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NHL: Besonderheiten der heurigen Trade Deadline

LAOLA1-Scout Bernd Freimüller mit den Antworten auf die wichtigsten Fragen.

NHL: Besonderheiten der heurigen Trade Deadline Foto: © getty

Montag, 21 Uhr österreichischer Zeit – Trade Deadline in der NHL, nichts geht mehr.

Welche Teams sind noch auf der Suche nach dem letzten fehlenden Puzzleteil? Welche Franchises rüsten sich dagegen lieber für den Wiederaufbau in den kommenden Jahren? Im Gegensatz zu den letzten Jahren spielen auch noch Faktoren wie Corona und Expansion Draft eine kleine oder größere Rolle.

LAOLA1-Scout Bernd Freimüller klärt über die Besonderheiten der heurigen Trade Deadline vollumfänglich auf.

Von Käufern und Verkäufern

Wie jedes Jahr wird es natürlich Käufer und Verkäufer geben. So sind die Winnipeg Jets auf der Suche nach einem starken Defender, Stanley-Cup-Favorit Colorado Avalanche hat das Bedürfnis nach einem Backup-Goalie bereits gedeckt und Devan Dubnyk aus San Jose geholt.

Die Toronto Maple Leafs könnten – wie immer – noch einen starken Defender benötigen, tun sich aber wie die meisten kanadischen Teams (Edmonton Oilers und Montreal Canadiens) mit dem Cap Space schwer. Nicht so schwer wie die Vegas Knights aber, die zuletzt aus Cap-Gründen sogar mit einem verkürzten Lineup spielen mussten.

Solchen Teams stehen die San Jose Sharks oder die Chicago Blackhawks gegenüber. Beide können noch auf Playoff-Plätze hoffen, könnten sich theoreitsch noch verstärken oder mit ihrem vorhandenen Cap Space Teams wie den Maple Leafs aus der Patsche helfen, indem sie (schlechte) Verträge übernehmen. Die Blackhawks taten dies schon, indem sie den Florida Panthers den eigentlich unvermittelbaren Brett Connolly und seine sieben Millionen in den nächsten beiden Jahren abnahmen. Die Sharks haben hingegen ihr Torhüter-Tandem aufgelöst und für Dubnyk Verteidiger Greg Pateryn und einen Fünftrunden-Pick erhalten.

Teams wie die Buffalo Sabres oder die Ottawa Senators würden am ehesten fähige Eigentümer benötigen, aber die sind halt am Transfermarkt nicht zu bekommen. Die Sabres suchen nach einer weiteren desolaten Saison einen Abnehmer für Taylor Hall. Das Problem dabei: Eine No-Move-Clause (die er aber aufgeben würde) sowie der aliquote Teil seines Acht-Millionen-Gehalts. GM Kevyn Adams (vor seiner ersten Deadline) hätte gerne einen Erst-Runden-Pick für ihn, was aber nur realistisch erscheint, wenn er einen Teil von Halls Gehalt bzw. einen anderen Vertrag übernimmt. Halls Reputation als Coach-Killer eilt ihm jedoch voraus.

Wer könnte noch wechseln?

Weitere interessante Namen, die gerüchtehalbe wechseln könnten: Mike Hoffman (St. Louis Blues), David Rittich (Calgary Flames), Sam Reinhart (Buffalo Sabres) oder Mattias Ekholm, dessen Abgabe durch die Nashville Predators für mich aber überraschend käme.

Wie stehts um die Österreicher? Die Philadelphia Flyers haben zuletzt eine arge Talfahrt hingelegt, liegen mittlerweile sechs Punkte außerhalb der Playoff-Plätze. Michi Raffl und sein im Sommer auslaufender Vertrag könnte unter Umständen für ein Team interessant sein, das noch Tiefe im Lineup braucht. Aufgepasst: Die Flyers haben als einziges NHL-Team die Höchstgrenze von 50 Verträgen erreicht! Kommt noch ein Spieler, muss einer gehen.

Die Rechte für Marco Rossi (Minnesota Wild), Thimo Nickl (Anaheim Mighty Ducks) bzw. Benjamin Baumgartner (New Jersey Devils) sollten weiter bei den jeweiligen Teams verbleiben.

Die Besonderheiten der heurigen Trade Deadline:

Corona und die Quarantäne

Ist die Tatsache, dass vor allem Spieler, die von den USA nach Kanada wechseln und dort in eine mehrtägige Quarantäne müssen, ein Faktor am Trade Markt? Sie stehen damit im Rennen um Playoff-Plätze nicht gleich zur Verfügung.

Wie sieht die Lage in Vancouver aus? GM Jim Benning steht einem Team vor, das größtenteils mit Covid flachliegt. Ruft er da einen Spieler in der Quarantäne an und teilt ihm mit: "You have been traded"? Oder bringt er gar jemanden Neuen in sein Krankenlager? Eine neue und einmalige Situation…

Die anstehende Expansion Draft

Die Seattle Kraken steigen in der nächsten Saison als 32. NHL-Team ein, könnten den Trade Markt aber jetzt schon beeinflussen. Allerdings noch nicht offiziell: Die letzte Tranche ihrer Einstiegsgebühr wird erst Ende April fällig, bis dahin können sie keine Deals machen.

Offiziell also nicht, aber inoffiziell schon. Denn alle Teams schielen natürlich schon in Richtung Expansion Draft, wo sie nur maximal elf Spieler unter den Quargelsturz stellen können. Es könnte also folgendes Szenario passieren: Ein Team erwirbt jetzt zur Trade Deadline einen Spieler, gibt dafür einen guten Prospect und einen Draftpick her.

Dieser Spieler hat noch einen Vertrag über den Sommer hinaus, das mit ihm zufriedene Team will ihn nicht in der Expansion Draft verlieren, hat aber schon genug andere Spieler zu beschützen. Dass sie den Spieler nicht an die (den?) Kraken verlieren, müssen sie deren GM wieder mit einem Prospect und vielleicht zwei Picks abfinden. Der Spieler kostet sie damit gesamt zwei Prospects und drei Picks, ein stolzer Preis.

Da wäre es ja nur verlockend, mit GM Ron Francis jetzt bereits auszumachen, dass er beim Expansion Draft Spieler X (also nicht den neuen Crack) zu einem Fixpreis nimmt. So ein Deal ist durchaus legal, kann allerdings nicht offiziell gemacht werden und hängt ganz davon ab, ob Francis ein Mann von Wort ist (daran zweifelt aber niemand). Einklagbar wäre ein solcher Deal nicht, aber im Allgemeinen hackt eine NHL-GM-Krähe der anderen kein Auge aus.

Die Penguins und die Knights schlossen so einen Pakt zur Trade Deadline 2017, als Vegas-GM George McPhee schon damals versprach, Goalie Marc-Andre Fleury im Expansion Draft zu ziehen.

Der Expansion Draft schwebt schon seit längerem über allen Aktivitäten, umso mehr bis zum nächsten Montag. Ein Spieler wie Michi Raffl, dessen Vertrag im Sommer ausläuft, ist davon eigentlich nicht betroffen. Aber ein Team könnte ihn schon mit dem Hintergedanken eines Anschlussvertrags erwerben und ihn im Juli als "Unprotected Player" Seattle schmackhaft machen, indem sie ihn etwa mit einem Draftpick (für 2022) garnieren. Sollte sich Francis dann für einen anderen Spieler erwärmen, wäre Raffls Gehalt (heuer 1, 6 Millionen, wird sicher nicht ansteigen) bewältigbar.

Draft Picks als Casino Jetons

Draft Picks werden natürlich öfters als Entschädigung für Spieler oder zumindest als Zugaben verlangt und dann auch gegeben. Der Wunsch nach einem Erstrundenpick und einem Top-Prospect im Tausch für einen guten NHL-Mann zur Trading Deadline sind mittlerweile schon Routine, auch wenn sich die Teams dann oft herunterhandeln lassen.

Doch heuer könnten auch tiefere Picks gefragt sein. Natürlich sind Draftrechte der Runden fünf bis sieben weiter ein Glücksspiel, wo die Chancen auf einen Hauptgewinn (=späterer NHL-Spieler) nicht sehr hoch sind.

Doch in der heurigen Saison könnten solche Picks Gold Wert sein. Ein Team, das seinem Scouting Staff vertraut, könnte darauf hoffen, dass einige Spieler "underscouted" waren, damit in späteren Runden verfügbar sind. Denn die heurige Saison war durch Corona für Scouts so schwierig, dass sie sich oft nur ein Bild vom Laptop her oder gar nicht machen konnten.

Die WHL kam etwa nur verspätet und mit einem Mini-Programm in die Gänge, die OHL überhaupt nicht, die schwedischen Juniorenligen wurden schon vor Monaten abgebrochen. Einige dieser Cracks können zwar noch bei der U18-WM in Texas beobachtet werden, aber das ist halt ein kurzes Turnier, andere Spieler spielen nicht einmal dort. Und je weniger (Live-)Viewings, desto diffuser wird das Bild.

Picks in späteren Runden können daher viel wert sein, vor allem wenn man über gute Regional-Scouts verfügt. Die haben die Spieler doch vielleicht ab und an live gesehen, kennen sie aus der Vorsaison oder haben gute Infos von befreundeten Coaches erhalten. Mehrere statt weniger Picks erhöhen da die Chancen auf einen Glückstreffer. Viele Scouts glauben nämlich, dass gerade der heurige Draft in späteren Runden mehr NHL-Spieler hervorbringen wird als die letzten. Zusätzliche Sechst- oder Siebt-Runden-Picks können in diesem Gamble sicher Vorteile bringen...

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