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Die Baustellen der Vienna Capitals

Nach dem ersten Saisonsieg gegen die Pioneers Vorarlberg herrscht Erleichterung! Aber die Probleme liegen klar auf der Hand:

"Endlich", werden sich die 2.700 Fans in der STEFFL Arena gedacht haben.

Nach den beiden Niederlagen zum Saisonauftakt in Salzburg (1:2) und gegen den KAC (0:4) holten die Vienna Capitals am Dienstagabend mit einem 2:1-Erfolg gegen die Pioneers Vorarlberg ihren ersten Saisonsieg.

Dieser Sieg war allerdings hart erkämpft, denn nachdem die Wiener im ersten Drittel Top-Chancen en masse vergeben haben, netzten die Gäste eiskalt zur Führung ein. Doch Patrick Antal brach nach rund 97 torlosen Minuten den Bann und schoss die Hausherren in Führung. Im Schlussabschnitt stellte schließlich James Sheppard den verdienten Sieg her.

Die Erleichterung war unter allen Beteiligten deutlich spürbar, fast schon angreifbar. Doch der knappe Erfolg offenbarte einmal mehr die vielen Baustellen, an denen die Capitals noch arbeiten müssen.

Die Scoring-Tiefe

Wer soll die Tore schießen?

Diese Frage stellten sich viele bereits vor der Saison, nach den ersten drei Spielen mehr denn je. Die Top-Linie Zimmer-Sheppard-Bradley hatte erst gegen die Pioneers ihr erstes gutes Spiel der Saison, und das auch erst nachdem Head Coach Dave Barr ihnen nach der Schmach gegen den KAC wohl den Kopf gewaschen hat.

Denn nach dem Spiel gegen die "Rotjacken" war der sonst so besonnene Kanadier fuchsteufelswild, nahm vor allem die Leistungsträger in die Pflicht. Das scheint gewirkt zu haben, besonders Bradley wirkte in höchstem Maße motiviert, blieb aber glücklos. So traf er im ersten Drittel das leere Tor nicht und ließ weitere Top-Chancen ungenützt.

Auch Zimmer findet auf europäischem Eis immer mehr zu seinem Spiel, doch der Torjäger per se ist er wohl auch nicht. Das lässt sich über Sheppard ebenfalls sagen, der allerdings schon in der Vorsaison in spielentscheidenden Situation herausgestochen ist und mit seiner Ruhe an der Scheibe für gefährliche Momente sorgen kann.

Doch den Caps fehlt aktuell ein Spieler, der Partien auch im Alleingang entscheiden kann - jemand, wie es Nicolai Meyer in der vergangenen Spielzeit war. Aktuell ist es der zweiten Angriffsreihe rund um Antal-Kainz-Hartl vorbehalten, für die wichtigen Tore zu sorgen - wenngleich es von denen noch nicht viele zu bestaunen gab.

Darüber hinaus sieht es jedoch düster aus. In der Defensive arbeiten Alex Wall und Co. zwar brav, viel Offensive ist von ihnen allerdings nicht zu erwarten. Und die verbleibenden beiden Offensiv-Linien, in die Neuzugang Radek Prokes mittlerweile abgerutscht ist, haben ebenfalls nur wenig Scoring-Potenzial.

Die Chancenverwertung

Das schlägt sich dann eben auch in der mangelnden Chancenverwertung nieder.

Drei Spiele, drei Treffer, 85 Torschüsse - macht eine Scoring-Efficiency von gerade einmal 3,53 Prozent. Bereits in Salzburg wurden viele gute Möglichkeiten teils fahrlässig liegen gelassen, gegen den KAC gab es ehrlicherweise nur ganz wenige Chancen, die wirklich zwingend waren.

Aber gegen die Pioneers schossen die Caps aus allen Lagen, frei nach dem Motto: "Get the puck to the net." Gut und schön, allerdings auch nicht immer der richtige Weg zum Ziel. Die echten Top-Chancen wurden eigentlich allesamt nicht verwertet, zwei "ugly goals" mussten herhalten, um den ersten Sieg einzufahren.

Der Handgelenksschuss von Patrick Antal zum 1:1 war eigentlich weder sonderlich scharf, noch platziert - aber Niki Hartl verstellte Pioneers-Keeper Alex Caffi gut die Sicht. Und Sheppards Siegtreffer fiel nach einem Rebound. Natürlich kann man auch so Spiele gewinnen - aber nicht langfristig.

Dafür müssen die sich bietenden Großchancen konsequent genutzt werden, sich zudem drei bis vier Spieler herauskristallisieren, die mindestens 15 Tore in der Saison erzielen können. Mit steigendem Selbstvertrauen in der Offensive, von dem die Capitals nach Ansicht von Dave Barr aktuell "wenig haben", kann das schnell passieren.

Das Powerplay

Dafür müssen aber die Special Teams, allen voran das Powerplay schleunigst funktionieren.

Die Partie gegen die Pioneers war eine, in der den Caps in Überzahl der Knoten hätte platzen können - nur tat er das nicht. Einerseits, da die Vorarlberger kaum Strafen genommen haben und diszipliniert verteidigten, andererseits weil das Konzept noch nicht perfekt umgesetzt wird.

Hier ein Fehlpass, da zu lange gezögert, dort den freien Mann verpasst - nach 13 Überzahlspielen - alleine sieben waren es gegen den KAC - warten die Donaustädter immer noch auf einen Treffer, daher meinte Barr auch klipp und klar: "Wir müssen das Powerplay in den Griff bekommen, heute Abend hätte es uns helfen können."

(Artikel wird unter dem VIDEO fortgesetzt)

Im Training liegt der Fokus spätestens seit dem KAC-Spiel auf dem Powerplay, der Kanadier sah seitdem auch bereits eine kleine Verbesserung. "Aber wir müssen mehr schießen, den Puck zum Tor bringen", konstatiert er.

In der letzten Saison war das Überzahlspiel noch eines der Prunkstücke der Wiener, derzeit fehlt allerdings ein Meyer oder Rafael Rotter, der dieses lenkt und für Überraschungsmomente sorgt. Aktuell geschieht viel von der Blauen Linie aus, verteilen Wall und Chad Krys die Pucks - aber es wird eben zu wenig geschossen, gleichzeitig zu lange abgewartet.

Der Gegner wird nicht aus der Defensive gelockt, kaum unter Druck gesetzt. Passing Plays? Fehlanzeige. Zumeist wird viel rotiert, stehen ein bis zwei Spieler vor dem Tor - nehmen sich damit jedoch als Passoptionen heraus. Dadurch müssen drei Spieler für Gefahr sorgen, den Gegner aushebeln. Eine schwierige, aber nicht unlösbare Aufgabe.

Die Verletzungen

Zu guter Letzt sucht schon früh in der Saison der Verletzungsteufel die Caps heim.

Yannic Pilloni, Christof Kromp und der Langzeitverletzte Alexander Maxa fehlten schon in weiten Teilen der Vorbereitung, nach dem ersten Saisonspiel gesellte sich Niklas Würschl zur Verletztenliste hinzu. Diese ergänzen nun auch Kapitän Mario Fischer und Neuzugang Jeremy Gregoire.

Dazu fehlt Rotter nach seiner noch in Linz kassierten Sperre noch für drei Spiele. Somit fehlt dem zweifachen ICE-Champion ein Abwehrpaar sowie fast zwei Sturmlinien. Das macht die aktuell ohnehin schon schwierige Situation kein Stück leichter, kann sich aber auch als Chance für neue Jung-Cracks erweisen.

Beispielsweise der 19-jährige Leon Widhalm, der auch noch für die U20-Mannschaft aufläuft, bekommt nun viel Eiszeit und zahlt diese mit großer Leidenschaft und viel Einsatz zurück. Gegen die Pioneers schnupperte er sogar schon an seinem ersten Liga-Tor, nur Caffi wusste diesen zu verhindern.

Doch auch der 21-jährige Verteidiger Bernhard Posch füllt seine Rolle zu aller Zufriedenheit aus, geht keine großen Risiken ein und steht seinen Mann. Der gleichaltrige Lukas Piff, schon seit zwei Jahren im Profi-Kader, darf nun sogar neben Legionär Krys wertvolle Erfahrung sammeln, die ein ehemaliger U18-Weltmeister nunmal hat.

Es ist also nicht alles gleich schlecht, Head Coach Dave Barr und sein Team sind aber schon früh in der Saison gefordert. Gänzlich neu ist das Ganze für die Caps jedoch nicht, in der letzten Spielzeit war die Lage nach drei Niederlagen zum Auftakt sogar noch angespannter.

Und schon damals fanden die Kagraner einen Weg aus der Krise, vielleicht war der knappe Sieg gegen die Pioneers daher bereits ein erster Schritt in die richtige Richtung.


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