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Reinbacher: Unerwartete Leistungsexplosion und offene Fragen

Bei David Reinbacher nimmt das Kribbeln vor dem NHL Draft "von Tag zu Tag zu". Scouts und GMs schwärmen, doch wo liegt seine Leistungsobergrenze?

Reinbacher: Unerwartete Leistungsexplosion und offene Fragen Foto: © GEPA

Am 29. Juni um 1 Uhr unserer Zeit ist es soweit: In Nashville beginnt die erste Runde des NHL Entry Drafts.

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Klar ist: David Reinbacher wird hier früher oder später seinen Namen aufgerufen hören. LAOLA1-Experte Bernd Freimüller zeigt auf, was für die 32 Teams und den Österreicher bis dahin noch ansteht:

Reinbachers Aktivitäten nach der WM

Viel Zeit zum Durchschnaufen blieb ihm nicht: Nach einigen Tagen in Kloten ging es über den großen Teich. Erst zum Scouting Combine in Buffalo, danach gleich zu einem von seiner Agentur "Maloney & Thompson" organisierten Off-Ice-Camp in Carlsbad (Kalifornien, nicht Tschechien).

Am Montag hebt dann von dort für ihn der Flieger nach Nashville ab, wo sicher noch einige Interviews auf dem Programm stehen. Beim Combine sprach er mit 23 Teams, die meisten Gespräche fanden in lockerer Atmosphäre statt.  

Wie verlief das Combine für ihn?

Durchaus gut, die Ergebnisse der physischen Tests zeigten kaum Ausreißer. Wenig überraschend seine Antwort, was ihm am schwersten fiel: "Der Wingate Test!". Dabei müssen sich die Spieler 30 Sekunden auf einem Ergometer voll verausgaben, so mancher Spieler hat danach den bereitstehenden Kotzeimer in Anspruch nehmen müssen.

Die bei der WM erlittene Knieverletzung (Innenbandzerrung) behinderte ihn bei den Tests nur ein bisschen, allerdings verspürt er noch immer leichte Schmerzen an der Patellasehne, die ihm auch schon vor der WM Probleme bereitete.

Die Interviews bewältigte der Lustenauer auch ohne größere Vorkommnisse, einzig eine Frage über den 2. Weltkrieg brachte ihn etwas aus der Fassung. Dazu kamen noch einige (psychologische) Tests. Diese sollte er jetzt hinter sich haben, die Gespräche beim Draft versprechen eher informellen Charakter.

Noch weiß er nicht, welche Teams Interesse an einem (nochmaligen) Chat haben. In Nashville stoßen auf jeden Fall sein Vater, Onkel, Bruder sowie ein Großelternpaar zur Reinbacher-Abordnung. Wie geht es dem eigentlich stets ausgeglichenen Defender derzeit mit den Nerven? "Gut, aber das Kribbeln nimmt doch von Tag zu Tag zu."

Wie gehen die Teams die nächsten Tage an?

Vor Ort in Nashville stehen natürlich noch einige Meetings an, vielleicht auch noch kleine Korrekturen der Draft-Listen.

Nur: Hier jetzt noch groß herumzudoktern wäre unprofessionell, schließlich liegen die letzten Viewings schon länger zurück. Auf Eindrücke der letzten Interviews (egal, ob positiv oder negativ) überschießend zu reagieren, wäre genauso kontraproduktiv. Was liegt, das pickt, sollte es bezüglich der Abschlusslisten heißen, zu lange wurde daran gearbeitet.

Diese werden den Scouts in ausgedruckter Form in Nashville vorgelegt, nach Möglichkeit sollten sie diese nicht in der Hotellobby liegenlassen. Vor allem im Bereich der ersten Runde wird anhand dieser "Final List" vorgegangen, erst später weicht man von ihr nach Bedarf ab.

Sind Trades von hohen Picks zu erwarten?

Diese werden in den Medien und unter Fans immer heiß angedacht, die Realität sieht aber anders aus: Seit 2005 wurde im Monat Juni lediglich achtmal ein Top-10-Pick getradet, die Top-4-Plätze überhaupt noch nie.

Wer also heiße News bezüglich "Trading Up"/"Trading Down" oder Täusche von etablierten Spielern gegen hohe Picks erwartet, wird wahrscheinlich enttäuscht werden.

Was waren die offenen Fragen, die sich Teams zu David Reinbacher stellten?

Der Lustenauer dürfte so etwas wie ein "High Floor Player" sein – das bezeichnet einen Spieler, dessen Leistungsuntergrenze als hoch erwartet, das Flop-Potenzial also als gering angesehen wird.

Seine Ruhe mit und ohne Scheibe (als "Poise" bezeichnet), seine Fähigkeit, unter Druck richtige Entscheidungen zu finden bzw. kleine Fehler schnell auszubessern, sind seine herausragendsten Eigenschaften genauso wie sein schneller und giftiger Stock, mit dem er viele Angriffe unterbinden oder unterbrechen kann. Dazu kommt gute Größe/Reichweite und eisläuferische Fähigkeiten.

Die offenen Fragen betrafen sicher sein "Ceiling", also seine Leistungsobergrenze. Wird er ein Top-2-Defender oder "nur" ein Top-4-Verteidiger? Kann er in einem Powerplay "nur" die Scheibe zirkulieren oder wird er ein echter Quarterback mit überdurchschnittlichen Scorer-Fähigkeiten? Wird er (wie Moritz Seider) zu einem "Punishing D", der viel Eiszeit nehmen kann oder "nur" zu einem Defender, der mit anderen starken Nebenleuten eine tiefe Defensive bildet? Bekommst du einen Rasmus Dahlin, einen Noah Dobson, einen Adam Larsson oder einen Jonas Brodin?

David Reinbacher im Dress des EHC Kloten
Foto: © Marcel Kaul/szenemagazin.ch

Die Beantwortung dieser Fragen ergibt dann im Zweifelsfall natürlich nicht "Den wollen wir aber gar nicht" oder "Na ja, in der fünften Runde vielleicht", sondern lediglich, welche und wie viele der Topleute im Draft (wenig Defender, aber viele Stürmer mit großem Potential) vor ihm gereiht sind.

Ein Assistant GM eines Top-10-Teams beim Draft war beim ÖEHV-Testspiel in Wien jedenfalls von ihm hin und weg: "Groß, beweglich, ruhig, smart – what a player!". Auch er gestand ein, dass Reinbacher sich erst nach Saisonbeginn auf den Scouting-Radar spielte: "Uns war der Name bekannt, aber eigentlich rangierte er unter ferner liefen, so eine Leistungsexplosion war nicht abzusehen."

Wer Reinbacher heuer spielen sah, war von ihm schnell angetan. So brauchte der sportliche Leiter von Kloten, Larry Mitchell, nach seinem Amtsantritt im November in Kloten nicht lange, um zu einem Urteil zu kommen: "He's the real deal." - Mitchell wird ebenfalls beim Draft anwesend sein.

Kein Wunder also, dass sich die NHL-Scouts und Entscheidungsträger im Klotener Pressebereich heuer die Klinke in die Hand gaben. Reinbacher war der einzige Spieler auf Schweizer Boden, für den sich eine weite Anreise lohnte.

Welche Rolle spielen Zahlen bei Reinbachers Draftstatus?

Normalerweise keine großen, auch wenn Analytiker immer mehr die Entscheidungen der Scouts ergänzen.

Ich weiß nicht, wie sehr Zahlen im Vergleich über Jahre Sinn ergeben, Reinbachers Statistiken heuer in der National League (24 Punkte/4 Tore und 20 Assists in 49 Spielen inklusive Playoffs) sind mehr als heutige NHL-Stars wie Roman Josi, Hampus Lindholm oder eben Seider in ihren Draftjahren sammelten.

Dass es mehr als nur bemerkenswert ist, dass ein 18-jähriger Defender in seinem ersten Jahr in der starken National League alle Spiele bestreitet, zu einem Spielträger wird, die ganze Saison nie schwächelt und diese Leistungen dann auch bei der WM bestätigen kann, liegt auf der Hand und begründet ja Reinbachers hohen Status als möglichen Top-10-Pick.

Ob historische Zahlenvergleiche über Ligen und Länder hinweg da eine Rolle spielen sollten, müssen die Scouts entscheiden, wahrscheinlich aber eher nicht.

Was muss Reinbacher noch tun, um seinen Draftstatus zu verbessern?

Gar nichts, seine Arbeit ist für heuer getan, er solle nur die nächsten Tage noch genießen und kann an seiner Destination ohnehin nichts ändern. Für mich ist es aber immer noch rätselhaft, dass in er in Österreich selbst nach der so starken WM immer noch unter dem Radar segelt.

Klar, er verfügte nicht über eine längere Startrampe wie Marco Kasper oder gar Marco Rossi, die beide über Jahre als Top österreichische Talente galten und spielte sich auch erst heuer so richtig nach oben, doch bis auf die Vorarlberger Lokalmedien steht er kaum im Rampenlicht. Ob sich das nach dem nächsten Donnerstag ändert?


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