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Wie scoutet Bernd Freimüller die ICE Hockey League?

Der LAOLA1-Experte erklärt, welche Monate beim Scouting am wichtigsten sind und worauf es im Laufe der Saison zu achten gilt.

Wie scoutet Bernd Freimüller die ICE Hockey League? Foto: © GEPA

Von August bis April - wie scoute ich eigentlich die win2day ICE Hockey League? Welche Monate sind die wichtigsten? Worauf gilt es im Laufe der Saison zu achten?

LAOLA1-Experte Bernd Freimüller mit einer Aufarbeitung:

Eishockey im Sommer

Je älter ich werde, desto mehr Probleme habe ich mit Testspielen. Nicht nur, dass das Wetter im August und September eigentlich noch viel zu schön für Hallenbesuche ist, hält sich auch der sportliche Wert in Grenzen.

Ein Team lässt viele Stammspieler pausieren und spielt mit einem jungen Lineup. Ein anderes kommt gerade vom Trainingscamp, will eigentlich nur nach Hause. Ein weiteres will sich am letzten Wochenende vor Saisonbeginn nur keine Verletzungen mehr einhandeln und spielt schaumgebremst.

Dass etwa Graz vor einer schweren Saison stehen würde, gab schon der Kader her - das 1:6 im slowakischen Nove Zamky, das ich gesehen habe, diente da nur als (relativ überflüssige) Bestätigung. Ähnliches gilt für Laibachs 0:6 in Linz.

Große Trips für Vorbereitungsspiele sind ohnehin Geld- und Zeitverschwendung, aber selbst die kürzeren Reisen können in die Irre führen. Das gilt nicht nur für Teamleistungen, sondern auch für Einzelleistungen.

Ich hätte bei Shawn St-Amant nach der Vorbereitung nur schwächeren bis bestenfalls durchschnittlichen Speed gesehen – eine Fehleinschätzung. Bei Asiagos Test in Innsbruck hätte ich Bryce Misley als interessantesten Stürmer ausgemacht. Auch Unsinn, mindestens vier Forwards sind jetzt vor ihm gereiht.

Tests sind Tests, natürlich besser als nichts, aber sie können dich gehörig in eine Sackgasse führen. Dass es immer wieder Leute gibt, die nach dem ersten Drittel des ersten Testspiels (oder gar nach dem ersten Eistraining) schon wissen, in welche Richtung die Saison geht, sei ihnen unbenommen, aber etwas Vorsicht bewahrt vor späterer Einsicht.

Es ist sehr leicht, sich nach einem Spiel in einen Spieler zu verlieben (oder das Gegenteil), bei Testspielen ist diese Gefahr noch größer.

Der Saisonstart

Es geht um erste Eindrücke der Teams, vor allem der neuen Spieler. Bei allem Respekt für Cracks wie Dominique Heinrich, Thomas Koch oder Mario Fischer – an sie verschwende ich keinen Blick mehr, sie sind über Jahre wohlbekannt. Große Leistungsausbrüche in beide Richtungen bekomme ich auch im Laufe der Saison mit.

Es ist völlig unmöglich, pro Spiel 40 Spieler zu beobachten. Daher lasse ich eben altbekannte Cracks beiseite, auch Legionäre, die ich gut aus dem Ausland kenne (z.B. Christian Bull oder Nick Saracino) haben anfangs keine hohe Priorität.

Ich kenne auch die meisten aufgerückten Jungcracks noch aus den Nachwuchsligen, muss bei ihnen daher nicht bei null starten. Für sie heißt es ohnehin meistens sich nur über Wasser zu halten, allerdings: Bei Senna Peeters oder Patrick Söllinger habe ich schon gewisse Erwartungen gehabt und diese wurden auch erfüllt.

Niklas Wetzl (VSV) überraschte den Scout
Foto: © GEPA

Bei Niklas Wetzl ist das schon etwas anders – er spielte sehr lange im Ausland und war noch dazu öfters verletzt. Ein Monat vor seinem VSV-Debüt habe ich ihn noch bei Kitzbühel gesehen, wo er schon sehr solide spielte, trotzdem hätte ich ihm den nahtlosen Umstieg in die ICE nicht so schnell zugetraut. Der VSV belohnte dies mit einem Zweijahresvertrag.

Im September und Oktober geht es eben darum, die Teams zu scannen, hier vor allem die neuen Legionäre. Bei einigen Organisationen geht das schnell: Der KAC war für mich über Jahre ein Team, das ich getrost auf die lange Bank schieben konnte – die Besetzung war von Jahr zu Jahr fast deckungsgleich.

Ein Team wie Innsbruck dagegen, das von einer Saison auf die andere große Unterschiede auf den Ausländerpositionen aufweist, hat da größere Priorität. Ähnliches galt heuer für die beiden Liga-Neulinge Asiago und Feldkirch (mit mehreren College-Zugängen).

Heimteams

Trotz Klimatickets: Ohne Not quer durch die Republik zu fahren, ergibt natürlich keinen Sinn und ermüdet nur. Ein Scout arbeitet immer nach dem Motto: "So viele aussagekräftige Spiele wie möglich bei so wenig Reisen wie möglich." Trotzdem war ich heuer in acht verschiedenen Hallen, vornehmlich natürlich in Österreich.

Es war eine himmlische Zeit, als ich mit Wien, den Bratislava Capitals und Znojmo drei Teams innerhalb einer Stunde als Heimteams hatte. Das hielt allerdings bis zum Ausscheiden von Bratislava nicht einmal eine halbe Saison. Jetzt sind halt Wien (jeweils zehn Viewings) meine Heimatbasen, auswärts versuche ich diese Mannschaften dann so gut wie möglich zu vermeiden.

Diese Teams ergeben natürlich aufgrund der vielen Besuche schon ein kompaktes Bild, sodass ich im Saisonverlauf immer den Gegner genauer beobachten kann. Nach dem Sonntags-Spiel der Pioneers vergangene Woche in Linz hätte ich über keinen der Black Wings in diesem Spiel Genaueres sagen können, dieses Team ist für mich reportmäßig schon abgeschlossen. Nur Neuzugang Matt Murphy ist da noch einen Blick wert.

Vom Herbst in den Winter

Sobald ich über einen Spieler ein kompaktes Bild habe, verschwindet er von der Prioritätenliste, bekommt beim nächsten Spiel keine Marker-Färbung mehr. Von sieben oder acht Cracks pro Teams werden es dann fünf oder sechs, danach noch weniger, bis die Stärken und Schwächen evident sind.

Wie gesagt: Über die Jahre etablierte Spieler – da gehören auch Nico Brunner, Sam Antonitsch oder Thomas Vallant dazu – geben meist nichts Neues her. Auch der dreizehnte Forward bei Asiago, der vielleicht ab und an fünf Minuten Eiszeit hat, hat keine Relevanz, er wird wohl eher nicht im Sommer am Transfermarkt aufschlagen.

Ideal wäre ein Teamviewing pro Monat, das ist aber meist nicht möglich. Länger als zwei Monate sollten zwischen den einzelnen Beobachtungen allerdings auch nicht vergehen.

Spielecluster – also Beobachtungen desselben Teams innerhalb kürzester Zeit – versuche ich zu vermeiden. Die Lineups bleiben meist gleich und die Leistungen über einen kürzeren Zeitraum ebenfalls.

Asiago etwa ist ein Team, das jetzt wesentlich anders auftritt als zu Saisonbeginn, wo ich sie öfters gesehen habe. Noch ein Viewing wäre daher kein Fehler, auch wenn ich Cracks wie Allan McShane (scort derzeit wie verrückt) doch schon relativ gut einschätzen kann.

Spätestens ab dem Jahreswechsel geht's ans Eingemachte. Bestes Beispiel: Die beiden "Haie" Tyler Coulter und Adam Helewka sind natürlich hochinteressante Spieler mit klaren Stärken. Ein Spiel wie jenes zu Beginn des Jahres in Linz dient dazu, ihr Spiel abseits der Scheibe zu sehen.

Bei den meisten Shifts mit ihnen habe ich den Puck gar nicht verfolgt, nur ihr defensives und offensives Stellungsspiel. Solche Details stehen auch nur noch für wenige Cracks an, ein Neuankömmling wie Wiens Ben Finkelstein offenbarte seine Stärken und Schwächen gleich von Beginn an. 

Die Scheibe sollte für einen Scout ohnehin nicht im Brennpunkt des Geschehens sein, das Spiel abseits von ihr wird von Monat zu Monat wichtiger und ergibt erst dann ein stimmiges Gesamtbild.

Die Playoffs

Die schönste und wichtigste Zeit im Jahr, nicht unbedingt für mich. Ich schaue noch bei dem einen oder anderen Viertelfinalspiel in den Hallen vorbei, danach ist Schluss. Immer wieder die gleichen Teams zu sehen, ermüdet und bringt natürlich auch nichts.

Ein Auftraggeber hätte über folgende Aussage nach der letzten Saison nur den Kopf geschüttelt: "Leider – über einen Innsbruck-Spieler kann ich dir keinen Report geben, die waren im Playoff nicht dabei. Frag mich lieber über Salzburg."

Nach dem Grunddurchgang müssen eigentlich alle Reports geschrieben sein, einzig die wenigen Zugänge zur Trading-Deadline könnten da noch neu für mich sein. Nur: Wegen dem leicht überwuzelten Markus Kankaanperä (41), der Bozen zur Deadline verstärkte, fahre ich nicht über Stock und Stein und sein Impact ähnelte den meisten der Kaderauffüllungen.

Am Ende der Saison gibt jedes Team im Schnitt zwischen zehn und 15 Spieler-Reports her, die sollten dann auch sitzen und mich bei Befragung nicht ins Stottern bringen. Ein "Hat 18 Tore geschossen, war gut" geht in Scouting-Kreisen als Report nicht durch.

Acht Monate in den ICE-Hallen mit etwa 40 Live-Spielen (TV-Games und Streams sind nur Ergänzungen) sollten für ausführliche Berichte allemal gut sein, die Datei mit den ICE-Berichten bis zur nächsten Saison wieder geschlossen werden.


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