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Dank Maier und Hirscher: Vom Zwergstaat aufs Ski-Podest

Joan Verdu aus Andorra schrieb beim Riesentorlauf in Val d'Isere Ski-Geschichte. Seine Vorbilder sind seit seiner Kindheit zwei ÖSV-Legenden.

Dank Maier und Hirscher: Vom Zwergstaat aufs Ski-Podest Foto: © GEPA

Joan Verdu Sanchez steht mit feuchten Augen im Zielraum der Face de Bellevarde.

Unzählige Läufer hat die berüchtigte Rennstrecke in Val d’Isere abgeworfen, unzählige brachte sie zur Verzweiflung. Joan Verdu bescherte sie am Samstag den wohl größten Moment seines Lebens.

Der 28-Jährige sorgte mit seinem dritten Platz im Riesentorlauf für die Sensation des Tages – und schrieb nebenbei noch Geschichte. Verdu ist der erste Rennläufer aus dem Zwergstaat Andorra auf einem Weltcup-Podest.

"Es ist crazy, ich kann es gar nicht glauben", ringt Verdu nach seinem Karriere-Höhepunkt im Eurosport-Interview mit den Worten. "Ich bin sehr stolz, dass ich Andorra vertreten darf."

"Mein Vorbild war zuerst Hermann Maier und dann Marcel Hirscher"

Andorra ist ein kleines, unabhängiges Fürstentum in den Pyrenäen zwischen Frankreich und Spanien. Auf einer Fläche von rund 468 Quadratkilometern leben rund 80.000 Menschen.

Andorra ist in erster Linie als Steueroase bekannt, in der zollfreies Einkaufen möglich ist. In dem über 1.000 Jahre alten Land wird aber auch dem Skisport gefrönt. Die hiesige Tourismus-Website wirbt mit Ski-Spaß auf 300 Pisten-Kilometern.

In den Pyrenäen lernte auch Verdu das Skifahren. Seine Vorbilder kamen aus Österreich. "Als ich jung war, gab es keine Idole aus Andorra. Wir hatten nie Top-Rennläufer im Weltcup", erzählt Verdu LAOLA1 im Oktober am Rande des Weltcup-Auftakts in Sölden.

"Mein Vorbild war zuerst Hermann Maier und dann Marcel Hirscher", verrät Verdu. "Marcel ist eine Legende. Ich hatte schon die Ehre, ihn zu treffen. Er ist ein unglaublicher Typ."

Der 28-Jährige versucht, sich die eine oder andere Tugend des "Besten", wie Verdu Hirscher bezeichnet, abzuschauen. "Marcel ist einfach eine Maschine. Er ist mental so stark, hat trotz des Drucks immer 100 Prozent gegeben und ist nie ausgefallen."

"Ich will sie zum Skifahren motivieren. Ich will ihnen zeigen, dass sie es schaffen können. Es ist möglich, ganz nach oben zu kommen."

Verdu will ein Vorbild für Kinder in Andorra sein

Verdu und die Norweger

Verdu, der bei den Olympischen Jugend-Spielen in Innsbruck 2012 Bronze im Super-G holte, gab 2016 sein Debüt im Weltcup. Mit dem Sieg in der Riesentorlauf-Gesamtwertung im Europacup sicherte er sich 2022/23 einen fixen Startplatz im Weltcup in dieser Disziplin. Damit nahm Verdus Karriere richtig Fahrt auf.

Im vergangenen Winter erreichte der Riesentorlauf-Spezialist in allen Rennen, in denen er ins Ziel kam, die Top 20. Sein bestes Weltcup-Ergebnis war bis zum vergangenen Wochenende ein 12. Platz.

Mit dem dritten Rang in Val d’Isere sicherte sich Verdu nun einen weiteren Eintrag in die Geschichtsbücher. Einen solchen hatte er bereits nach seinen neunten Rang im Riesentorlauf bei den Olympischen Spielen 2022 in Peking sicher. Noch nie war ein Sportler aus Andorra bei Olympischen Winterspielen besser platziert. Bei der Ski-WM Anfang dieses Jahres in Frankreich erreichte Verdu mit Platz zehn im Parallel-Rennen das erste Top-Ten-Ergebnis eines andorranischen Skirennläufers bei Weltmeisterschaften.

"Ich habe hart gearbeitet. Es war nicht immer leicht, ich hatte Verletzungen und Zweifel. Aber speziell im letzten Jahr habe ich mich gut entwickelt", sagt Verdu.

Einen kleinen Anteil an dieser positiven Entwicklung hat wohl auch das norwegische Team, mit dem der Riesentorlauf-Spezialist in der Saisonvorbereitung des Öfteren trainiert hat. "Das ist eine super starke Gruppe. Sie sind jung und sehr schnell. Wir hatten eine gute Zeit", erzählt Verdu.

Verdu, das Idol: "Es ist möglich, ganz nach oben zu kommen"

Seine Ziele für diese Saison sind klar.

"Mein großes Ziel ist es, konstant in die Top Ten zu fahren. Ich hatte in der vergangenen Saison viele gute zweite Durchgänge. Heuer will ich es schaffen, ganze Rennen auf diesem Niveau zu fahren. Ich denke, ich kann sehr schnell Skifahren. Und warum nicht auch mal in die Top fünf", sagte Verdu noch in Sölden.

Das mit den Top fünf hätte ja schon mal funktioniert. Gleichzeitig will Verdu mit seinen Leistungen das erreichen, was er selbst nie hatte: Er will ein Idol für andorranische Kinder und Jugendliche sein.

"Ich will sie zum Skifahren motivieren. Ich will ihnen zeigen, dass sie es schaffen können. Das ist eines meiner größten Ziele im Moment", sagt Verdu. "Es ist möglich, ganz nach oben zu kommen."

Joan Verdu ist das beste Beispiel dafür.  

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