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Tolvanen: War Einbürgerung bis Olympia-Quali realistisch?

Die Worte von ÖEHV-Präsident Klaus Hartmann dürften zu ambitioniert gewählt worden sein. LAOLA1-Experte Bernd Freimüller klärt auf:

Tolvanen: War Einbürgerung bis Olympia-Quali realistisch? Foto: © GEPA

(Noch) kein österreichischer Pass für Atte Tolvanen und damit keine Chance auf eine Teilnahme bei der Olympia-Qualifikation im August.

Aber war das je realistisch und wie laufen solche Fälle eigentlich ab? LAOLA1-Experte Bernd Freimüller erklärt:

Strenge Einbürgerungsvorschriften

Österreich hat nach Lettland die strengsten Einbürgerungsvorschriften in der EU.

Grundlagen wären etwa ein zehnjähriger Aufenthalt (sechs Jahre bei Heirat mit einem österreichischen Staatsbürger bzw. bei einem EWR-Bürger), der Nachweis eines "gesicherten Lebensunterhalts", Unbescholtenheit sowie "Integrationsnachweise" wie ein Deutschnachweis und ein Staatsbürgerschaftstest.

Ebenfalls ein Kipppunkt für viele: Doppelstaatsbürgerschaften sind eigentlich ausgeschlossen.

An solchen Anforderungen scheiterte etwa ein Crack wie Ex-Caps-Stürmer Jon Ferland, der sich mit seiner Familie gerne hier nach der Karriere niedergelassen hätte.

Auch bei Fällen mit österreichischen Vorfahren geht ein Passerwerb nicht so einfach wie etwa in Italien: Zwar gilt auch hier das "Ius Sanguinis" (Recht des Blutes), allerdings geht das nur auf die Eltern und nicht über mehrere Generationen zurück.

Das "Ius Soli" (Recht des Bodens), wo etwa wie in den USA schon eine Geburt im entsprechenden Land für den Pass reicht, gilt hier nicht.

Natürlich gibt es hier noch viele Details und Zwischenabstufungen, nur: Im Falle von Tolvanen oder den Zelenov-Brüdern, die gerade diesen Prozess durchlaufen haben, gelten diese Regeln ohnehin nicht.

Hier kommt nämlich eine andere Variante ins Spiel: "Die Verleihung der Staatsbürgerschaft im besonderen Interesse der Republik gem. § 10 Abs.6 StbG"

Was versteht man darunter?

Eine Verleihung der Staatsbürgerschaft, wenn die Bundesregierung bestätigt, dass "die Verleihung wegen der vom Fremden bereits erbrachten und von ihm noch zu erwartenden außerordentlichen Leistungen im besonderen Interesse der Republik Österreich liegt".

Diese Leistungen können wissenschaftlich, wirtschaftlich, künstlerisch oder sportlich erfolgen.

Wie wird dieser Prozess angeleiert?

Grundsätzlich von der Person selbst. Also im Falle von Tolvanen nicht von Red Bull Salzburg oder dem ÖEHV. Die umfangreichen Unterlagen sind bei der Staatsbürgerschaftsabteilung der jeweiligen Landesregierung vorzulegen. Ausländische Papiere natürlich in einer notariellen Übersetzung.

Wie geht es dann weiter?

Nach der Überprüfung der Unterlagen auf Vollständigkeit und Richtigkeit kommt der ÖEHV ins Spiel.

Das BMKOES (Bundeministerium für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport) schickt nämlich ein 15-seitiges Formular ins Haus, das einige Fragen abarbeitet. Dieses Formular ist standardisiert, schaute also bei den Zelenovs oder bei Senna Peeters genauso aus wie bei Tolvanen.

Wie lauten denn die Anforderungen und würde Tolvanen diese erfüllen?

Die Anforderungen wurden 2014 genau festgelegt, nachdem es davor zu einigen (vor allem in der Wirtschaft) dubiosen Passverleihungen kam und diese dann auch den Weg in die Öffentlichkeit fanden. Im Sport wird Folgendes verlangt:

  1. es steht aktuell kein anderer, hinsichtlich des Leistungsniveaus vergleichbarer österreichischer Leistungssportler zur Verfügung, auch nicht aus dem Nachwuchsbereich (die Tormann-Misere im österreichischen Eishockey ist bekannt)

  2. die herausragenden sportlichen Leistungen wurden bereits über einen längeren Zeitraum, der mindestens ein Jahr beträgt, in Österreich erbracht (Tolvanen hat fast drei ganze Saisonen in der ICE absolviert)

  3. Absehbarkeit, dass die aktive, erfolgreiche Laufbahn als Sportler, insbesondere unter Berücksichtigung seines Alters, noch länger andauern wird (Tolvanen wird im November 30, hat also sicher noch mindestens fünf gute Jahre vor sich)

  4. Beabsichtigung und formalrechtliche Möglichkeit der sofortigen Einsetzbarkeit in einem österreichischen Nationalteam (Tolvanen hat für Finnland nie eine WM bestritten, damit reichen zwei Jahre in Österreich als Voraussetzung für eine WM-Teilnahme im rot-weiß-roten Jersey)

  5. sehr gute Platzierungen bei nationalen oder internationalen Wettkämpfen als Einzelner oder mit der Mannschaft (Tolvanen stand bei allen drei Meistertiteln der Roten Bullen in den letzten drei Jahren im Kasten)

Nicht nur, dass Tolvanen alle diese Anforderungen (über-)erfüllt – sie müssen gar nicht kumulativ erreicht werden, ein "punktuelles, aber überwiegendes Erfüllen der Kriterien im Einzelfall" könnte ausreichend sein.

Wie geht es danach weiter?

Nachdem das ausgefüllte Formular an das BMKOES zurückgeht, folgt die Ungewissheit. Denn der Ministerrat tagt nur zweimal im Jahr und das keineswegs an festgelegten Tagen. Die heurige erste Sitzung fand diese Woche statt, die nächste dann wohl im November oder Dezember.

Dazu kommt auch, dass hier keineswegs eine festgelegte Anzahl an Anträgen behandelt oder gar positiv erledigt werden muss. Die Zelenov-Brüder, für die die Formulare im letzten August ausgefüllt wurden, bekamen ihre Pässe erst im zweiten Anlauf, wurden bei der Winter-Sitzung 2023 entweder gar nicht behandelt oder negativ beurteilt.

Wie erfährt man von der Staatsbürgerschaft-Verleihung?

Die Öffentlichkeit einmal gar nicht, auch nicht der ÖEHV oder Red Bull Salzburg. Einzig Tolvanen wird nach positivem Ergebnis verständigt, keineswegs aber nach einer Sitzung ohne Ergebnis.

Zuletzt veröffentlichte die Regierung 2017 die Namen der "neuen" Österreicher, danach herrschte Funkstille. Das führte zu einigen parlamentarischen Anfragen, darunter etwa durch die Abgeordnete Petra Steger 2020 konkret zu den Einbürgerungen von Sportler:innen.

Was ging im Falle Tolvanen schief und wie geht es weiter?

Schief ging eigentlich gar nichts, die Aussage von ÖEHV-Präsident Klaus Hartmann bei der WM, dass mit Tolvanen vielleicht schon bei der Olympia-Quali zu rechnen sei, war nur zu optimistisch.

Tolvanen hat seine Unterlagen eingereicht, allerdings nahm das BMKOES erst kürzlich Kontakt mit dem Verband auf. Es ist nicht klar, ob Tolvanen in der Juni-Sitzung überhaupt behandelt oder sein Fall negativ behandelt wurde.

Seine nächste Chance wäre dann Ende des Jahres, sodass er dann bei der WM 2025 in Stockholm im österreichischen Kasten stehen könnte. Eine Garantie darauf besteht nicht.

Müsste Tolvanen seinen finnischen Pass dann zurücklegen?

Nein, bei solchen Einbürgerungen sind Doppelstaatsbürgerschaften nicht ausgeschlossen.

Alles nicht so einfach, im Gegensatz zu den Zeiten der Austro-Kandier wie Darcy Werenka oder Jeremy Rebek, die ihre Pässe noch zwischen Tür und Angel erhielten, wurden die Gesetze inzwischen gestrafft. Mehr als Warten können Tolvanen oder der ÖEHV derzeit nicht…


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