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Unterschätzt? Wie Österreichs 4. Linie bei der WM überrascht

Vor der WM wurde mit Bauchweh auf die nominell letzte Angriffsreihe geblickt. Das Trio überzeugt jedoch mit Einsatz, Energie und Nadelstichen.

Unterschätzt? Wie Österreichs 4. Linie bei der WM überrascht Foto: © GEPA

Was sind die Hauptaufgaben einer vierten Linie im Eishockey?

Sie soll einerseits die Top-Reihen entlasten, im besten Fall den Gegner ermüden. Außerdem kann sie neue Energie in ein Spiel bringen, den Teamkollegen einen Push verleihen. Und der wichtigste Punkt: Sie soll defensiv zuverlässig arbeiten.

Die angeführten Punkte treffen auf Österreichs nominell letzte Angriffsreihe in den ersten zwei Spielen der Weltmeisterschaft in Schweden und Dänemark vollumfänglich zu.

Lukas Kainz, Oliver Achermann und Lucas Thaler wirkten gegen die Top-Nationen Finnland und Schweden keineswegs deplatziert und erfüllten ihre Aufgaben mit Bravour.

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"Bauchweh-Linie" überzeugt 

Dabei wurde das Trio vor der WM mancherorts noch als "Bauchweh-Linie" bezeichnet. Sie straft die Kritiker aber Lügen.

"Die vierte Linie kann man wirklich loben", war Teamchef Roger Bader mit den bisherigen Auftritten hochzufrieden.

"Es ist ein schönes Kompliment und eine Bestätigung für das eigene Spiel, wenn man gegen solche Top-Nationen seinen Beitrag leisten kann", freute sich Kainz über die lobenden Worte. Achermann ergänzte: "Es ist sicher motivierend für uns, solche Worte zu hören."

Kainz: Spätes WM-Debüt mit Wirkung

Thaler hatte seinen Kaderplatz nach einer hervorragenden Saison bei ICE-Meister EC Red Bull Salzburg sicher. Achermann und Kainz kämpften sich hingegen von der ersten Vorbereitungswoche in Wien bis nach Stockholm.

Für den Angreifer in Diensten der Graz99ers ist es im Alter von 29 Jahren überhaupt die erste Weltmeisterschaft. Im Vorjahr schaffte es der Niederösterreicher hauchdünn nicht ins Aufgebot für Prag, wurde nach dem letzten Testspiel gegen Kanada noch aus dem Kader gestrichen.

"Die ersten Tage war es sicher ein Tiefschlag, aber ich war trotzdem motiviert und wollte es im nächsten Jahr schaffen", sagte Kainz gegenüber LAOLA1. Diesmal hat er den Sprung geschafft und beweist, "dass er zurecht dabei ist", so Bader.

Achermanns Weg zurück

Für Achermann ist es bereits die dritte WM-Teilnahme nach 2022 und 2023. "Er ist vielleicht ein unauffälliger Spieler, der allerdings bei beiden Tampere-Weltmeisterschaften schon in dieser Rolle dabei war und dort gezeigt hat, wie wertvoll er ist", wusste Bader, was er am gebürtigen Schweizer hat.

Der Sohn eines Schweizers und einer Österreicherin wäre womöglich auch für die WM in Prag ein Thema gewesen, wenn ihn nicht eine schwere Verletzung außer Gefecht gesetzt hätte.

"Diese Zeit war mental sehr schwierig. Dann fliegt man auch in ein kleines Loch."

Oliver Achermann

Anfang Jänner 2024 erlitt der baumlange Stürmer in einem Swiss-League-Spiel für seinen Klub La Chaux-de-Fonds einen Totalschaden im Knie. Kreuzband, Innenband und Meniskus waren gerissen, hinzu kam ein Knorpelschaden.

Eine mentale Prüfung

"Ich wollte mich umdrehen, dann hat sich der Schlittschuh im Eis verfangen. Dabei habe ich das Knie verdreht und bin rückwärts gefallen. Alles war kaputt", erzählte Achermann im Gespräch mit LAOLA1 in Stockholm.

Die Saison war für den 31-Jährigen vorzeitig beendet, eine Operation samt langer Rehabilitation unumgänglich. Achermann berichtete: "Diese Zeit war mental sehr schwierig." Phasen, als der Genesungsfortschritt stagnierte, setzten der Psyche besonders zu. "Dann fliegt man auch mental in ein kleines Loch."

Der Mittelstürmer konnte auf ein gutes Umfeld setzen, erhielt zudem vom Verein wertvolle Unterstützung. "Die gesamte medizinische Abteilung hat sehr gute Arbeit geleistet. Zuhause hat mich meine Freundin in den schwierigen Phasen sehr gut unterstützt", blickte er zurück.

Nicht der erste Rückschlag

Es war nicht der erste Rückschlag in seiner Karriere.

Achermanns Weg ins Nationalteam war keineswegs vorgezeichnet, immer wieder wurden ihm Steine in den Weg gelegt. Im Nachwuchs wurde der Rechtsschütze von einem Klub zum nächsten geschoben, konnte sich nirgends wirklich festsetzen.

2017 folgte mit der Unterschrift beim EHC Visp der Aufschwung, seit 2020 spielt er in La Chaux-de-Fonds nahe der französischen Landesgrenze. "Es wäre sicher schwieriger gewesen, wenn so ein großer Rückschlag zum ersten Mal im Leben passiert wäre", gab der Hüne zu. Dadurch wusste er, was auf ihn zukommt.

Lange WM-Vorbereitung hilfreich

Sein Mindset hat ihm am Weg zurück ebenfalls geholfen. Achermann: "Ich wusste, wenn ich an mir arbeite und die Arbeit auch mache, wird es früher oder später wieder gut."

Achermann verrichtet mit Kainz und Thaler essenzielle Arbeit
Foto: © GEPA

Mitte Jänner dieses Jahres gab er schließlich sein Comeback, bestritt zwölf Spiele in der Swiss League. Danach folgte die Einberufung ins Nationalteam.

Die lange Vorbereitung tat ihm gut. "Das hat mir extrem viel gebracht, um in den Rhythmus zu kommen und mich an die höhere Intensität und das Tempo zu gewöhnen", betonte Achermann.

Nicht nur defensiv solide spielen

Gemeinsam mit seinen Linienkollegen ist er in Stockholm für die "Drecksarbeit" zuständig - im Verbund wird diese bislang erfolgreich verrichtet. Das Ziel sei jedoch nicht nur, defensiv solide zu spielen.

Man versuche auch, offensiv Akzente zu setzen. "Das ist nicht immer einfach", lächelte Achermann angesichts der starken internationalen Konkurrenz. "Aber wenn wir können, wollen wir uns auch Offensivzeit erarbeiten." Das Trio vereint aktuell drei Torschüsse (2x Achermann, 1x Thaler) unter sich.

Kainz war sich im Klaren, dass man als Katalysator dienen könne: "Wenn wir unsere Rolle perfekt spielen, können wir der Mannschaft sicher Energie und Momentum verleihen."

Ob als disziplinierte Arbeiter, zuverlässige Defensivkräfte oder Energielieferanten - Kainz, Achermann und Thaler könnten im weiteren Turnierverlauf ein wichtiger Faktor für Österreich sein.



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