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Freimüller reist: Was kann Olympiasieger-Liga?

Eine Zweiklassen-Gesellschaft unter der Lupe: Das bietet die "Liiga".

Freimüller reist: Was kann Olympiasieger-Liga? Foto: © getty

Nach den tschechischen und slowakischen Extraligen nun die finnische Liiga!

Ein Reisebericht aus dem Land von Schnee und Eis, dessen Eishockey mit Olympia-Gold einen weiteren Höhepunkt erlebte.

LAOLA1-Experte Bernd Freimüller schildert seine Eindrücke:

Warum Finnland? Warum nicht Schweden oder die Schweiz?

Ganz einfach: Weil von dort jährlich Spieler nach Österreich und Deutschland kommen, aus den anderen Ligen nur sehr wenige, die entweder aufs Ende ihrer Karriere zusteuern oder zuletzt wirklich komplett neben sich gestanden sind.

In der Liiga herrscht seit einigen Jahren eine Zwei-Klassen-Gesellschaft: Nur wenige Teams (Tappara Tampere, HIFK Helsinki, Kärpät Oulu und Lukko Rauma) verfügen über sehr gute Budgets, der Rest über durchschnittliche bis zu den Armenhäuslern wie HPK Hämeenlinna oder Jukurit Mikkeli, die aber eine sensationelle Saison spielen. Corona hat den ärmeren Teams noch mehr zugesetzt – bis vor kurzem waren wieder einmal keine Fans zugelassen, zuletzt wurde nach regionalen Richtlinien wieder geöffnet. Masken sind wie im Alltag Empfehlung, aber nicht Pflicht, die Mehrzahl der Fans verzichteten auch darauf.

Die angespannte finanzielle Situation bewirkt, dass sowohl einheimische Kräfte als auch Legionäre zu vernünftigen Preisen zu haben sind. Einige Gastarbeiter haben nach einer Saison vom finnischen Wetter genug: In meinen fünf Tagen in Tampere war auch nur Schnee, Eis und Matsch angesagt, von der Sonne keine Spur.

Das Niveau der Liga

Höchst überschaubar – die Topteams sicher gut, das sieht man auch daran, dass Tappara Tampere das CHL-Finale erreicht hat. Diese Mannschaften verfügen über Tiefe im Kader, während bei den schwächeren Teams die talentierten Spieler bestenfalls für zwei Blöcke (wenn überhaupt) ausreichen.

Das ist keine Kritik am finnischen Eishockey, nur: Die besten Cracks spielen zu einem guten Teil im Ausland. Von der NHL über die KHL, Schweden und die Schweiz verdingen sich fast 150 Suomi-Cracks in den Top-Ligen. Nur die Hälfte davon gießkannenförmig über die 15 Liiga-Teams (sicher um einige zu viel) verteilt, würde das für jede Organisation einen Top-Block mehr bedeuten.

Das Topspiel Erster gegen Zweiten (Ilves gegen Jukurit) war auch sehr gut und unterhaltsam. Das wenige Stunden später an gleicher Stelle stattfindende Spiel zwischen Tappara und Saipa trieb mir dagegen die Tränen in die Augen, da die Gäste aus Lappeenranta kaum aus dem eigenen Drittel kamen.

Ich würde die Liiga am ehesten mit der tschechischen Extraliga vergleichen, wo der Unterschied zwischen den Topteams und den Nachzüglern ähnlich groß ist.  Dass Finnland aber weit mehr Spitzencracks produziert, steht völlig außer Frage, ich würde auch die besten Mannschaften über die in Tschechien stellen. Beide Ligen stehen aber ein Stück hinter der KHL, SHL sowie der Schweizer NL.

Mein Schedule

In mehr als 20 Jahren Scouting in Finnland mit unzähligen Trips kann ich mich an keinen stressfreieren Spielplan erinnern. Sechs Spiele in fünf Tagen, ich musste mein Hotel in Tampere nie wechseln. Zwei Spiele im eine Stunde entfernten Hämeenlinna, der Rest in der neuen WM-Halle. Die liegt so zentral wie kaum eine andere (gleich neben dem Bahnhof), ist von außen bombastisch, von innen allerdings von den anderen Mehrzweckarenen nicht zu unterscheiden.

 

(Text wird unterhalb fortgesetzt)

Ein Double-Header mit zwei Liiga-Spielen an einem Tag in der gleichen Halle war auch eine Novität für mich: Erst Ilves, dann Tappara, knapp drei Stunden lagen dazwischen. Die Liiga bietet in der Regel einen ertragreichen Spielplan an, von Dienstag bis Samstag stehen fast immer Spiele an. Nur Vaasa (Sport) und Oulu (Kärpät) liegen von Helsinki sehr weit entfernt, Kuopio (Kalpa) und Rauma (Lukko) würden von dort auch Übernachtungen erfordern.

Insgesamt habe ich neun der 15 Teams gesehen, bei meinem ursprünglichen Schedule hätte es für zehn gereicht. Doch Corona hat einige Spielabsagen verursacht, Ilves meldete sich erst am Samstag wieder gesund.

Mit den beiden Teams aus Tampere, Jukurit, und HIFK habe ich vier wahrscheinlichen Playoff-Teams zusehen können, mit den Lahti Pelicans und KooKoo zwei Anwärter auf die Pre-Playoffs. Für Saipa und Ässät Pori ging es nur mehr um einen baldigen Abschied in die Ferien – für fünf von 15 Teams ist die Saison nach der Vorrunde beendet.

Besonderheiten

Bei den Lineups von Saipa und den Pelicans sind mir die Augen übergegangen: Ersterer hatten 10 Cracks Jahrgang 2000 und jünger, Lahti gleich 13 davon im Lineup (umfasst jeweils 21 Cracks). Die Gründe dafür sind aber verschieden: Saipa hat heuer schon 45 Spieler ohne Erfolg verbraucht, spielt die Saison einfach mit einem verstärkten Juniorenteam fertig. Die Pelicans haben sich dagegen in den letzten Jahren zu einer veritablen Talenteschmiede entwickelt: Gleich neun ihrer Kaderspieler sind NHL-Prospects!

Diese Spieler haben für mich aber keine Priorität beim Scouten: Meine 50 Reports befassen sich mit Spielern im Alter von etwa 27 Jahren aufwärts, die eventuell ins Ausland schauen könnten. Bei den Legionären ist das Alter dagegen egal. Allerdings: Ein Michael Joly, ein AHL/ECHL-Grenzgänger, dessen Skillset ich immer schon bewundert habe, wird nach seiner tollen Saison bei HPK wohl eher nicht die ICE ansteuern. Auch Ex-Zagreb-Center Tyler Morley, der nach einem erfolglosen SHL-Ausflug wieder in die Liiga zurückgekehrt ist, wird sicher einige Alternativen haben, falls sein Comeback bei Tappara wieder enden sollte. Seine drei Auftritte bleiben für mich allerdings hinter den Erwartungen.

Andere Namen ließen mich am Kopf kratzen: Petrus Palmu, der letzte Saison in Ingolstadt alles andere als dominierte, ist derzeit Topscorer der Liiga. Kim Strömberg, vor Jahren beim KAC fast komatös agierend, hält sich seit Jahren in der Liga, seine 50 Punkte vor zwei Saisonen waren aber die Ausnahme.

Die Fans bekommen etwas für ihr Geld (Eintrittspreise zwischen 15 und 50 Euro) geboten – zumindest wenn sie es mit der Spielzeit gegenrechnen. Fast alle Partien dauerten an die 2 ½ Stunden, 18-Minuten-Pausen und sehr langsame Faceoffs erinnerten mich an die beiden Extraligen. Was noch dazukam: Die Refs verwendeten den Videobeweis noch inflationärer als die in der ICE. Viele Treffer mussten erst überprüft werden, das erfolgte über Headset und einem Kollegen auf der Tribüne. Da lobe ich mir die einheimische Liga, wo die Partien meist nach 2:10 Stunden vorbei sind.

Fazit

Die Pandemie hat mich letztes Jahr aus der Liiga ferngehalten, auch heuer haben ich meinen Trip im Jänner um ein Monat verschieben müssen. Ein Trip nach Finnland macht Scouting-technisch sicher Sinn, das weiß ich auch von einigen DEL-Managern, die dort öfters zu Gast sind. Vom Niveau sind sie genauso wie ich nicht überwältigt. Olympia-Gold bewies aber einmal mehr, dass das finnische Eishockey nicht unbedingt an der eigenen Liga zu messen ist...

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