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Liensberger: "Will meine Grenzen höher setzen"

Vorarlbergerin über Kampf gegen Shiffrin und Lehren aus dem Material-Streit:

Viele hatten Katharina Liensberger schon abgeschrieben, bevor die Weltcup-Saison 2019/20 überhaupt begonnen hatte. 

Nach einem geplatzten Material-Wechsel im Sommer und wochenlangen Diskussionen stieg die Vorarlbergerin erst verspätet in den Weltcup ein - und belehrte dann alle eines Besseren. 

Liensberger kam im Laufe des Winters immer besser in Fahrt und beendete die Saison als beste ÖSV-Technikerin. Der erste Podestplatz im Riesentorlauf ihrer Karriere und Rang drei im Slalom-Weltcup zeugen vom Potenzial der 22-Jährigen.

"Ich war dann doch überrascht, dass ich es so gut hingekriegt habe", sagt Liensberger in Anbetracht der schwierigen Saisonvorbereitung. 

Im LAOLA1-Interview spricht Liensberger über den "schönen" Kampf mit Mikaela Shiffrin und Petra Vlhova, ihre Rolle als Teamleaderin bei den ÖSV-Technikerinnen und die Lehren, die sie aus dem Material-Streit gezogen hat. 

LAOLA1: Die Ski-Saison hat abrupt geendet, jetzt steht der Kampf gegen Corona statt um Hundertstel im Vordergrund. Wie gehst du mit der Situation um?

Katharina Liensberger: Natürlich wäre mir ein anderes Saisonende lieber gewesen, aber jetzt kann ich mir umso mehr Zeit nehmen, um die Saison Revue passieren zu lassen und inne zu halten. Ich bereite mich im Rahmen der Möglichkeiten auf die neue Saison vor. 

LAOLA1: Wie hältst du dich zu Hause fit? Musst du beim Training jetzt auch ein bisschen kreativ sein?

Liensberger: Ja, auf jeden Fall. Durch die modernen Medien ist es zum Glück möglich, dass ich mit meinem Coach Toni ständig in Kontakt bin. Natürlich ist viel Kreativität gefragt, ich mache meine Übungen im Wohnzimmer, auf der Terrasse, mit der Springschnur und ich habe die Möglichkeit zum Indoor-Cycling vom RadHaus. Ich denke, das wichtigste ist jetzt, dass wir alle solidarisch handeln und gesund bleiben. Umso wichtiger ist es für mich, dass ich mich fit halte. 

VIDEO - Die Fitness-Übungen von Katharina Liensberger zum Mitmachen:

LAOLA1: Du hast die Saison auf Rang drei im Slalom-Weltcup beendet, so gut warst du noch nie. Hättest du dir das vor der Saison erwartet?

Liensberger: Nein, das habe ich wirklich nicht erwartet. Ich bin ohne jegliche Erwartungen in die Saison gestartet, die Vorbereitung war für mich nicht so einfach. Mein Ziel war, die Saison gesund und stark abzuschließen. Das ist mir gelungen, darüber bin ich sehr glücklich. 

LAOLA1: An Mikaela Shiffrin und Petra Vlhova gab es im Slalom in dieser Saison aber kein Vorbeikommen. 

"Sie setzen definitiv einen sehr hohen Maßstab. Für mich ist es extrem schön, dass ich in dieser Zeit Rennen fahren kann."

Liensberger über Shiffrin und Vlhova

Liensberger: Ich finde es cool, dass die beiden zeigen, was noch möglich ist. Sie setzen definitiv einen sehr hohen Maßstab. Für mich ist es extrem schön, dass ich in dieser Zeit Rennen fahren kann. 

LAOLA1: Schaust du dir auch was von ihnen ab oder verfolgst du deinen eigenen Stil?

Liensberger: Ich denke, es ist ein Mittelmaß. Natürlich orientiert man sich an den besten Läuferinnen, aber das heißt nicht, dass das Beste für sie auch das Beste für mich ist. Ich versuche, individuell mein Potenzial voll auszuschöpfen und meine eigenen Grenzen höher zu setzen. 

LAOLA1: Du bist in Lienz zum ersten Mal im Riesentorlauf aufs Podest gefahren. War das das Erfolgs-Erlebnis, um zu wissen, dass es auch in dieser Disziplin bis ganz nach vorne gehen kann?

Liensberger: Mich hat das extrem gefreut. Persönlich bedeutet mir der dritte Platz in Lienz sehr viel. Vielleicht auch gerade deshalb, weil die Vorbereitung so schwierig war und ich weiß, was ich alles dafür leisten musste. Ich war dann doch überrascht, dass ich es so gut hingekriegt habe. Ich weiß aber auch, dass es im Riesentorlauf noch viel Training bedarf. 

LAOLA1: Du warst in diesem Winter - auch aufgrund von Verletzungen - so etwas wie die Teamleaderin bei den ÖSV-Technikerinnen. Liegt dir diese Rolle?

Liensberger: Ich persönlich habe mich noch nie so als Teamleaderin gefühlt. Natürlich gibt es in der Technik-Gruppe viele Verletzte, umso mehr bin ich froh, dass ich die Saison gesund abschließen konnte. Im RTL und speziell im Slalom mit dem dritten Gesamtrang bin ich aktuell die beste ÖSV-Läuferin. Ich gelte auch bei den Trainern als sehr fokussiert, zielstrebig und konzentriert. Genau mit diesen Eigenschaften möchte ich dann gut in die neue Saison starten. 

LAOLA1: Deine Saison hat mit dem geplatzten Material-Wechsel nicht optimal begonnen. Was hast du aus dieser ganzen Geschichte mitgenommen? Konntest du vielleicht sogar etwas Positives daraus ziehen?

"Ich habe mich dadurch persönlich weiterentwickelt. Ich habe gelernt, zu akzeptieren, wenn ich etwas nicht ändern kann und Eigenverantwortung zu übernehmen. Ich muss einfach meinem Herzen folgen."

Liensberger über den geplatzten Material-Wechsel

Liensberger: Auf jeden Fall. Ich habe mich dadurch persönlich weiterentwickelt. Ich habe gelernt, zu akzeptieren, wenn ich etwas nicht ändern kann und Eigenverantwortung zu übernehmen. Es hat mich gelehrt, das Beste aus einer Situation zu machen. Ich muss einfach meinem Herzen folgen. Skifahren ist das, was ich gerne mache und was ich aus vollem Herzen mache. Ich bin dankbar für alle Momente und Erfahrungen, die ich als Skirennläufern machen darf. 

LAOLA1: Du hast dich in den letzten Jahren kontinuierlich gesteigert. Wie sieht dein Karriereplan aus, wo soll es noch hingehen?

Liensberger: Natürlich soll es so weit rauf wie möglich gehen. Die Richtung stimmt auf jeden Fall. 2017 war ich im Slalom auf dem 44. Gesamtrang, 2018 war ich 14., 2019 dann 7. und heuer konnte ich mich auf den 3. Platz steigern. Das sind Schritte, an denen ich sehe, dass die Richtung passt. Dennoch will ich mich nicht nur an Ergebnissen messen. Mir ist wichtig, mich skitechnisch Schritt für Schritt zu verbessern und mich stetig weiterzuentwickeln. Das gilt im Slalom genauso wie im RTL. Momentan ist der Fokus noch auf den technischen Disziplinen, aber ich habe auch das Ziel, später einmal Speed-Disziplinen dazuzunehmen.

LAOLA1: Hast du einen konkreten Plan, wann du die Speed-Disziplinen dazunehmen willst?

Liensberger: Nein, durch die momentane Situation habe ich keinen konkreten Plan. Jetzt geht es erst einmal um die technischen Disziplinen, darauf liegt mein Fokus. Ich will da auf meinem besten Niveau fahren, konstant starke Leistungen im Rennen abrufen und irgendwann hoffentlich ganz oben stehen. 

LAOLA1: Ist der erste Weltcup-Sieg das große Ziel für die kommende Saison?

Liensberger: Ob es in der nächsten Saison passiert oder nicht, kann man nicht planen oder vorhersagen. Aber ich werde natürlich alles dafür tun, dass ich meine Leistung verbessere und mein Niveau und meine Grenzen höher setze. Was dann schlussendlich für eine Platzierung raus kommt, hängt auch davon ab, wie die anderen Läuferinnen in Form sind. Davon, dass es irgendwann einmal für ganz oben reicht, darf ich träumen. 

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