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Wie weit geht Eliasch? Ski-Weltcup am Scheideweg

FIS-Boss Eliasch sorgt mit wilden Plänen für Ärger. Spaltet sich der ÖSV gar ab?

Wie weit geht Eliasch? Ski-Weltcup am Scheideweg Foto: © GEPA

In 165 Tagen startet die neue Weltcup-Saison der Alpinen – vielleicht.

Traditionell wird rund um den Nationalfeiertag am Rettenbachferner im Tiroler Ötztal hoch über Sölden der Winter offiziell eingeläutet. Dass das auch in diesem Jahr so sein wird, davon ist auszugehen. Ganz sicher ist es jedoch nicht.

Denn der Weltcup-Kalender für die Saison 2022/23 existiert offiziell noch nicht.

Verantwortlich dafür ist FIS-Präsident Johan Eliasch.

Der 60-jährige schwedisch-britische Milliardär will den Kalender umkrempeln und hat auch sonst wilde Pläne für den Skisport.

Seine Vorhaben und vor allem sein Verhalten kommen vielerorts – gelinde gesagt – nicht gut an. Die Stimmung zwischen dem FIS-Präsidenten und den großen Verbänden, darunter dem ÖSV, ist mehr als unterkühlt.

Eliasch und seine großen Pläne

Der frühere HEAD-Chef Eliasch ist im Juni 2021 mit großen Plänen sein Amt als FIS-Präsident angetreten. Er will den verstaubten Ski-Weltverband und den Sport in eine morderne Zukunft führen und neue Märkte erschließen.

Eliasch nimmt sich ein Beispiel an Weltsportarten wie der Formel 1. Von Preisgeldern, die jenen im Tennis gleichen, ist die Rede.

Die anfängliche Aufbruchstimmung ist jedoch längst verflogen, stattdessen gibt es Zerwürfnisse an gleich mehreren Fronten.

Eine davon ist der Weltcup-Kalender. Der erste Entwurf, der bei der Frühjahrs-Sitzung im April zur Abstimmung kam, sorgte für Aufregung.

Reise-Wahnsinn und Nachhaltigkeits-Initiative

Einerseits fehlt bei den Männern mit der Abfahrt auf der Kandahar in Garmisch-Partenkirchen ein echter Klassiker. Auch die Rennen in Norwegen wurden komplett gestrichen.

Andererseits beinhaltet der Kalender-Entwurf unter anderem eine zweite Station in den USA in Palisades Tahoe Ende Februar. Nach den traditionellen Dezember-Rennen in Nordamerika müsste der Ski-Tross also ein zweites Mal über den Atlantik jetten.

Auch auf die Frauen könnten ärgere Reisestrapazem zukommen. Denn im Jänner 2023 sollen 14 Rennen an sieben Event-Orten stattfinden, die mit Zagreb, Kranjska Gora, Flachau, St. Anton, Cortina, Garmisch-Patenkirchen und Kronplatz auf fünf Länder verteilt sind.

Ob sich das mit der groß angekündigten Nachhaltigkeits-Initiative der FIS, die ein Regenwald-Projekt lanciert hat, verträgt?

Im Gegensatz zu den Skispringern, die aufgrund der Winter-Fußball-WM in Katar (21. November bis 18. Dezember) früher als üblich in die Saison starten, scheint man bei den Alpinen bei der Terminplanung wenig Rücksicht auf das Großereignis zu nehmen.

Einbußen bei der TV-Präsenz nimmt man offenbar in Kauf.

Rätsel um neue Formate

Ein besonders erfinderischer Kopf hat sich zudem neue Formate einfallen lassen.

Die Kombination im klassischen Sinne mit Abfahrt oder Super-G und Slalom soll Geschichte sein. Stattdessen seien für Frauen und Männer je fünf Speed- und Technik-Kombinationen geplant. Sprich: Abfahrt und Super-G würden addiert, ebenso wie Riesentorlauf und Slalom.

Gerüchte um ein Aus des Super-G und einen Riesentorlauf mit nur einem Durchgang machten ebenfalls bereits die Runde.

Dies dementiert FIS-Generalsekretär Michel Vion (Kombinationsweltmeister in Schladming 1982) gegenüber der französischen Zeitung "Le Dauphiné".

"Es wird auch im kommenden Winter noch den Super-G geben, auch die Geschichte, dass der Riesentorlauf nur noch einen Durchgang haben soll, ist Fake News."

In Kitzbühel soll es eine Sprintabfahrt auf der Streif geben. Hinzu kommt, dass die Parallel-Rennen bis auf das Event in Lech/Zürs verschwinden sollen.

ÖSV-Präsidentin Stadlober: "Es findet kaum Kommunikation statt"

Beim ÖSV plant man in der Annahme, dass alle Rennen in Österreich wie in der Vergangenheit stattfinden werden.

"Ich gehe davon aus, das die Rennen gesichert sind", sagt Präsidentin Roswitha Stadlober Ende April auf LAOLA1-Nachfrage.

"So wie der Entwurf jetzt am Tisch liegt, ist er schwer umsetzbar."

Präsidentin Stadlober über Kalender-Pläne

Richtig eingeweiht wurde der ÖSV in die Pläne von Eliasch allerdings nicht.

"Wir wissen nicht mehr, als wir bisher präsentiert bekommen haben. Es findet kaum Kommunikation statt", erklärt Stadlober. Mehr als Smalltalk habe es mit Eliasch bisher nicht gegeben.

"Seitens des Verbandes fordern wir natürlich Informationen ein, die wir so noch nicht bekommen haben, vor allem was die Kalender-Termine betrifft. Wir müssen schließlich auch mit unseren Partnern planen, da sind aktuell viele Dinge in der Warteschleife", sagt die 58-jährige ehemalige Slalom-Vizeweltmeisterin (1987).

"Der erste Kalender-Entwurf ist auch nicht so zufriedenstellend. Vor allem weil die Reisen, beispielsweise nach Amerika, enorm aufwändig und teuer sind. Dem Gedanken der Kombinationen kann ich überhaupt nichts abgewinnen", stellt die ÖSV-Präsidentin klar und meint: "So wie es jetzt am Tisch liegt, ist es schwer umsetzbar."

So einfach, wie sich Eliasch die Einführung neuer Formate oder Rennen offenbar vorstellt, ist es dann doch nicht.

Ob die Kalender-Meetings am 9. und 10. Mai zu einem Ergebnis geführt haben, wird sich weisen. Spätestens beim 53. FIS-Kongress am 25. Mai in Mailand muss der Kalender aber stehen.

Zentralvermarktung als großes Streitthema

Ein noch viel größerer Streitpunkt als der Kalender ist die von Eliasch geplante zentrale Vermarktung des Ski-Weltcups.

Geredet wird darüber seit Jahren, Geschäftsmann Eliasch will jetzt Nägel mit Köpfen machen und die Vermarktung der Weltcup-Events schon ab kommender Saison nicht mehr den nationalen Skiverbänden des jeweiligen Austragungslandes überlassen.

Grundsätzlich stößt das Vorhaben nicht auf Ablehnung.

Aber die Tatsache, dass die Mitgliedsverbände auch nicht mehr Rechteinhaber sein sollen, statt der FIS lediglich die Zentralvermarktung der Rechte zu überlassen, lässt vor allem große Nationen wie Österreich, Schweiz, Deutschland oder die Skandinavier auf die Barrikaden steigen.

"Wir sind Entwicklungen gegenüber nicht abgeneigt, was die Vermarktung betrifft. Da können wir uns eine befristete gemeinsame Vermarktung durchaus vorstellen, das haben wir immer gesagt. Aber was für uns gar nicht geht ist, dass wir die Rechte abgeben. Die gehören den nationalen Verbänden", stellt ÖSV-Präsidentin Stadlober klar.

Klags-Welle droht

Eliasch stellt den Verbänden durch die Zentralvermarktung finanzielle Vorteile in Aussicht. Zusätzlich zu den bisherigen Einkünften sollen 35 Prozent des Profits, den die FIS aus der Zentralvermarktung generiert, unter ihnen verteilt werden.

Das soll möglich werden, indem der "Zwischenhändler" Infront Sports & Media - Sportmarketing-Unternehmen und TV-Rechtehändler im Wintersport - ausgeschaltet wird.

Genau hier lauert ein weiteres Problem: Infront hat teils langjährige Verträge mit nationalen Verbänden einerseits und TV-Anstalten andererseits.

Diese scheinen Eliasch nicht sonderlich zu interessieren. Die Verbände sollen entsprechende "Entschädigungen" für Vertragsauflösungen, auch mit anderen wichtigen Partnern und Sponsoren, erhalten. Diverse Klagen sind hier wohl vorprogrammiert.

Schröcksnadel stellt sich gegen Eliasch

"Mein Vorschlag ist, dass man sich ein, zwei Jahre Zeit gibt. Mit der Brechstange wird es scheitern."

Peter Schröcksnadel über die Zentralvermarktung

Sogar Peter Schröcksnadel, im Vorjahr als damaliger ÖSV-Präsident "Wahlhelfer" von Eliasch und bis Mai noch im FIS-Vorstand, zeigt sich angesichts der Pläne des FIS-Oberhaupts skeptisch.

"Ich erachte seine Absicht, die Vermarktung zu zentralisieren, weiterhin als richtig, um den Weltcup auf das nächste Level zu heben und mehr Geld zu generieren. Aber ich bin natürlich vehement gegen eine Enteignung der nationalen Verbände", erklärt der 81-jährige Tiroler gegenüber der "NZZ".

Schröcksnadel meint: "Mein Vorschlag ist, dass man sich ein, zwei Jahre Zeit gibt. Mit der Brechstange wird es scheitern."

ÖSV-Abspaltung von FIS? "Es ist immer gut, einen Plan B zu haben"

Dass Eliasch seine Pläne auf Biegen und Brechen umsetzen will, sorgt im Ski-Zirkus ebenso für Ärger wie die fehlende Kommunikation.

So kursieren bereits Gerüchte, wonach sich die großen Verbände wie Österreich, die Schweiz oder Deutschland von der FIS abspalten und eine eigene Rennserie gründen könnten.

Ist ein solches Szenario wirklich denkbar?

"Es ist wie überall im Leben: Es ist immer gut, einen Plan B in der Tasche zu haben. Wenn der Plan B gut durchdacht ist, kann man den durchaus einmal rausholen. Es ist vieles möglich", sagt ÖSV-Präsidentin Stadlober gegenüber LAOLA1.

Dass es tatsächlich dazu kommt, ist eher unwahrscheinlich. Dennoch befindet sich der Skisport an einer entscheidenden Wegkreuzung. Etliche Experten sehen die Zukunft des Weltcups gefährdet.

Wohin der Weg führen wird, hängt zu einem entscheidenden Teil von Eliasch ab.

Er wird übrigens beim anstehenden FIS-Kongress Ende Mai in Mailand trotz der aktuellen Zerwürfnisse für weitere vier Jahre zum Präsidenten gewählt. Er ist der einzige Kandidat.

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