit. Aber die aktuelle Dominanz ist auch eine Konsequenz aus dem vergangenen Jahr. Wenn man am Start steht und weiß, wenn man alles richtig macht, landet man im schlimmsten Fall vielleicht auf dem fünften Platz, macht dich das im Kopf unheimlich stark. Dieses Gefühl hatte ich in meiner aktiven Zeit auch ab und zu. Das ist der Effekt des Erfolgs, der sich bei Odi jetzt seit zwei Jahren immer wieder verstärkt. Das tut gut und macht dich nur noch stärker.

LAOLA1: Nach den drei schweren Verletzungen in Wengen wird nun über die Kalender-Planung diskutiert und darüber, ob drei Speed-Rennen an einem Wochenende zu viel sind. Was ist deine Meinung?

Cuche: Das ist ein komplexes Thema. Ich bin grundsätzlich der Meinung, Rennen nachzuholen ist eine gute Sache. Denn es gibt viele Athleten, die nur eine oder zwei Disziplinen fahren und die leiden darunter, wenn Rennen ersatzlos gestrichen werden. Aber es war vielleicht ungünstig, in Wengen ein Rennen nachzuholen. Zwei Rennen genügen am Lauberhorn. Ich denke sowieso, es sollte in Wengen und Kitzbühel, wo der Mythos besteht, nur eine Abfahrt im Jahr geben. Ich verstehe jedoch die Problematik und dass es ökologisch sinnvoll ist, Rennen dort nachzutragen, wo die Rahmenbedingungen ohnehin schon gegeben sind.

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LAOLA1: Du sprichst den Mythos Kitzbühel an. Du hast in Kitzbühel deinen ersten Weltcup-Sieg gefeiert, bist mit fünf Erfolgen in der Abfahrt der Rekordhalter und hast hier auch deinen Rücktritt bekanntgegeben. Warum ist Kitzbühel so ein besonderer Ort für dich?

Cuche: Ich habe mich auf österreichischem Boden immer wohlgefühlt - abgesehen vom Patscherkofel, da wurden wir von den Österreichern dominiert. Das war dann auch immer so der "Running Gag", wenn die Österreicher sehr stark waren und viele unter den Top Ten hatten, da haben wir immer gesagt: Jetzt haben wir wieder ein Patscherkofel bekommen (lacht). Aber ich habe mich in Österreich auch von den Fans sehr gut aufgenommen gefühlt. Das hat sicher auch zu meinen Erfolgen beigetragen. Alles, was in meiner Karriere in Kitzbühel passiert ist, hat es immer wieder noch spezieller gemacht.

"Ich bin mit achteinhalb Sekunden Rückstand ins Ziel gekommen, aber ich habe nach der Ziellinie die Arme in die Luft gerissen wie ein Sieger. Die anderen Athleten im Ziel haben sich natürlich totgelacht. Aber das war mein erster und vielleicht sogar der wichtigste Erfolg in Kitzbühel, das überlebt zu haben."

Cuche über sein erstes Mal auf der Streif

LAOLA1: Hattest du auch weniger schöne Erlebnisse in Kitzbühel?

Cuche: Nein, zum Glück nicht. Ich bin nie gestürzt, nur zwei Mal knapp an einem Sturz vorbeigeschrammt. Das ist vielleicht auch ein Mitgrund, warum ich hier so erfolgreich war. In Kitzbühel gibt es zwei Grenzen, die man nicht überschreiten sollte: Das eigene Können und das Limit der Strecke. Bei meinem ersten Sieg 1998 habe ich das noch nicht so wahrgenommen, aber die Jahre danach habe ich Schritt für Schritt das Limit der Streif gefunden, es aber nie überschritten. Das war sicher ein Erfolgsrezept. Man steht mit dem Rücken zur Wand und weiß, dass man seine besten Skills abrufen muss. In Kitzbühel ist mir das fast immer gelungen. Ich habe das bei anderen Rennen natürlich auch versucht, aber so wie in Kitzbühel ging es an keinem anderen Ort.

LAOLA1: Wie präsent sind deine Erinnerungen an dein erstes Mal auf der Streif noch?

Cuche: Ich kann mich erinnern, als ob es gestern gewesen wäre. Es war zwei Jahre vor meinem ersten Sieg. Ich hatte im allerersten Training eine hohe Startnummer um die 40 und von den ersten fünf Läufern sind vier gestürzt und mit dem Helikopter abtransportiert werden. Ich dachte: Wie soll ich das überleben, wenn die besten der Welt schon auf die Schnauze fliegen. Ich war haarscharf dran, zu sagen, das ist nichts für mich. Aber ich bin dann trotzdem gestartet. Ich bin mit achteinhalb Sekunden Rückstand ins Ziel gekommen, weil ich wie Bode Miller damals gegen das Netz gekommen bin, aber ich habe nach der Ziellinie die Arme in die Luft gerissen wie ein Sieger. Die anderen Athleten im Ziel haben sich natürlich totgelacht. Aber das war mein erster und vielleicht sogar der wichtigste Erfolg in Kitzbühel, das überlebt zu haben (lacht).

LAOLA1: Du hast insgesamt sechs Mal in Kitzbühel gewonnen. Wo stehen alle deine goldenen Gämse?

Cuche mit seiner goldenen Gams 2012
Foto: © GEPA

Cuche: Eine steht in einer Vitrine mit meinen größten Erfolgen im Restaurant meiner Eltern. Die Einheimischen kennen das schon, aber es kommen doch immer wieder Leute, die das interessiert. Die anderen Gämse stehen bei mir Zuhause.

LAOLA1: Apropos goldene Gams: Gewinnt Marco Odermatt nach Wengen auch in Kitzbühel?

Cuche: Er hat zwei Chancen, um zu gewinnen. Ob er es schafft, steht in den Sternen. Aber ich traue ihm das zu. Man muss kein Hellseher sein, um zu wissen, dass er vorne mit dabei sein wird. Wenn man auf Odi wettet, wird man nicht reich werden.

LAOLA1: Hat er dich schon um Tipps gefragt, wie man auf der Streif gewinnt?

Cuche: Dieses Jahr nicht, aber wir haben letztes Jahr ein bisschen gefachsimpelt. Da war er schon knapp dran, hatte dann aber die Schrecksekunde. Das hat ihm gezeigt, dass es ein Limit gibt, das man nicht überschreiten sollte. Daraus hat er, glaube ich, extrem viel gelernt. Er wird es sich dieses Jahr sicher besser einteilen und voll angreifen.

LAOLA1: Wenn du alle deine Erfolge betrachtest: Welcher war der bedeutendste in deiner Karriere?

Cuche: Das ist schwierig. Gleich im ersten Winter mit Head habe ich die Abfahrts-Kugel gewonnen, das war ein Wow-Gefühl. In der Saison 2008/09 habe ich die Kugel im Riesentorlauf gewonnen, knapp vor Benni Raich, mit 35 Jahren. Das war nicht der schönste, aber der überraschendste Erfolg. In Kitzbühel war ich bei meinem ersten Sieg 24 Jahre, danach habe ich in Abfahrt und Super-G insgesamt fünf Podestplätze eingefahren, den Sieg ein Mal um 19 Hundertstel und ein Mal um fünf Hundertstel verpasst. Erst 2008, mit 34 Jahren, konnte ich dann einen Sieg auf der Original-Strecke einfahren. Das war vielleicht die Krönung damals. 2011 habe ich mit fast einer Sekunde Vorsprung gewonnen, das war meine perfekteste Fahrt auf der Streif. 2012 war mein letzter Sieg in Kitzbühel, nachdem ich zwei Tage davor meinen Rücktritt angekündigt habe – das war eine verrückte Geschichte.

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