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Anthony Luciani: Der neue Punktegarant des VSV

Die Offensive des VSV wurde mit dem 32-jährigen Kanadier sicher aufgewertet. Seine mangelnde Defensivarbeit könnte aber zum Problem werden.

Anthony Luciani: Der neue Punktegarant des VSV Foto: © VSV/Krammer

Anthony Luciani ist wieder zurück in der win2day ICE Hockey League.

Der VSV sicherte sich die Dienste des Kanadiers, der in dieser Liga ein jahrelanger Punktegarant war. Seine Scorer-Qualitäten hat der 32-jährige Flügelstürmer schon in seinen ersten beiden Spielen für die Villacher unter Beweis gestellt, hält nach zwei Partien bereits bei drei Assists.

Vor dem Kärntner Derby am Mittwoch beim KAC (16:30 Uhr im LIVE-Ticker >>>) wird Luciani in einem Scouting Report von LAOLA1-Experte Bernd Freimüller beleuchtet:

Seine Karriere

In Nordamerika durchlief er die üblichen Stationen für einen offensiv begabten Spieler: In der OHL ein Punkt-Pro-Spiel-Scorer, was zu keinem NHL-Vertrag reichte. Ähnliche Scorerzahlen rief er in den vier Jahren danach in der ECHL auf, wogegen er in seinen Kurz-Gastspielen in der AHL kaum scorte.

Ein typisches Profil für einen einseitigen ECHL-Offensivspieler, der sich danach Richtung Europa orientierte. Einer zwischen Norwegen und Italien geteilten Saison folgte eine weitere in der ECHL, danach wieder eine zwischen der Slowakei und der DEL2 gesplittete Spielzeit.

Im Sommer 2018 kehrte doch etwas Ruhe in seine Karriere ein, es sollten zwei Spielzeiten mit Znojmo folgen. Nach dem (ersten) Ausstieg der "Adler" aus der EBEL ging er sogar in die dritte tschechische Liga mit.

Die Gründe dafür: Eine Liebesbeziehung sowie eine Entlohnung auf gutem EBEL-Niveau. Eine Ausstiegsklausel für die DEL zeugte von großem Optimismus. Wegen Corona wurde die Saison aber nach fünf Spielen abgebrochen, Luciani fand sich nach Kurzgastspielen in Tschechien in Dornbirn wieder, wo er in gewohnter Weise scorte.

Danach kehrte er nach Znojmo zurück, nach dem endgültigen ICE-Ausstieg der Tschechen nahm ihn das schwedische Allsvenskan-Team Södertälje unter Vertrag. Wenig überraschend zeichnete sich in dieser laufintensiven und systemorientierten Liga schon in der Preseason ein nur kurzes Engagement ab, nach acht Spielen war dann endgültig Schluss.

Ungefähr zur gleichen Zeit, als sich mit Nicolai Meyer ein weiterer defensiver Nonvaleur für Salzburg entschied, heuerte Luciani beim VSV an, der auf der Suche nach einem Scorer war.

Seine Stärken und Schwächen

Luciani war immer ein reiner Offensivspieler mit wenig Hingabe zu defensiven Aufgaben. Allerdings war sein Beginn in Znojmo noch ok, er war zumindest in der eigenen Zone anwesend. Als ihm Coach Miro Frycer aber immer mehr Freiheiten einräumte, nahm er diese dankend an.

Bei der geringsten Chance verließ er seine eigene Zone (oder kam dort gar nicht an), seine Kollegen durften sich zu viert herumschlagen. Umgekehrt bescherte ihm dies natürlich viele Breakaways oder Odd-Man-Rushes, die er mit seinen Händen dann auch veredeln konnte.

Als während der letzten Saison Glen Hanlon als Znojmo-Coach übernahm, versuchte er, dem Team im Allgemeinen und Luciani im Besonderen etwas mehr an Defensivhingabe einzutrichtern.

Ich war bei Hanlons erstem Spiel dabei – er gestikulierte wild über die Eisfläche, Luciani nahm auch durchaus Blickkontakt auf, aber so etwas kann natürlich nicht funktionieren. Nach einigen Spielen gab Hanlon dann auf, Luciani agierte wie eh und je.

Die Stärken des Left Wingers, der als Rechtsschütze bevorzugt über seine Off Side kommt (wie etwas höherklassige Scorer wie Alex Ovechkin oder Patrik Laine), sind evident. Der 32-jährige verfügt über weiche Hände, kann fast jeden Pass spielen, auch durch gegnerische Beine und Stöcke hindurch.

Luciani kann Spieler an den Seiten- und Endbanden an sich ziehen, dann den Puck im richtigen Moment weiterspielen. Trotz seiner nur 1,74 Meter ist er keineswegs ein Leichtgewicht im Zweikampf und kann sich mit seinen 83 Kilo auch durchaus wehren, obwohl man ihm diese ohne Uniform nicht ansieht. Er verfügt auch über eine hervorragende Balance, steht stabil auf den Eisen – unabkömmlich bei Spielern seiner Größe. 

Seine Beinkraft verhilft ihm auch zu einem guten Antritt, er kann sich schnell von Gegnern lösen. Alleine deswegen bräuchte er gar nicht so oft defensive Shortcuts zu nehmen, könnte auch Laufduelle gewinnen, wenn er die Defensivzone erst nach der Scheibe verlässt.

So explosiv er nach vorne agieren kann, so reifenschonend agiert er beim Backcheck. Egal, ob er oder jemand anderer die Scheibe verliert – während seine Kollegen die Keulen schwingen, geht er es gemächlich an, kommt daher auch verlässlich als Letzter zurück. Das verhilft ihm dann wiederum zu einem Startvorteil, wenn sich das Geschehen doch wieder in die andere Richtung verlagert.

Luciani (noch im Znojmo-Dress) holt zum Slap Shot aus
Foto: © GEPA

Luciani ist wie gesagt ein begnadeter Passgeber (nicht ganz so gut wie John Hughes, aber knapp dahinter), kann aber sehr wohl auch selbst scoren. Er verfügt über einen ansatzlosen Wrist Shot auch aus schwierigen Winkeln, den er von links vor allem im Powerplay anbringen kann. Bei Breakaways ist er ein sicherer Wert.

Seine Rolle in Villach

Luciani fasste seine Vor- und Nachteile gleich in seinen beiden ersten Shifts für den VSV zusammen. Erst legte er zwei tolle Pässe hin, der zweite brachte die Villacher dann auch beim Gastspiel in Innsbruck in Führung. Beim nächsten Shift konnte er die Scheibe nicht aus der eigenen Zone spedieren, der Ausgleich fiel Sekunden später.

VSV-Coach Rob Daum spannte Luciani zu Center Andrew Desjardins und RW Blaz Tomazevic – beide mit mehr defensiver Hingabe ausgestattet als der Neuzugang. Desjardins könnte von Lucianis Offensivkraft profitieren, dieser wiederum von den Faceoff- und Defensivstärken des bis dahin enttäuschenden Routiniers. Am Ende des 6:5-Sieges in Innsbruck stand diese Linie bei drei erzielten Toren und zwei Gegentreffern am Eis.

Für mich vor dem Innsbruck-Spiel am interessantesten: Wie wird Daum Luciani im Powerplay einsetzen? In Znojmo agierte er immer von den linken Halfwall – eine Position, die dort auch Routinier Tomas Svoboda bespielte. Versuche, die beiden gemeinsam spielen zu lassen, endeten chaotisch (sie standen in Bremer-Stadtmusikanten-Art fast aufeinander), sodass sie auf zwei Powerplay-Units aufgesplittet wurden.

In Villach nimmt John Hughes diese Position seit Jahr und Tag ein, seine Pässe von dort sind seit knapp einem Jahrzehnt ligabekannt, trotzdem oft schwer zu verhindern. In Innsbruck rückte er zugunsten Lucianis beim ersten Powerplay-Shift hinter die Torlinie, gegen Ende des Spiels wechselten sich die beiden auf der linken Seite ab. Können die beiden Pass-First-Spieler (Hughes allerdings mehr als Luciani) koexistieren oder müssen sie auf zwei Units aufgesplittet werden?

Luciani sollte wie bei all seinen Europastationen, die bis auf ein Kurzgastspiel in Brünn und seinem Stint in der Allsvenskan in eher schwächeren Ligen stattfanden, auch für den VSV ein Offensivgarant werden. Allerdings: Schon vor seiner Ankunft war von der erhofften neuen defensiven Stabilität beim VSV nur selten etwas zu sehen.

Mit ihm – und das 6:5 in Innsbruck könnte beispielhaft sein – rücken die Adler wohl noch mehr in Richtung der High-Scoring-Games der letzten Saison. 207 Punkte in 172 Spielen weisen Luciani als einen EBEL/ICE-Punktegaranten aus und diesen Ruf wird er auch in Villach bestätigen.

Aber: Überwiegt seine Offensivstärke seine Defensivunwilligkeit oder wird das für den VSV zu einem Nullsummenspiel? Die Villacher wussten, was sie sich von Luciani erwarten können und was nicht. Dieser wiederum braucht nicht mehr auf Angebote aus besseren Ligen zu hoffen. Profitieren beide Seiten von dieser Zweckgemeinschaft? 


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