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Ex-Hirscher-Manager: "Er kann kein Rockstar sein"

Im 2. Teil zieht Holzer Vergleich mit Hermann Maier, erzählt Anekdoten und blickt in Hirschers Zukunft:

Ex-Hirscher-Manager:

Im ersten Teil des LAOLA1-Interviews sprach Marcel Hirschers ehemaliger Manager Michael Holzer über die gemeinsame Zeiten und die Trennung mit faulem ÖSV-Beigeschmack. Im zweiten Teil verrät er Hirschers Erfolgsgeheimnis, zieht einen Vergleich mit Hermann Maier erzählt lustige Anekdoten aus gemeinsamen Tagen und blickt in die Zukunft des Salzburgers:

LAOLA1: Wie würdest du seine Erfolge einordnen? Ist er mit der sechsten Kugel schon der „Größte“ aller Zeiten?

Holzer: Die Frage ist, wie man das definiert. Rein sportlich? Da ist es schon nicht leicht, eine Skala aufzustellen und Erfolge zu vergleichen. Fraglos ist er einer der größten Skifahrer der Geschichte, für mich der Größte. Auch, wenn die Olympia-Goldmedaille fehlt, muss man sich seine Erfolge bewusstmachen. Dass jemand sechs Mal in Folge den Gesamtweltcup gewinnt, ist nicht erklärbar. Du kannst in einer Saison Glück haben, weil sich jemand anderer, der auch gut dabei wäre, verletzt. Das geht aber nicht über sechs Jahre. Die Leistung von Marcel ist kaum nachvollziehbar. Was macht die Großen zu den Größten? Da kommt man meiner Ansicht nach auf ein philosophisches Terrain. Es gibt eine vage Nomenklatur, wie man sportlichen Erfolg bemisst. Da ist Olympia-Gold die härteste Währung in der öffentlichen Wahrnehmung. Die Skifahrer selbst stellen den Weltcup teilweise über Medaillen, weil Medaillen Ausdruck einer guten Tagesperformance sind, Weltcup-Kugeln aber für eine ganze Saison stehen. So oder so: Marcel hat Dinge verwirklicht, die für unmöglich gehalten wurden. Es gibt die „Ära Hirscher“, an die man lange zurückdenken wird.

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LAOLA1: Immer wieder wird versucht, einen Vergleich mit Hermann Maier zu ziehen. Wie siehst du das?

Holzer: Problematisch. Bei der Performance sind sie beide überragend. Aber „der Größte aller Zeiten“ beschreibt ja einen Mythos, der nur zum Teil aus messbarer sportlicher Leistung besteht und zu einem anderen Teil aus der Wirkkraft der Persönlichkeit. Kein Skriptschreiber der Welt hätte die „Hermann Maier“-Story so gut schreiben können, wie sie tatsächlich passiert ist. Deshalb ist es wahnsinnig schwer, die beiden zu vergleichen. Ich kenne beide sehr gut, es gibt auch klare Parallelen, linear vergleichen kann man sie dennoch nicht miteinander. Bei Hermann kommen diese unglaublichen Dinge zusammen – der Sturz in Nagano, die schwere Beinverletzung. Es war auch DIE Hochzeit des Skisports. Ob man will oder nicht: Für seinen Mythos spielt das eine Rolle. Das Heroische, das Hermanns Charisma immer ausgemacht hat, hat viel mit seiner Biografie zu tun: der Geächtete, der Aufstieg wie ein Komet, der zwei Mal beinahe umgekommen wäre und am Ende immer wieder als Sieger dastand. Es macht einen Unterschied, ob man diese Loopings des Lebens selbst durchlebt hat oder ob man von weniger harten Challenges geprüft wurde. Wir wissen nicht, wie viel Mythos mit dem Namen Hermann Maier verknüpft wäre, hatte er nicht diese Schicksalsfügungen durchlebt. Sie setzen auf die grandiose Karriere noch einmal einen drauf. Bei Marcel sind die Dramen – zum Glück – flacher verlaufen: die Einfädelaffäre und ein haariger Verkehrsunfall gleich im ersten Jahr, der Drohnenabsturz und ein gestohlener Renn-Ski seither. Das ist halt eine andere Story, als die von Hermann. Und gerade deshalb sage ich: Die Quervergleiche bringen nichts.

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LAOLA1: Ist es mittlerweile so, dass Marcel weniger Ecken und Kanten hat als in seinen Anfangsjahren? Hat er sich vom „Rockstar“ zum zurückgezogenen Profi-Athleten entwickelt?

Holzer: Er hat seinen sicheren Stand sehr gut gefunden. Denn wenn du als Einzelperson dauernd so in einem Kraftfeld stehst – Raiffeisen, Red Bull, ÖSV, Atomic, Audi – ist es schon eine Riesenleistung, wenn die Öffentlichkeit überhaupt noch etwas von deiner Persönlichkeit mitkriegt. Für manche wirkt er vielleicht pragmatisch, das verstehe ich aber. Du kannst nicht alles haben. Du kannst nicht Rockstar sein und gleichzeitig erwarten, dass in dieser komplexen Ökologie des erfolgreichsten Sportlers Österreichs alles homogen läuft. Das ist der ewige Spagat zwischen Individualität und Uniformität, der kaum zu schaffen ist. Am ehesten hat ihn noch Hermann Maier bewerkstelligt, obwohl auch er sich irgendwann verletzt hat. Marcel war in den vergangenen sechs Jahren nie verletzt: ein Indikator für innere Balance. Ich denke: Marcel hat ein gutes Gefühl für alles, was für ihn eine Ressource ist. Braucht er auch, bei dem Programm, das er da abspult. Auch wenn er nicht in jedem Interview den Entertainer auspackt: Für ihn, für Marcel, passt dieses effiziente Handling seiner Öffentlichkeit genau. Er ist in dem Punkt kein Tomba, kein Maier und kein Schönfelder. Muss er auch nicht (auch noch) sein. Er ist Marcel Hirscher. Fair enough!

LAOLA1: Wie viel macht bei Marcel naturgegebenes Talent aus und wie viel ist antrainiert?

Holzer: Das fließt bei ihm ideal zusammen – Leidenschaft und Getriebenheit. Sein Vater Ferdinand hat ihm sehr lange die Mauer gemacht. In dieser Seilschaft wurde in seinen frühen Karriere-Jahren vieles abgepuffert, dem er alleine ausgesetzt gewesen wäre. Marcel wurde von Nachwuchs-Verantwortlichen gesagt, dass er bei seinem Fahrstil mit 15 Jahren nicht einmal mehr gehen können würde. Ferdinand hat ihn da aber immer gut beschützt. Was ich sensationell fand, war Marcels Umgang mit der „Einfädler-Affäre“ 2012. Das war richtig happig, mit Cobra und allem Drum und Dran. Nur weil Ivica Kostelic da überreagiert und Marcels Fairness in Zweifel gezogen hatte. Das war eine echte Nagelprobe für ihn, der Druck war gewaltig. Auf der Piste hat er trotzdem nicht gewackelt, kein bisschen, das hat mir Respekt abgerungen. In der ersten Gesamtweltcup-Saison gab es viele neue Situationen, viel Stress – auf der Piste hat er trotzdem keine Schwäche gezeigt. Ich habe ihn dann einmal gefragt, wie er das macht. Er hat gemeint: „Schau: Die Piste ist wie mein Zimmer. Am Start hau ich quasi die Tür zu - und alle anderen bleiben draußen. Bis ich im Ziel bin.“ So hat er es damals beschrieben, das fand ich genial.

"Für manche wirkt er vielleicht pragmatisch, das verstehe ich aber. Du kannst nicht alles haben. Du kannst nicht Rockstar sein und gleichzeitig erwarten, dass in dieser komplexen Ökologie des erfolgreichsten Sportlers Österreichs alles homogen läuft. Das ist der ewige Spagat zwischen Individualität und Uniformität, der kaum zu schaffen ist."

LAOLA1: Ist das sein größtes Erfolgsgeheimnis?

Holzer: Das Erfolgsgeheimnis ist schon eher das stabile und schützende Umfeld. Dazu kommt das wirklich bewundernswerte Maß an Disziplin. „Hang loose“ kennt er nicht wirklich. Am Anfang hätte man noch sagen können, dass er dort hin will, wo einige waren. Da ist er jetzt aber schon überall gewesen, trotzdem bleibt er am Anschlag. Da steht er mindestens eine Stufe über allen anderen. Es ist ein hochenergetisches Gemisch, das ruft er einfach ab. Bei ihm ist das ein Standard. Da gibt es schon eine Verbindung zu Hermann Maier, der hat damals auch extrem viel am Material herumexperimentiert. Die Faszination für die atomare Struktur dieser Sportart teilen die beiden.

LAOLA1: Die Frage bleibt, wie lange er das noch durchzieht? Denkst du, dass nach 2018 wirklich Schluss ist?

Holzer: Das wird stark darauf ankommen, wie die Olympischen Spiele ausgehen. Ich verstehe, wenn er einen Olympiasieg in der Galerie gerne dabeihätte. Aus meiner Erfahrung weiß ich, dass Olympia eine Währung ist, die überall verstanden wird – auch dort, wo man mit dem Skisport nicht so viel anfangen kann. International hat das einen besonderen Stellenwert. Ich denke, das wissen auch alle Sportler. Ich würde es ihm von Herzen gönnen, dass er das auch noch schafft. Dann stellt sich die Frage, was er danach noch erreichen kann. Marcel ist ein Entwicklungswesen – bei ihm habe ich das Gefühl, dass er bei allem erfolgreich sein kann, was er anpackt. Er hat die Grundeinstellung, die berühmte Extra-Meile geht er ganz natürlich. Das hat ihn auch so gut gemacht. Olympia ist sicher im Fokus. Wenn das aufgeht, was ist dann noch zu holen?

LAOLA1: Ein Sieg in der Abfahrt beispielsweise…

Holzer: Das wäre noch einmal ein komplett neues Projekt. Es ist trotzdem Skifahren, also warum nicht? Ich bin mir da aber nicht so sicher. Ich glaube schon, dass es richtig viel Energie kostet, wie er das ganze betreibt. Womöglich lässt er es nach 2018 tatsächlich sein.

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