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Die Besonderheiten der slowakischen Liga

Ein Reisebericht über die slowakische Extraliga, in der sich auch alte Bekannte aus der ICE tummeln.

Die Besonderheiten der slowakischen Liga Foto: © GEPA

Im Gegensatz zur tschechischen Extraliga (Bernd Freimüllers Reisebericht HIER>>>) findet zwischen der slowakischen Extraliga und der win2day ICE Hockey League sowie der DEL ein weit größeres Kommen und Gehen statt.

LAOLA1-Scout Bernd Freimüller wirft einen Blick auf eine Liga, deren Leistungsstärke für ihn immer einige Fragen offenlässt:

12 Teams (im Gegensatz zur 14 in Tschechien), dazu ein "Heimteam" in Bratislava, mit Trencin, Nitra und Nove Zamky drei weitere in Schlagdistanz zu Wien – das Scouten der slowakischen Extraliga kann mit einigermaßen wenig Reiseaufwand bewältigt werden.

Allerdings: Angesichts von sechs im Osten angesiedelten Teams ist doch mindestens ein größerer Trip angesagt, heuer halt zwischen Weihnachten und Neujahr nach Kosice. Da hatte ich dann auch alle Teams durch, aber: Bei den Legionären ändert sich dauernd etwas, sodass ich auch jetzt noch einige Folgereisen geplant habe.

Einige Auffälligkeiten:

Die Legionärslastigkeit

In Tschechien fanden sich unter den 20 besten Ligascorern drei Ausländer, hier ist es fast umgekehrt (14 von 20): Mit Brent Harris und Max Gerlach führen zwei Ex-ICE-Cracks die Scorerliste an. Jedes Team darf hier sieben Fremdarbeiter am Spielbericht führen, dieses Kontingent nützen auch fast alle Mannschaften aus. Und diese Legionäre sind auch fast immer für die ersten beiden Blöcke eingeplant, oft steht auch im ersten PP-Unit kein einziger Slowake.

Die besten Slowaken spielen halt einmal in Ausland (vor allem beim Nachbarn Tschechien), der Rest ist oft biederer Durchschnitt oder schon etwas angegraut. Daher wird das Scoren den Legionären überantwortet, wenn diese aber nicht entsprechen, werden sie gerne früh ausgetauscht. Die Vertragstreue ist überschaubar, gute Agenten weisen ihre Klienten auch darauf hin, Trainerwechsel stehen sowieso an der Tagesordnung. Sieben waren es heuer, beim bekannt volatilen Michalovce gleich zwei.

52 Legionäre stammen aus Übersee, 42 aus anderen Ländern – eigentlich parallel zur ICE. Und von dort kommen auch viele Cracks: Eben Gerlach und Harris, dazu Mike Huntebrinker, Deven Sideroff, Chris Langkow, Matt MacKenzie, Jordan Southorn, Shane Hanna, Colin Campbell (inzwischen in der KHL engagiert), Rob Flick oder Sahir Gill, der dem abstiegsbedrohten Team aus Nitra neues Leben eingehaucht hat.

Entweder bekamen diese in der ICE oder besseren Ligen keine Angebote mehr oder durften sich über Gehaltserhöhungen bei Spitzenteams wie Zvolen (Huntebrinker, Sideroff) oder Slovan Bratislava (MacKenzie) freuen.

Abgesehen von der ICE können die Legionäre vor allem bei den ärmeren Teams von fast überall kommen: Aus der kanadischen Juniorenliga (Miguel Tourigny in Trencin), aus Polen (Kamil Walega in Liptovsky Mikulas) oder aus der AlpsHL (Zach Osburn in Michalovce). Auch aus der Mestis (=zweithöchste finnische Liga) findet sich hier der eine oder andere Spieler und vor Russen (12) schrecken die Teams ebenfalls nicht zurück.  

Der Umrechnungsfaktor

So verschieden die Backgrounds der einzelnen Spieler sind, so sehr unterscheiden sich auch deren Leistungen. Ich ringe auch öfters mit mir, wer denn wirklich für ICE oder DEL-Teams zu empfehlen ist und auch zu welchem Preis. Robby Jackson aus Nove Zamky, der seit zwei Saisonen zu den besten Cracks der Liga gehört und auch in der DEL angeboten wird? Liam Pecararo, gegen dessen federhafte Leichtigkeit ein John Hughes wie ein hart arbeitender Steineklopfer wirkt? Oder sind Gerlachs 30 Saisontreffer in 42 Spielen (Liga-Bestwert) ein Argument für ein abermaliges Engagement in der ICE?

Der Umrechnungsfaktor für herausragende Ligaleistungen ist schwer zu bestimmen. Peter Krieger etwa gehört heuer in Tschechien zu einem der schnellsten und besten Center, hat in Vitkovice bereits einen Anschlussvertrag erhalten. Chase Berger, der wie Krieger noch in der letzten Saison in der Slowakei tätig war, ist bei DEL-Absteiger Bietigheim Durchschnitt (wenn überhaupt). Defender Nick Welsh entsprach dagegen in Nürnberg, Jeremy Roy gehört sogar in der KHL zu den produktivsten PP-Verteidigern. Der Schwede Carl Ackered, der 2020/21 mit Stürmerwerten (52 Punkte in 50 Spielen) aufwies, konnte dagegen die Rolle als Offensivdefender in Graz in der letzten Saison gar nicht erfüllen.

Alles nicht so einfach also, aber den einen oder anderen Crack aus dieser Liga führe ich schon auf meiner Vorschlagsliste, allerdings nicht als potentiellen Gutverdiener. Doch so wie in der norwegischen oder dänischen Liga als nächste Station Schweden oder Finnland logisch erscheinen, ist es hier das Nachbarland Tschechien, wo weit bessere Gehälter gezahlt werden können.

Das Liganiveau

Bei den Gastspielen der slowakischen Liga in der CHL gut zu sehen: Von den europäischen Spitzenligen ist die Extraliga weit entfernt. Es fehlt an Tempo, Defendern mit überdurchschnittlichen Puckskills und insbesondere an guten Goalies. Wenn Jared Coreau – in Linz letzte Saison mit überschaubaren Leistungen – die besten Werte der Liga aufweist, sagt das schon viel. Pavel Kantor, in Znojmo ebenfalls wackelig, erspielte sich in Nove Zamky bereits einen neuen Vertrag – das sagt noch mehr. Die wenigen slowakischen Torhüter sind schon seit Jahren schlecht, die Gastarbeiter meist auch nicht viel besser.

Über Jahre brachte das slowakische Eishockey nur wenige Ausnahmekönner hervor, bewegte sich zeitweise auf dem Niveau von Deutschland oder der Schweiz. Die Jahre 2004 und 2005 dagegen sind wahre Wunderjahrgänge, Juraj Slafkovsky und Simon Nemec gingen im NHL-Draft als Nummer 1 und 2. Auch heuer wird mit Daniel Dvorsky ein hochbegabter Center sehr hoch gezogen werden, dazu kommen noch einige weitere interessante Cracks.

Die Extraliga profitiert aber kaum davon – Slafkovsky spielte nie hier, Dvorsky seit Jahren in Schweden, Nemec seit heuer in der AHL. Fast schon ein Wunder, dass Adam Sykora (Zweitrunden-Pick der Rangers) nach seiner Vertragsunterschrift darauf bestand, auf Leihbasis nach Nitra zurückzukehren. Die NHL-Scouts, die letzte Saison wegen Nemec und ihm den VIP-Klub bis zum Rande füllten, vermeiden neuerdings die Liga wieder, noch dazu, wo Flügel Ondrej Molnar (ebenfalls aus Nitra) nach der Junioren-WM in Übersee blieb. Erst der übernächste Jahrgang (2007) soll dem Vernehmen nach wieder überdurchschnittlich ausfallen. 2006, den ich zuletzt in Udine bei der EYOF gesehen habe, haute mich nicht vom Hocker.

Die Hallensituation

Ich kenne alle Eisstadien (Arenen wäre meist zu hoch gegriffen) außer dem nahe der Ukraine gelegenen Michalovce und kann sagen: Auch hier besteht großer Aufholbedarf. Klar, Bratislava ist eine Klassearena, was auch der einzige Punkt war, der für das ICE-Engagement der Capitals sprach. In Kosice wurden schon A-WMs gespielt, sonderlich modern ist die Halle dort aber auch nicht.

Danach ist aber tote Hose, auch wenn zuletzt Banska Bystrica und Trencin renoviert wurden. Nitra, Zvolen, Liptovsky Mikulas oder Nove Zamky – viel änderte sich dort über die Jahre nicht, der Komfort hält sich in Grenzen, allerdings finden Arena-Hopper auch unverwechselbare Hallen vor.  

Dafür sind die Eintrittspreise (um die zehn Euro ist man dabei) und die Bierpreise (etwa zwei Euro) weiter wohlfeil – diese tragen zu einem gewissen Teil zu den Klubbudgets bei, aber ohne gute Sponsoren und Unterstützungen der Stadtregierungen geht gar nichts. Kosice begann die heurige Saison sogar in der eigenen Trainingshalle, erst im November, als mit der Stadt eine Einigung über die gestiegenen Energiepreise gefunden wurde, übersiedelte man wieder nach nebenan.

Nach vielen Unterschieden eine Parallele zum großen Bruder Tschechien: Corona war für die Teams sicher ein ernstzunehmendes finanzielles Problem, trotzdem überlebten alle. Zu groß ist der Stellenwert des Eishockeys in beiden Ländern, in der Slowakei ist ein gewisser Invalidenstatus ohnehin immer schon eingepreist gewesen…

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