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"Wir leben alle in der Komfortzone"

U20-Co-Trainer Mellitzer lässt nach Turnier in Graz kein gutes Haar an Mannschaft und Jugend-Ausbildung.

„Der letzte Platz ist ein Schmarrn!“

U20-Co-Trainer Alexander Mellitzer fand zur Leistung seines Teams beim letzten Vorbereitungsturnier vor der am 11. Dezember beginnenden B-WM in Bremerhaven klare Worte.

Zwar stand man mit Dänemark (A-Nation), Lettland (Aufsteiger der B-WM) und Weißrussland (Absteiger der A-WM) in Graz mehr oder weniger drei A-Nationen gegenüber, doch neben den Niederlagen gegen die beiden erstgenannten Teams (0:4 bzw. 1:4) schmeckte dem Klagenfurter, der in Abwesenheit von Roger Bader als Headcoach fungierte, vor allem die 1:2-Pleite gegen stark rochierende Letten überhaupt nicht:

„Da sind wir gegen Lettland 1:0 vorne und müssen den Sieg einfach besser verwalten. Aber das bekommen wir nicht hin, weil irgendjemand irgendwelche Ideen hat. Dänemark und Weißrussland waren zugegebenermaßen ein etwas anderes Kaliber, aber die Letten muss man in diesem Spiel schlagen.“

Keine Ausreden und Entschuldigungen

Der Sieg wäre vor allem deshalb durchaus im Bereich des Möglichen gelegen, da die Balten, denen man bei der letztjährigen B-WM noch mit 2:6 unterlegen war, hinsichtlich ihrer personellen Situation einiges ausprobierten.

„Ich weiß nicht, ob bei den Letten irgendjemand, außer dem Betreuerstab, bei der A-WM im Dezember überhaupt dabei sein wird“, lässt der 36-Jährige ihre eigentliche qualitative Überlegenheit nicht als Ausrede gelten.

U20-Co-Trainer Alexander Mellitzer übt nach dem Turnier in Graz heftige Kritik

Ebenso wenig als Entschuldigung soll der Fakt dienen, dass auch in der eigenen Mannschaft aufgrund von Verletzungen bzw. A-Team-Einberufungen (Haudum, Baltram, Kromp, Wolf) insgesamt acht Stammkräfte fehlten. Zwar wäre dies für ein Land wie Österreich natürlich suboptimal und auch schwieriger zu verkraften als für manch andere Nation, allerdings „müssen dann halt ein paar andere in die Bresche springen."

"Im Endeffekt kommt gar nichts, wenn man nichts dafür tut"

Jene Anderen erledigten ihre Sache jedoch alles andere als zufriedenstellend, nicht nur bei den Spielen, sondern auch in den Trainings, wie Mellitzer wissen lässt: „Wir müssen anders und genauer trainieren und das Ganze einfach mit mehr Stolz angehen. Da gibt es nur eine Handvoll Spieler, bei denen ich sehe, die wollen ein Tor machen und die haben den Biss. Ein zwölfjähriger Tscheche oder Schwede kann auch ins Kreuzeck schießen und bei uns sagt man immer: Ah, das wird schon kommen. Aber im Endeffekt kommt gar nichts, wenn man nichts dafür tut.“

Genau dieser fehlende Biss und diese mangelhafte Einstellung zum Sport sind es, die dem Klagenfurter ganz besonders sauer aufstoßen. „Wir leben alle in der Komfortzone und es passt eh alles bzw. es ist eh egal, aber das ist es nicht! Man muss gut arbeiten und trainieren, das gehört verinnerlicht“, findet Mellitzer sehr direkte Worte.

Doch damit nicht genug: „Wir müssen dieses Zufriedensein ablegen. Wenn man gewinnt, ist nicht alles gut und wenn man verliert, ist auch nicht immer alles schlecht. Aber wenn man nach einer 0:4-Niederlage gegen Dänemark zufrieden ist, dann ist das wieder typisch für unsere Mentalität. Dann ist man Mittelmaß und kann genauso gut zur GKK arbeiten gehen und bis zur Pension im Büro sitzen.“

Wenn man beispielsweise die skandinavischen Spieler in ihrem normalen Gewand sieht, glaubt man, das sind Gewichtheber. Unsere hingegen schauen aus wie Halma-Spieler. Da hinken wir hinterher, bei den Beinen, bei allem Drum und Dran einfach.

U20 Co-Trainer Alexander Mellitzer:

Arbeit muss bei den Kleinsten beginnen

Um die Eishockeynation Österreich genau aus dieser Mittelmäßigkeit herauszuholen und einen Schlendrian Richtung Profisport gar nicht erst aufkommen zu lassen, zielen die Verbesserungsvorschläge von Mellitzer auf die untersten Ebenen ab.

Gut ausgebildete und motivierte Trainer, die den Kindern und Jugendlichen von Grund auf die richtigen Dinge beibringen und ihnen das passende Mindset mitgeben, brauche es.

„Die engagiertesten Leute im österreichischen Eishockey sind die Spielerväter und vielleicht ein paar hauptamtliche Trainer, aber das ist einfach zu wenig. Wir Trainer, der Verband, die Vereine, alle zusammen müssen sich etwas einfallen lassen. Das muss ein Berufsbild werden, mit einer Gewerkschaft, mit einem anständigen Gehalt und dann kann man auch etwas erwarten. Umso mehr ich gebe, umso mehr kann ich schlussendlich auch verlangen“, spielt der Koordinator für den Ausbildungsbereich des KAC auf die fehlende Motivation von und vor allem auch für Jugendtrainer an.

Vor allem der Wunsch nach einem finanziellen Anreiz wird in der momentanen Lage allerdings vermutlich nur sehr schwer in die Tat umsetzbar sein.

"Unsere schauen aus wie Halmaspieler"

Mit Hilfe besser geschulter Betreuer, die den Nachwuchscracks von klein auf die richtige Einstellung auf und abseits des Eises eintrichtern, könnte in Zukunft vielleicht auch ein weiteres augenscheinliches Problem verringert werden, nämlich die physische Unterlegenheit.

Mellitzer geht es dabei gar nicht so sehr um die Größe, sondern vielmehr um die körperliche Verfassung allgemein: „Wenn man beispielsweise die skandinavischen Spieler in ihrem normalen Gewand sieht, glaubt man, das sind Gewichtheber. Unsere hingegen schauen aus wie Halma-Spieler. Da hinken wir hinterher, bei den Beinen, bei allem Drum und Dran einfach.“

Versäumnisse wirken sich nun aus

Genau für jenes langjährige Hinterherhinken in der Ausbildung und im Mentoring des Nachwuchses bekommt das österreichische Eishockey im Moment die Quittung präsentiert.

2016 der erstmalige Verbleib der Senioren-Nationalmannschaft in der B-Gruppe nach elfjährigem Fahrstuhl-Dasein, eine desaströse Olympia-Qualifikation gegen Mannschaften, die vor einigen Jahren noch auf Augenhöhe waren, kein ÖEHV-Draft-Pick mehr seit Michael Grabner und Andreas Nödl 2006 und noch einige andere negative "Highlights".

Darüber können auch vereinzelte Erfolgserlebnisse wie der zweite Platz der U20 bei der letztjährigen B-WM nicht hinwegtäuschen.

„Wir müssen arbeiten und anpacken!“ Eine simple, aber dennoch für alle Beteiligten notwendige Devise, damit zukünftig nach Turnieren wieder mehr herausschaut als nur ein „Schmarrn“.

 

Marc Schwarz

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